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Restaurant Confessionals

Food-Blogger sind der Teufel

Ein ganz neue Generation von Restaurantkritikern ist angekommen und es wimmelt da draußen nur so von ihnen: Food-Blogger. In den sozialen Netzwerken haben sie tausende Fans. Wir haben einen Koch gefragt, was er von dem Phänomen hält. Eins sei gesagt...
Foto von foodieSarah via Flickr

Willkommen zurück zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt. Für diese Ausgabe haben wir den Koch eines sehr angesehenen, skandinavischen Restaurant nach seiner Meinung zum Social-Media-Phänomen der Food-Blogger befragt.

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In einem Restaurant sind die Kellner ständig damit beschäftigt, die Augen nach bekannten Restaurantkritikern offen zu halten. Gesichter im Speiseraum werden hastig mit ausgedruckten Bildern, die hinter der Bar oder im Büro hängen, verglichen. Die meisten Köche wissen, wie es sich anfühlt, wenn einer dieser Typen in das ohnehin schon zum Bersten volle Restaurant hereinspaziert und zu seinem Tisch geführt wird. Es dreht einem den Magen um und man denkt sich: „Das ist gerade das Letzte, was ich gebrauchen kann." Eine gute Rezension kann bedeuten, dass das Restaurant monatelang jeden Abend voll sein wird, eine schlechte kann das Restaurant in den Ruin treiben.

Das ist jedoch nur eine Art von Restaurantkritikern. Ein ganz neue Generation ist mittlerweile oben angekommen und es wimmelt da draußen nur so von ihnen: Eine Ausgeburt des Informationszeitalters—Blogger, die von sich selbst überzeugt sind und die im Zeitalter der Technologie nicht immer Respekt vor prestigereichen gastronomischen Traditionen haben.

Dieses Social-Media-Phänomen ist durchaus spannend, deshalb haben wir uns mit einem Chefkoch eines angesehenen Restaurants mit einigen unglaublich beeindruckenden Reviews getroffen, um ihn nach seiner Meinung zu Food-Bloggern zu befragen.

Eins sei gesagt: Er mag sie nicht besonders.

Männlich, 30, Chefkoch irgendwo in Skandinavien

MUNCHIES: Was hältst du davon, wenn Food-Blogger dein Restaurant besuchen? Die meisten sind, meiner Meinung nach, ein furchtbarer Haufen Arschlöcher.

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Wow, das war ehrlich. An was liegt das? Allgemein gesprochen, sind sie sehr von sich selbst überzeugt und haben das Gefühl, sie haben eine besondere Behandlung verdient, weil sie über Essen schreiben. Aber ernsthaft, jeder Vollidiot mit einem Laptop kann das, oder etwa nicht?

Ist das eine weit verbreitete Meinung oder bist du einfach nur wütend? Nein, nein, das ist eigentlich der Konsens aller Köche auf der ganzen Welt. Viele von ihnen würden jedoch zögern, das laut auszusprechen.

Echt? Wie kommt's? Diese Blogger haben sehr viel Macht. Einige von ihnen haben tausende Fans in den sozialen Netzwerken und sie können mit einem einzigen Post ein Restaurant zerstören. Das ist ziemlich beschissen, wenn du und dein Team 16 Stunden pro Tag arbeiten, nur um für solche Leute zu kochen.

Ach du Schande. Ja, ich habe schon Blogger gesehen, die eines der besten Restaurants der Welt besucht haben und dann einfach schrieben: „War nicht gut, würde ich nicht empfehlen." Und das war's. Sie erklären nicht mal warum. Das ist einfach respektlos.

Ja, das verstehe ich. Ginge es dir nicht besser, wenn du dir die Blogs nicht anschauen würdest, wenn sie dich so rasend machen? Irgendwie muss man einfach, weil sie eben, wie gesagt, so viel Macht haben. Einmal ist der Besitzer meines Restaurants mit seinem Handy in der Hand zu mir hergekommen, um mir einen Tweet zu zeigen, und er fragte mich, warum irgendein Idiot im Internet solche Sachen über unser Essen sagt. Ich muss im Auge behalten, wer was wo über uns sagt. Oft google ich nach meiner Schicht noch den Namen des Restaurants oder meinen Namen, um zu schauen, wer und wie viele sich wieder über uns auslassen. Es ist schon vorgekommen, dass irgendwelche Blogger im Privatjet angereist waren und dann schlecht über unser Restaurant geschrieben haben, weil sie es überteuert fanden. Was kann man darauf sagen?

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Keine Ahnung. Ich nehme mal an, du findest nicht, dass es überteuert ist? Ich meine, wie kann jemand behaupten, es wäre überteuert, wenn er keine Ahnung hat, wie viel die Produkte wirklich kosten oder wie viel Stunden harte Arbeit in ein Gericht gesteckt wurden? Es ist alles so relativ. Außerdem bin ich mir sicher, dass sie genau wussten, wie viel unser Menü kostet, bevor sie durch die Tür kamen. Wenn du es zu teuer findest, dann komm erst gar nicht.

Hast du schon einmal erlebt, dass negative Bloggerreaktionen das Geschäft beeinflusst haben? Absolut. Restaurants hat es schon schwer getroffen, weil ein Blogger kein Verständnis für ihr Essen hatte. Das betrifft sowohl Fine-Dining-Lokale als auch Familienbetriebe. Und warum? Weil der Blogger vielleicht an diesem Abend schlechte Laune hatte, also hat er sich einen miesen Hashtag einfallen lassen. Das ist scheiße, ganz ehrlich.

Erkennst du die Blogger, wenn sie ins Restaurant kommen? Manchmal kündigen sie es auf ihren Blogs an. Ich glaube, dass sie darauf hoffen, gratis essen zu können, ich weiß es nicht. Manchmal erkennt man sie, manchmal nicht. Sie lachen dir meistens nett ins Gesicht und zerreißen dich danach in Fetzen. Wenn es ihnen nicht passt, wieso sagen sie es mir nicht direkt ins Gesicht?

Was, wenn du einen erkennst? Bekommen sie eine Sonderbehandlung, da du ja weißt, dass sie so viel Einfluss haben? Nein. Wir bieten alle unseren Kunden den gleich hochwertigen Service. Nur weil du ein bisschen mit Wordpress rumspielst, wirst du nicht anders als alle anderen behandelt. Manchmal stellen sie sich selbst als Blogger vor und versuchen, ein kostenloses Essen rauszuschlagen. Natürlich hat noch nie jemand bei uns kostenlos gegessen. Stell dir das mal vor.

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Glaubst du, dass sie in anderen Restaurants etwas gratis bekommen haben? Oh, wahrscheinlich schon. Das wäre echt mies, weil es auf jeden Fall ihr Ego stärkt. Ich glaube nicht, dass Restaurants oder Köche sich darauf einlassen sollten.

Wenn es so ein großes Problem in der Gastronomie ist, sollte die Branche das Schweigen nicht einfach brechen? Ich glaube, dass demnächst das Fass überläuft und die Köche erzählen, wie es wirklich abläuft und offen über die Tatsache sprechen, dass ihnen diese Personen und ihre Meinungen am Arsch vorbeigehen. Natürlich hat jeder seine eigene Meinung—und das sollte er auch—, aber bitte untermauere das doch mit ein bisschen Wissen.

Sind Food-Blogger also von Grund auf böse? Nein, sind sie nicht. Sie begeistern sich für essen und das ist lobenswert. Ob sie sich jetzt mit Essen auskennen oder nicht, tief drinnen steckt etwas Gutes.

Na, das ist wenigstens etwas. Denkst du über Restaurantkritiker in Zeitungen ähnlich? Nein, nicht wirklich. Es ist auf jeden Fall nicht cool, eine schlechte Rezension zu bekommen, aber zumindest wissen die meisten Restaurantkritiker wirklich, wovon sie sprechen. Viele von ihnen denken über Blogger wahrscheinlich gleich wie wir. Sie greifen nicht nur uns als Köche an, sondern machen sich auch auf gewisse Weise über die journalistische Kunst der Rezension lustig. Fragt mal ein paar Restaurantkritiker nach ihrer Meinung. Das wird euch überraschen.

Und wie sieht es mit Plattformen wie Yelp aus? Hast du einige Reviews auf Yelp gelesen? Die Leute haben keine Ahnung, wovon sie sprechen. Und sie können sehr gehässig sein. Das ist unfassbar. Ich glaube, die Leute wollen sich einfach nur wichtig fühlen und sie suchen in Reviews ein Ventil für ihre Boshaftigkeit. Das Problem liegt darin, dass die Leute die Bewertungen ernst nehmen.

In nächster Zeit sollten wir also nicht damit rechnen, dass du mit dem Bloggen anfängst? [Lacht] Nein, hatte ich nicht vor.