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So billig kann Wohltätigkeit sein: Ein Ausflug in den easyJet-Supermarkt

Der Laden in London erinnert stark an die Flüge der Firma: nur die absoluten Basics und alles so hässlich und unangenehm wie möglich.

Alle Fotos von Jake Lewis

Der easyJet-Mogul Stelios Haji-Ioannou hat es auf sich genommen, in London einen Laden zu eröffnen, der easyFoodstore heißt und auf Menschen abzielt, die zu arm sind, um bei Discountern wie Lidl oder Aldi einzukaufen, die gleichzeitig aber nicht mittellos genug für Tafeln sind. Hier soll Essen zu „ehrlichen Preisen" verkauft werden, dafür gebe es dort „keine teuren Marken". Haji-Ioannous Wohltätigkeitsorganisation, die Armen in Griechenland und Zypern Essen ausgibt, sei die Inspiration zu dem Laden gewesen. Am Eröffnungstag kostete alles im easyFoodstore 25 Pence (circa 33 Cent). Damit hatte das Geschäft so viel Erfolg, dass es kurz danach gezwungen war, frühzeitig zu schließen, nachdem keine Lebensmittel mehr auf Lager waren.

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Wenn Läden mit extrem niedrigen Preisen werben, stürzen sich die Leute meist nur so darauf, als ginge es um Leben und Tod. Wir haben alle schon auf Facebook Videos gesehen, in denen Leute beim „Black Friday"-Ausverkauf übereinander stolpern, um drei Toaster zu kaufen. Warum also gab es keinen solchen Ansturm auf den easyFoodstore? Man konnte dort für 20 Pfund genug Essbares bekommen, um bis zum Sommer versorgt zu sein, warum brauchte es also keine Securitys mit Elektroschockern? Als ich dort war, sah ich nur eine Handvoll Menschen, hauptsächlich neugierige Passanten und Büroarbeiter aus der Umgebung, die sich Snacks oder eine Dose Ravioli holen wollten.

Der easyFoodstore ist spärlich eingerichtet. Die Produkte stehen auf sehr einfachen Regalen, ein Bild, das an die Vorratskammer einer Militärkantine erinnert. Das Sortiment enthält die üblichen Verdächtigen: Bohnenkonserven, Erbsenkonserven, große Behälter mit Salz, Mehl, Schokokekse, Reis, Pasta, Saucen. Es sah ein bisschen aus wie der Kühlschrank eines Doomsday Preppers. Wie kann Stelios es sich leisten, all diese Waren so günstig zu verkaufen? Matthew Gwynther, Herausgeber des Business-Magazins Management Today, sagt geradeheraus: „Das kann er nicht."

„Vielleicht sieht sein Geschäftsmodell so aus, dass du anfangs nur 25 Pence für eine Packung Teebeutel bezahlst, dann wird der Preis auf 40 Pence erhöht—oder etwas Armseliges in diese Richtung", sagt er. „Der Hauptgrund, warum es eine schlechte Idee ist, ist der, dass wir alle zum Leben Nahrung brauchen. Das hat nichts mit Lifestyle zu tun, wie Besuche im Fitnessstudio oder eine Billigflugbuchung. Es wirkt wie ein „race to the bottom" mit Lidl und Aldi. Ich halte es für durch und durch geschmacklos. Leute, die zu arm sind, um sich richtiges Essen zu kaufen, sind wieder ein völlig anderes Thema, mit dem man entsprechend sorgfältig umgehen muss."

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In einem Interview mit dem Independent schien der Pressedirektor der easyGroup, Richard Shackleton, Gwythers Theorie zu bestätigen. Er sagte: „Da Lidl und Aldi sich inzwischen in einem gehobeneren Marktsegment befinden, ist zwischen ihnen und den Tafeln Platz frei geworfen. Ja, es gibt hier einen starken roten Faden der Philanthropie, aber es geht uns auch darum, Geld zu verdienen."

Discounter-Supermärkte, die darum wetteifern, wer uns die billigsten Konserven verkaufen kann, werden keine Menschen aus der Armut befreien oder die schmerzhafte Mittelmäßigkeit der Spar-Ernährung erträglicher machen. Ich stand vor dem easyFoodstore und beobachtete einen Mann dabei, wie er langsam mit seinen vollen Einkaufstüten aus dem Laden gelaufen kam, den Kopf gesenkt. Er wollte keinen Augenkontakt mit uns Journalisten, die gekommen waren, um mal einen Blick auf das Ganze zu werfen. Vielleicht wollte er keine dummen Fragen gestellt bekommen wie: „Warum Sind sie hier?" Hier wurde Hunger zum Spektakel.

Pleite sein und arm sein sind zwei verschiedene Dinge. Der easyFoodstore ist von einer seltsamen Wolke des Leids umgeben, von der trostlosen Location im Nordwesten Londons bis hin zur unbehaglichen Einrichtung des Ladens mit seinen billigen, laminierten Schildern. Doch das Verstörendste an ihm ist seine Notwendigkeit. Es ist leicht, poetisch über die triste Stimmung dieses Ortes daherzureden, doch seine Existenz ist das wahre Problem und nicht die genaue Ausführung. Für viele ist der Gang zu einer Tafel mit tiefer Scham verbunden. Vielleicht kann mit solchen Tiefstpreisen einigen Menschen ein derartiger Gang erspart bleiben—auch wenn der Laden offensichtlich so wirken soll wie ein Ort, an den man sich nur begibt, weil man keine andere Wahl hat.

Ob der easyFoodstore nun tatsächlich einem wohltätigen Zweck dient, oder lediglich Stelios Haji-Ioannou ein Stück der wachsenden Profite von Discounterketten wie Aldi und Lidl einbringen soll, macht für die Kundinnen und Kunden kaum einen Unterschied. Die Marke „easy" verfolgt eine seltsame Linie, bei der sie dir Dienste für wenig Geld anbietet, diese aber so unerträglich wie möglich gestaltet. Der easyFoodstore ist eine schlimme, düstere Angelegenheit, aber traurigerweise erfüllt er auch einen Zweck.