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Kranker Scheiß aus dem Leben eines Bademeisters

Zu den Aufgaben eines Bademeisters gehören offensichtlich auch die Fäkalreinigung, der Umgang mit betrunkenen Exhibitionisten und Cruella de Vil.

Jeder erlebt hin und wieder irgendwelche Irrsinnigkeiten in seinem beruflichen Alltag. Anlässlich des bevorstehenden Sommers haben wir diesmal Bademeister gebeten, uns zu erzählen, wie es in den Schwimmbädern an manchen Tagen zugehen kann.

Eine Scheißwoche

Es ist mittlerweile acht Jahre her. Ich habe für eine Saison als Bademeister in einem Hotel in Spanien gearbeitet, um mir ein bisschen Geld dazuzuverdienen. Die meiste Zeit war es relativ unspektakulär. Es gab nur ein einziges, großes Schwimmbecken, das ich mit meinem besten Rettungsschwimmer-Blick wie ein eingesperrtes Tier den ganzen Tag auf- und abgetrottet bin. Ich war für den Abenddienst von 15:00 bis 20:00 Uhr eingeteilt und zählte schon die Minuten bis zum Badeschluss als mich eine Gruppe Jugendlicher auf eine dunkle Form am Boden des 3 Meter tiefen Beckens aufmerksam machte.

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Sie meinten, es wäre wohl ein Marillenkern oder etwas Ähnliches. Da ich gerade alleine Aufsicht hatte und kurz vor Badeschluss nicht mehr ins Wasser wollte, bat ich einen der Jungs das Teil für mich aufzutauchen. Das hat er auch getan. Er kam mit einer matschigen und stinkenden Kackwurst in den Händen wieder an die Oberfläche und meinte: „Das ist gar kein Kern."

Meine erster Reaktion war Verwunderung, weil ich dachte, dass Scheiße im Wasser schwimmt (genauso wie Kerne). Aber es kommt wahrscheinlich darauf an, was der verdauende Mensch davor so gegessen hat. Ich habe daraufhin den Jungen samt der Scheiße schnell aus dem Wasser gezogen, irgendeinen Beutel geholt, die Scheiße weggepackt und alle Leute aus dem Becken zitiert. Unser Schwimmbad-Techniker hat sofort die Reinigung übernommen, indem er irgendein sehr giftiges Zeug im Wasser verteilte, das die Restscheiße zersetzt hat. So etwas dauert mehrere Stunden und die Leute konnten an diesem Tag gar nicht mehr ins Wasser.

Als ich am nächsten Tag am Nachmittag ins Bad kam, meinte ein Kollege zu mir: „Du musst heute nicht viel machen, weil wir das Becken schon wieder sperren mussten." Ich war anfangs ein wenig verwirrt und dachte es sei ein Witz. Er erklärte mir, dass er schon wieder eine fette Scheißwurst im Wasser gefunden hatte und er gerade das ganze Becken geräumt und die Wurst rausgefischt hatte, damit die Chemikalien wieder alles abtöten konnten. Die Menschen durften also wieder nicht rein.

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In fünf von sieben Tagen ist genau das passiert und unsere Laune ist progressiv mit der Häufigkeit des Scheiße-Aufkommens gesunken. Scheiße finden, Becken räumen, Pool schließen, Scheißwasser mit Gift säubern. An 5 Tagen! Die Reaktionen waren dabei unterschiedlich. Ein paar wollten es nicht glauben, ein paar fanden es super lustig, und wieder andere waren ziemlich sauer und wollten gleich mit dem Besitzer sprechen und eine Beschwerde abgeben.

Es haben sich allmählich auch Diskussionskreise gebildet, die in vertieften Gesprächen über die Herkunft der Scheiße debattierten. War sie menschlicher oder doch tierischer Herkunft? Warum schwimmt sie nicht an der Wasseroberfläche? War es eher ein Kind oder wirklich eine erwachsene Person, die Probleme mit dem Schließmuskel hat? War es ein wiederholter Unfall oder hat sich jemand ein und denselben Scherz fünf Mal hintereinander erlaubt? Wir wissen es bis heute nicht.

Wir haben den Leuten von Anfang an die Wahrheit erzählt, wobei wir beim ersten Scheiße-Vorfall noch versucht hatten, so diskret wie möglich zu sein. Am Ende der Woche hieß es dann aber nur mehr: „Achtung liebe Gäste, wir haben schon wieder ein Stück Scheiße im Pool gefunden. Ihr wisst was zu tun ist."

„Schaut nach Drogen aus!"

Ich hatte Dienst an einem lauen Sommerabend. Die Temperatur war bereits soweit abgekühlt, dass der Großteil der Gäste zum Schwimmen langsam vom Außenbecken in die Halle gewechselt ist, die deswegen auch ziemlich überfüllt war. Es war laut und chaotisch, und dementsprechend gestresst machte ich meine Runden um das Hallenbecken. Mein Fokus lag auf den unzähligen Kindern, die quietschvergnügt zwischen den anderen Gästen herumturnten. Aus dem Augenwinkel sah ich nach einiger Zeit, dass gerade drei Burschen einen vermeintlich bewusstlosen Mann mit etwa 40 Jahren aus dem Wasser zogen.

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Ich bin sofort hingelaufen und habe geholfen, ihn auf einen Stuhl am Beckenrand zu setzen. Der Mann war zwar nicht völlig bewusstlos, aber auch nicht ansprechbar. Er war mehr ein nasser, lebloser Menschensack ohne brauchbare Muskeln. Wir mussten ihn daher gemeinsam aufrecht halten, damit er nicht vom Stuhl fällt. Immer und immer wieder brabbelte er unverständliches Zeug vor sich her—ganz in alter Pingu-Manier. Auf die Frage, was denn passiert wäre, bekam ich von den drei Jungs nur unwissendes Schulterzucken als Antwort. Wir haben auf ihn eingeredet, versucht ihn zu beruhigen, ihm ein Glas Wasser gebracht, und mit der Zeit kam wieder ein bisschen mehr Leben in seinen Gummikörper.

Ich war gerade im Gespräch mit der Rettung als ich merkte, dass der Mann schlagartig vom Sessel aufsprang, sich die Badehose auszog und völlig nackt zurück ins Becken sprang. Ich habe den Notruf unterbrochen, den Mann aus dem Wasser gezogen und ihn zurück auf den Sessel gesetzt. Dort bliebt er vielleicht fünf Sekunden mit geschlossenen Augen sitzen, um dann—immer noch völlig nackt—gegen die Glaswand, die die Schwimmhalle vom Treppenaufgang zu den Spinden trennte, zu laufen.

Zum Glück ist nichts Grobes passiert. Er ist zurückgetaumelt und hat sich selbst wieder auf den Sessel gesetzt … zumindest legten wir ihm dann auch ein Handtuch um. Ich habe immer wieder versucht, auf ihn einzureden, aber es kam beim besten Willen kein zusammenhängender Satz aus seinem Mund. Er lallte als hätte er 4 Promille. Nach einiger Zeit kamen zwei Sanitäter in die Schwimmhalle, die den verwirrten, nackten Menschen ins Krankenhaus brachten. Was weiter mit ihm passiert ist, habe ich leider nie erfahren.

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Den restlichen Schwimmbadbesuchern war das Geschehen relativ egal. Bis auf eine alte Dame, die das Ganze offensichtlich beobachtet hatte. Um nachvollziehen zu können, wie absurd der folgende Wortwechsel war, muss man verstehen, wie sie aussah. Die Dame sah aus wie eine Karikatur. Eine dreimal so alte Cruella de Vil, unglaublich alt, unglaublich dünn. Hautfetzen hingen wie aufgeweichte Stalaktiten von ihrem Körper, sie war verschrumpelt und mit glasblauen Adern übersät. Dazu hatte sie noch eine gigantisch große Afro-Badehaube auf, die sie gemeinsam mit ihrem furchigen Körper wie eine Qualle aussehen ließ.

„Schaut nach Drogen aus!", rief sie zu mir herüber.

„Ich glaube nicht, dass jemand am helllichten Tag im Schwimmbad und noch dazu ohne Begleitung Drogen nimmt, gnädige Frau."

„Na haben Sie eine Ahnung, wie viele Leute in unserer Stadt Drogen nehmen!", sagte sie, drehte sich um und schwamm davon—ohne ein weiteren Kommentar und ohne eine Antwort abzuwarten.

Ich ging wieder zur normalen Tagesordnung über.

Andere Berufsgruppen erleben übrigens auch ziemlich kranke Sachen.

Wenn auch du kranke Geschichten aus deinem Berufsleben mit uns teilen möchtest, schreib uns eine E-Mail oder erzähl es Philipp auf Twitter: @Phimiki


Alle Illustrationen von Florian Appelt.