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Warum das „Asyl auf Zeit“ der ÖVP ein Schritt in die falsche Richtung ist

Fliehende Menschen brauchen die Aussicht darauf, bleiben zu können. Das ist für dauerhafte Integration genauso wichtig wie Deutschkurse.

Bös schauen. Dann kommt keiner mehr. Keiner! — Rudi Fußi (@rudifussi)September 21, 2015

Die ÖVP hat mit dem Konzept „Asyl auf Zeit" wieder mal ihre Lösung zur aktuellen Krise präsentiert (und damit unfreiwillig auch für das vorläufige Meme des Jahres gesorgt). Konkret hat die Innenministerin Johanna Mikl-Leitner vorgeschlagen, dass Bescheide, welche die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus bescheinigen, nach 3 Jahren nochmals überprüft werden sollen.

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Falls die Gründe der Zuerkennung zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorliegen—die Statusrichtlinie präzisiert hier, dass diese Veränderung erheblich sein muss, und nicht lediglich eine vorübergehende Verbesserung der Umstände—, soll der Flüchtlingsstatus wieder aberkannt und die betreffende Person folglich abgeschoben werden.

Das Konzept ist zwar weder neu, noch würde es kurzfristig dabei helfen, die aktuell verhältnismäßig hohen Asylantragszahlen zu bewältigen. Dennoch hat sich neben der ÖVP nun auch schon die SPÖ zu Gesprächen darüber bereit erklärt, was eine Umsetzung immer wahrscheinlicher wirken lässt.

Schon jetzt bietet die Genfer Flüchtlingskonvention, welche heute noch die Basis des österreichischen Asylgesetzes bildet, die Möglichkeit, Asyl innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung des Flüchtlingsstatus wieder abzuerkennen „wenn [die Person] nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer sie als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt." (Art. 1, Lit. C der Genfer Flüchtlingskonvention)

Diese Möglichkeit wird in Österreich nicht wahrgenommen und kann demnach als totes Recht betrachtet werden. Trotzdem wäre diese Regelung theoretisch anwendbar. Genau das fordert unter anderem auch die FPÖ, welche sämtliche Asylbescheide schon nach einem Jahr nochmals überprüfen lassen möchte.

Die Tatsache, dass diese Möglichkeit in Österreich bisher nicht genutzt wurde, sagt in meinen Augen schon einiges über ihre Sinnhaftigkeit aus. Die größte Gruppe an Flüchtlingen, die in Österreich im Jahr 2015 und in den Jahren davor um Asyl angesucht hat, kommt aus den Ländern Syrien, Afghanistan, Irak, Pakistan und Somalia. Die Kriege in diesen Ländern laufen seit vielen Jahren und in keinem der Länder sieht es aktuell danach aus, dass sich die Sicherheitslage in absehbarer Zeit fundamental verändern würde.

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Eine neuerliche Überprüfung jeder Einzelfallentscheidung wäre klarerweise ein enormer Verwaltungsaufwand für die Behörden. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, das für die Prüfung von Asylanträgen zuständig ist, wurde erst im Rahmen der Verwaltungsreform 2014 neu geschaffen und ist jetzt schon am Limit seiner Möglichkeiten.

Die erneute Überprüfung jedes Bescheids, inklusive allfälliger Rechtsmittel im Falle einer Aberkennung, die (wie ich oben schon ausgeführt habe) wohl ziemlich unwahrscheinlich wäre, würde auch bei der Aufstockung des Personals die Dauer von Asylverfahren weiter verlängern.

Die meisten Flüchtlinge, die Österreich erreichen, haben eine lange und beschwerliche Reise hinter sich und beinahe ihr gesamtes Hab und Gut verloren oder zurückgelassen. Schätzungen zufolge leidet jeder zweite Flüchtling der Europa erreicht an einer posttraumatischen Belastungsstörung.

Um Flüchtlingen Integration zu ermöglichen, muss man ihnen neben Deutschkursen auch die langfristige Planungshoheit über ihr Leben geben.

Die deutsche Bundespsychotherapeutenkammer führt aus, dass diese Menschen krank sind und dringend Hilfe benötigen. Um Menschen auf der Flucht wieder den Eintritt in ein Alltagsleben zu ermöglichen, brauchen sie vor allem eins: Sicherheit. Sicherheit bedeutet allerdings nicht nur Sicherheit vor Bomben und Gewalt, sondern auch eine gewisse Planungssicherheit.

Die sozialen Folgen einer allfälligen Befristung sind schwer absehbar. Schon jetzt ist es so, dass subsidiär Schutzberechtigte, denen zwar der Asylstatus nicht zuerkannt wurde, die aber dennoch Schutz vor Folter oder unmenschlicher Behandlung benötigen, oft Probleme haben, Wohnungen oder Arbeit zu finden, da ihr Status oft nur noch wenige Monate gesichert ist.

Um Flüchtlingen die Integration in die „österreichische Gesellschaft" zu ermöglichen, muss ihnen also neben Deutschkursen und Bildung, die die ÖVP oft als Wundermittel der Integration betrachtet, auch die langfristige Planungshoheit über ihr Leben gegeben werden.

Die Schwächung des Grundrechts auf Asyl durch eine zeitliche Beschränkung ist deshalb ein Schritt in die falsche Richtung. Stattdessen müsste im Gegenteil auch der Status für subsidiär Schutzberechtigte ebenso dauerhaft zuerkannt werden. Nur so bekommen Flüchtlinge, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden, die Chance, wieder ein halbwegs „normales" Leben zu führen.