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Neill Blomkamp verrät uns exklusiv, was es mit seinem neuen Film auf sich hat

Überraschend hat der District-9-Regisseur heute Nacht den ersten Kurzfilm seines neuen Studios veröffentlicht. Uns hat er erzählt, was die Alien-Schlacht mit Sigourney Weaver, mit dem IS und Nazi-Deutschland zu tun hat.
Hauptdarstellerin in RAKKA ist Sigourney Weaver, bekannt aus der Alien-Saga. Sie spielt Jasper, eine Rebellenführerin.

Es sind verdammt düstere Bilder. Hässliche Echsenwesen stapfen zwischen zusammengetrieben Menschen umher. Städte und Wälder versinken unter einer schwarzen Masse aus Nanorobotern, die sich zu bizarren Kristallstrukturen verfestigten. Pechschwarze Türme ragen bis durch die Wolkendecke. Im jetzt überraschend veröffentlichten Kurzfilm RAKKA des bekannten Sci-Fi-Regisseurs Neill Blomkamp wird die Welt des Jahres 2020 nicht mehr von den Menschen regiert – stattdessen herrscht die Alienrasse der Klum. "Sie sind primitiv, pragmatisch, grausam", erklärt Blomkamp im Interview mit Motherboard. "Aber sie sind uns auch technologisch überlegen."

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Der 20-Minüter des Machers von District 9, Elysium und Chappie erzählt vom verzweifelten Widerstand gegen die Besatzer – und versteckt im Sci-Fi-Gewand zahlreiche Referenzen auf bekannte Konflikte. Blomkamp zeigt im Film, wie Terror und Unterdrückung eine Gesellschaft verändern: Die Kreaturen befeuern die Erderwärmung, entführen Menschen, experimentieren mit ihnen oder nutzen sie als Nährkammern für ihre Brut. Sie können ins Hirn ihrer Opfer eindringen und sie manipulieren. Rebellen, wie die von Sigourney Weaver gespielte Jasper, versuchen mit Guerillataktiken ihre Heimat von ihnen zu befreien. Dafür sind sie sogar bereit, zu sterben.

Was die Sci-Fi-Welt von RAKKA mit dem IS, Nazi-Deutschland und den USA zu tun hat

So grob und abstrakt die Bilder auch sind. Wie auch in District 9 sind sie Metaphern. "In RAKKA seht ihr, was auf unserer Welt passiert. Nur verlagert in eine Science-Fiction-Kulisse", sagt Blomkamp. "Die ursprüngliche Idee war es, zu zeigen, wie eine lokale Gemeinschaft auf eine Besatzungsmacht reagiert." Viele Momente erinnern daher an Szenen, die wir aus TV-Nachrichten kennen. Kämpfe zwischen Syrern und dem sogenannten Islamischen Staat. Wie die Islamisten zerstören auch die Klum Denkmäler und Symbole von Kunst- und Kultur. Auch Momente aus Dokus rund um den Zweiten Weltkrieg, den Vietnam- und Irakkrieg spiegeln sich in den Bildern von RAKKA.

"Das könnten die Deutschen in Frankreich sein, die Amerikaner im Irak", vergleicht Blomkamp. "Menschen sind in ihren Häusern, Panzer rollen die Straße hinunter. Lokale Politiker werden zu Marionetten einer Übermacht." Es geht um Menschen, die tun, was sie können, um ihr Leben und ihr Land zurückzuholen. "Vielleicht ist's sinnlos zu kämpfen: Das ist der Punkt des Films", sagt der Südafrikaner. "Ich will, dass wir darüber nachdenken, was unser Freiheitsdrang wert ist, was unser Selbsterhaltungstrieb mit uns anstellt - und wozu beides uns treiben kann."

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In RAKKA sinniert Neill Blomkamp über den Sinn und Unsinn des Widerstands gegen eine Übermacht. Alle Bilder: OATS.

Rund ein Jahr an Arbeit investierte Neill Blomkamp in den Kurzfilm RAKKA.

Allerdings will Blomkamp seinen eigenen Film nicht überanalysieren. Am Liebsten sei es ihm, wenn "die Leute versuchen, ihre eigene Interpretation" zu finden. Man könne in der Gedankenkontrolle der Aliens sowohl eine Allegorie auf religiösen Fanatismus sehen, aber das auch alles als nur als prätentiöse Unfug abtun: "Das ist beides vollkommen okay", sagt er.

Die Premiere einer ganz neuen Produktionsweise

Neill Blomkamp. Bild: Privat

RAKKA ist der erste einer ganzen Serie von Kurzfilmen, die Blomkamp bei seinem Ende Mai enthüllten Studio OATS produziert. Die Filme sollen zunächst kostenlos, später für kleines Geld zu haben sein. Eigentlich hätte RAKKA erst am 21. Juni kommen sollen. Doch als Dank für die Unterstützung der Fans auf Twitter und Instagram, wurde er jetzt überraschend früher veröffentlicht. 2015 hat Blomkamp mit dem Aufbau von OATS begonnen. Das Studio ist ein Herzensprojekt von Blomkamp – ein Experiment, das ausloten soll, wie Filme abseits von millionenschweren Hollywood-Produktionen entstehen können. Er wolle, so sagt er, "sehen, was ich mit meinen begrenzten Mitteln erreichen kann und was ich unabhängig [von den großen Studios] hinkriege."

"Jedenfalls irgendwie", sagt Blomkamp, wären RAKKA und OATS nämlich aus seiner Erfahrung mit Hollywood geboren. Dort sei es kaum möglich, narrativ oder visuell zu experimentieren. Mit OATS will er jetzt verrückt spielen und "schrägen Scheiss" probieren. Nebst längeren Kurzfilmen sind auch kurze Clips in Planung, deren Inhalt durchaus Bezüge zur Realität hat: In einer Reihe von Clips wird es etwa um einen bekloppten US-Präsidenten gehen, der in einer goldenen Limousine herumfährt und die Airforce 1 zum Schlachtschiff umbaut. "Eine Idee, die wir hatten, bevor Trump kam", will Blomkamp angemerkt wissen.

Wenn die Crowd mitproduziert und mitbestimmt

Die Klum, eine Rasse von Echsenaliens, hat die Erde übernommen und die Menschheit versklavt.

Ebenso sollen die Zuschauer in Zukunft mitmachen und mitbestimmen. Sie werden Drehbücher, Konzeptzeichnungen oder auch Musik einschicken können. Auch in einem neuen Projekt über das Blomkamp derzeit sinniert, in dem es um eine absurde Sendung mit Plüschpuppen geht, will er einen solchen kollaborativen Ansatz verfolgen. "Wir könnten die Show über das Netz vertonen", schlägt er vor. "Mit Stimmen von Zuschauern." Das Rohfilmmaterial, 3D-Modelle, Effekte und Sounds aus allen Projekten wird es für jeden verfügbar über den Videospielservice Steam zum Download geben. Einiges kostenfrei. Anderes zu einem "vernünftigen Preis", wie jetzt schon bei RAKKA. "Das machen wir auf jeden Fall", schiebt Blomkamp noch hinterher. "Wir wollen sehen, was die Leute damit anstellen."

OATS soll ein digitales Ökosystem werden, das der Art, wie Filme entstehen und sich als Medienform entwickeln, ein Update verpasst. Gefällt ein Kurzfilm den Zuschauern, könne daraus ein echter Kinofilm werden. Aber Blomkamp schränkt ein: "Wenn es das Geld her gibt." Denn erst müsse sich das alles als wirtschaftlich tragbar erweisen. "Aber auch ein Episodenformat könnte funktionieren", sagt Blomkamp mit Blick auf RAKKA. "Wenn ich 22 Minuten über die Anatomie der Aliens machen wollte, das würde gehen." Damit ist RAKKA nicht nur ein Film über Krieg, Herrschaft und menschliche Rebellion, sondern auch ein Aufstand gegen die Standards der herrschenden Filmindustrie.