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Auch im Westen brennen Flüchtlingsheime

Im niederrheinischen Xanten kommt es zu einem Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft. Auch im tiefsten Westen gibt es also gewaltbereite Rechte.

In der Nacht zum Sonntag, den 4. Oktober brennt es in einem geplanten Flüchtlingsheim in Xanten. Nachbarn bemerken das Feuer, der Feuermelder hatte Alarm geschlagen. Der oder die Täter brachen in die ehemaligen Förderschule ein und warfen ein oder zwei Molotwococktails hinein. Mehr wird von der zuständigen Staatsanwaltschaft Kleve noch nicht preisgegeben—Täterwissen. Auch der Staatsschutz Duisburg ist an den Ermittlungen beteiligt, ein fremdenfeindliches beziehungsweise rechtsextremes Motiv könne nicht ausgeschlossen werden, so Oberstaatsanwalt Günter Neifer. Woher die Rechtsextremen allerdings kommen sollen, ist unklar. „Eine organisierte rechte Szene gibt es meines Wissens in Xanten nicht", sagt Dr. Wolfgang Schneider, Sprecher des Arbeitskreises Asyl. Der Arbeitskreis ist Teil der „Eine-Welt Gruppe Xanten", die sich in Xanten seit Jahrzehnten unter anderem für fairen Handel einsetzt. Am Anfang ein kleiner Arbeitskreis stieg das Interesse an der Mitarbeit mit dem kontinuierlichen Anstieg der Xanten zugewiesenen Flüchtlinge seit 2014 stark an. Der Arbeitskreis wirbt unter anderem für Sprachpatenschaften. „Sprachpaten haben den Wunsch, dass die Flüchtlinge hier die deutsche Sprache erlernen, damit sie mit dem Alltagsgeschehen besser zurechtkommen", erklärt Dr. Schneider. „Auch gibt es Helfer, die gespendete Fahrräder reparieren und gegen einen symbolischen Geldbetrag von 10 Euro an die Flüchtlinge weitergeben. Immer wieder wenden sich auch Oberstufenschüler an den Arbeitskreis Asyl, weil sie sich mit Flüchtlingskindern unterhalten und spielen wollen."

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Der Brandanschlag bewegt das 21.000 Einwohner zählende Xanten. Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg die Bevölkerung Xantens zeitweise um fast 40% durch Flüchtlinge aus den Ostgebieten an. Bürgermeister Thomas Görtz zeigt sich wegen des Anschlages geschockt: „Gottlob wurde bis auf geringere Gebäudeschäden niemand verletzt, dennoch bestürzt uns und auch mich persönlich diese Tat und wir sollten das sehr ernst nehmen", heißt es in einer Pressemittlung. Der geplante Umbau wird fortgesetzt. Man lasse sich, so Görtz weiter, nicht von dem Vorhaben abbringen, die Förderschule zu einer Flüchtlingsunterkunft umzuwandeln.

Nach dem Anschlag ist vor allem die Sicherheit für die rund 250 Flüchtlinge wichtig. 60 der Flüchtlinge, meist Familien mit Kindern, sind dezentral in Wohnungen untergebracht. Die restlichen Flüchtlinge leben in Sammelunterkünften. Diese werden nun besser geschützt werden: Ein Sicherheitsunternehmen aus der Region soll durch Streifendienstfahrten und durch Überwachung der Flüchtlingsunterkünfte in den Abend- und Nachtstunden die Sicherheit erhöhen.

Organisierte Rechtsextreme gibt es in Xanten nicht, sagt Simon Thölke, Mitglied der Grünen Jugend Kreis Wesel: „In Xanten gibt es zwar vereinzelt kritische Stimmen zur Aufnahme von Flüchtlingen, allerdings gibt es keine rechten Gruppierungen, die offen gegen Flüchtlinge Stimmung machen. Vielmehr handelt es sich bei den kritischen Stimmen meistens um bedenkliche Äußerungen in Leserbriefen. In solche Leserbriefen werden oft scheinbar rationale Argumente aufgeführt, deren Hintergrund jedoch bedenklich nah an fremdenfeindlichem und rassistischem Gedankengut sind", sagt Thölke. Er geht davon aus, dass es sich um keine organisierte Gruppe Rechtsradikaler handelt, sondern nur um einen Einzeltäter.

Eine Person, die im Kreis Wesel wohnt und anonym bleiben will, kann sich vorstellen, dass es organisierte rechte Gruppen waren: „Ich tippe auf die NPD Duisburg oder Hooligans aus Duisburg, es könnten aber auch die autonomen Nationalisten aus Moers oder die Identitäre Bewegung Kreis Wesel gewesen sein." Für Simon Thölke kommen zwar auch solche Gruppen in Betracht, „allerdings stellt sich dann die Frage, warum sie ausgerechnet in dieser verhältnismäßig kleinen Notunterkunft in Xanten aktiv geworden sind, wo es doch in Wesel und insbesondere in Moers, aber auch in Kamp-Lintfort, Rheinberg, Duisburg und Dinslaken wesentlich größere und bedeutendere Planungen und Unterkünfte gibt." Ein abschließendes Urteil will er sich trotzdem noch nicht erlauben. Er will erst einmal die Ermittlungen abwarten.

Am Sonntag folgt eine Demo. „Der Niederrhein bleibt bunt" ist das Motto. Zu der Demo aufgerufen hatten unter anderem die deutsche Pfadfinderschaft St. Georg, das Bistum Münster, die Jugendkultur-Werkstatt Exit sowie die lokale Flüchtlingshilfe. Rund 400 Leute kommen, der Großteil über 35 Jahre alt. Einige haben auch ihre Kinder dabei. „Willkommenskultur am Niederrhein hört nicht mit bunten Farben und ,Refugees welcome'-T-shirts auf, sie fängt höchstens damit an", stellt ein Redner zu anfangs klar. Danach schlängeln sich die Demonstranten durch die Altstadt und durch Wohngebiete. Bei der Abschlusskundgebung vor der baldigen Flüchtlingsunterkunft, auf die der Brandanschlag verübt wurde, befestigen viele mitgebrachte bunte Stofffetzen an dem Zaun davor. Eine „Kein Mensch ist illegal"-Flagge wird am Fahnenmast der ehemaligen Förderschule gehisst und eine Menschenkette um die ehemalige Förderschule gebildet. „Die Demo ist ein gutes Zeichen für die offene und willkommene Mentalität am Niederrhein", so Sidney Lewandowski, Sprecher der Linken Kreis Wesel. Erfreulich sei für ihn auch, dass so viele junge Menschen und Familien an der Demonstration beteiligt hätten. „Der Niederrhein ist und bleibt bunt", da ist sich Lewandowski sicher.