FYI.

This story is over 5 years old.

Popkultur

Der Gründer der Goldenen Himbeere erklärt, was die Oscars falsch machen

„Etwas so Pompöses und Übertriebenes wie die Oscars fleht doch geradezu darum, durch den Kakao gezogen zu werden!"

Die Academy Awards, den meisten Menschen als Oscars bekannt, sollen die besten Filme feiern, die jedes Jahr über die Leinwände geflimmert sind. Doch dieses Jahr wurde die Zeremonie aus allen Richtungen kritisiert, und es zeichnet sich langsam ab, dass immer weniger Menschen gewillt sind, sich von der Academy of Motion Picture Arts and Sciences vorschreiben zu lassen, was künstlerischen Wert hat und was nicht.

Anzeige

John Wilson misstraut dem Geschmack Hollywoods und der Oscars allerdings bereits seit fast vier Jahrzehnten, was ihn auch dazu bewegt hat, 1981 die Golden Raspberry Awards, zu Deutsch die Goldene Himbeere, zu gründen. Diese Preisverleihung, dich auch liebevoll als die „Razzies" bezeichnet wird, feiert seit 36 Jahren den absoluten Bodensatz der US-Filmindustrie. Zu den Siegern in der Kategorie „Schlechtester Film" gehören üble Streifen, die inzwischen Kultstatus erlangt haben, wie Meine liebe Rabenmutter und Showgirls, aber auch größere Hollywood-Werke wie Transformers — Die Rache und der letzte Teil der Twilight-Saga. Dieses Jahr hat Fifty Shades of Grey abgeräumt: Die Razzies in den Kategorien „schlechtester Hauptdarsteller", „schlechteste Hauptdarstellerin", „schlechtestes Filmpaar" sowie „schlechtester Film" gingen an die Romanverfilmung, wobei sie sich Letzteren mit Fantastic Four teilen musste, da es zum ersten Mal seit 25 Jahren ein Unentschieden gab.

Die Razzies stehen vielleicht am Spielfeldrand und machen sich lustig, doch sie sind definitiv alles andere als eine Randerscheinung. Seit ihrer Gründung sind die Anti-Oscars zu einem wichtigen Bestandteil eines kulturellen Lexikons geworden und haben uns ein neues Vokabular geschenkt, mit dem wir über schlechte Filme sprechen können. Am Vorabend der Goldenen Himbeere 2016 haben wir uns mit Wilson über die Oscars, die größten Himbeere-Highlights und Adam Sandlers unangefochtene Stellung als König der Razzies unterhalten.

Anzeige

VICE: Wie kam dir die Idee für die Goldene Himbeere?
John Wilson: Es war August 1980 und ich hatte 99 Cent für ein Double Feature bezahlt: Supersound und flotte Sprüche mit den Village People und Xanadu mit Olivia Newton John. Ich wollte meine 99 Cent zurück, aber der Geschäftsführer hat Nein gesagt!

Was ist die größte Veränderung, die du im Laufe der Jahre seit der Gründung der Goldenen Himbeere bemerkt hat—entweder im Bezug auf die nominierten Filme oder nur die Absicht hinter der Preisverleihung?
Also, der Grundgedanke hat sich im Laufe der Jahre nicht viel geändert, aber inzwischen stimmen fast tausend Menschen über die Nominierungen ab. Wir haben heute Leute aus 48 US-Staaten und ich glaube aus 22 anderen Ländern.

Wie definierst du den Daseinszweck der Razzies? Geht es dir darum, Hollywood zu parodieren, oder sollen die Preise irgendwie verdeutlichen, was einen schlechten Film ausmacht?
Allgemein ist die Absicht schon Humor. Wir würden gerne an den Punkt gelangen, an dem es keine Filme mehr gibt, die wir nominieren könnten, aber es sind inzwischen 36 Jahre vergangen und das ist nicht passiert. Es geht uns aber auch darum, wie lächerlich Hollywood um diese Zeit des Jahres ist.

Du meinst die Oscar-Saison?
Zwischen Weihnachten und Ostern gibt es 357 Preisverleihungen! Und sie nehmen sie alle so ernst—vor allem die Academy. Etwas, das so pompös und übertrieben ist, fleht doch geradezu darum, durch den Kakao gezogen zu werden! Es ist, als hättest du einen großen roten Ballon vor dir und eine scharfe Nadel in der Hand—sollst du ihn etwa nicht platzen lassen?

Anzeige

Was hältst du abgesehen von dem ganzen Trara um die Preisverleihung von den Nominierungen der Academy?
Die Academy hat überhaupt kein Interesse an Filmen, die den Leuten tatsächlich gefallen. Es ist richtig irre. Sie haben zehn Plätze, oder wie viele auch immer, für den Besten Film, also warum können sie nicht Star Wars: Das Erwachen der Macht nominieren? Er hat eine Zillion Dollar eingefahren, er ist jetzt schon der größte Kassenhit aller Zeiten, die Fans lieben ihn, die Kritiker lieben ihn—das ist einfach ein großartiger Hollywood-Film!

Meinst du, die Oscars sollten sich auch ein bisschen an den Einnahmen eines Films orientieren? Bei euch spielt das Geld ja bei den Nominierungen auch eine Rolle. Alle fünf Filme, die bei euch dieses Jahr für den schlechtesten Film nominiert waren, waren große Produktionen.
Sie haben einfach keine Ausrede dafür, dass sie zu den schlechtesten Filmen des Jahres gehören! Ihnen steht so viel zur Verfügung. Bei manchen Filmen ist es ein Ergebnis schlechten Marketings, es sind also nicht nur die Einnahmen an der Kinokasse, die zählen. Aber darauf achten wir allein schon deshalb, weil Hollywood selbst daran Erfolge misst.

MOTHERBOARD: Als Star Wars-Hommage wird in jedem Avengers-Film ein Arm abgehackt

Gab es im letzten Jahr Filme, die dich überrascht haben?
Ich fand Creed hervorragend. Als ich reinging, war ich überzeugt, dass er es auf unsere Liste schaffen würde—das ist jetzt der achte [Rocky-Film] oder so, und Sylvester Stallone ist wieder dabei. Ich dachte, es besteht keine Chance, dass dieser Film nicht schrecklich ist, aber er war wirklich hervorragend. Es war deutlich, dass er von Leuten gedreht wurde, die den Film wirklich geliebt haben und denen das Original wichtig war. Stallone hat diesen Film persönlich [Regisseur Ryan Coogler] übergeben, und sie haben eine klasse Leistung aus Stallone herausgeholt! Und dann wurde Stallone sogar zum Oscar-Liebling. Das habe ich auf keinen Fall kommen sehen, aber er war großartig.

Anzeige

Wie siehst du die Zukunft der Oscars? Dieses Jahr hat es so unwahrscheinlich viel Kritik gegeben.
Ich halte die Kritik für gerechtfertigt, aber ich finde auch, dass die Academy damit sehr gut umgegangen ist. Die nächsten zwei Jahre werden interessant, weil die Academy selbst sich gerade im Umbruch befindet. Es werden neue Mitglieder aufgenommen, um für mehr Diversität zu sorgen, was wirklich toll ist. Die nächsten Jahre werden also zukunftsweisend sein, denke ich.

Erzähl uns von einem deiner Lieblingsmomente bei den Razzies.
Als Halle Berry aufgetaucht ist, um ihren Preis als schlechteste Hauptdarstellerin für Catwoman abzuholen. Wir haben an jenem Morgen einen Anruf erhalten, laut dem Halle kommen und den Preis persönlich entgegennehmen wolle, also mussten wir sofort planen, wo wir sie empfangen konnten, welchen Eingang wir absperren sollten, wie wir uns mit ihrem Sicherheitsteam koordinieren, und so weiter. Es war abgefahren. Ich habe es meiner Frau erzählt und sie hat mir nicht geglaubt. Als Halle auf die Bühne kam, dachten die meisten wahrscheinlich zuerst, sie sei eine Doppelgängerin.

Warst du überrascht, wie gut sie damit umgegangen ist? Es muss doch ein wenig riskant sein, das Ego eines Filmstars zu kränken.
Wenn du einen Razzie gewinnst, dann ist das ja nicht so, als würden wir sagen: „Hör auf, Filme zu drehen." Wir sagen eher: „Hör auf, solche Filme zu drehen. Wir wissen, dass du das besser kannst." Wir haben auch nicht gerade viele Wiederholungstäter. Außer Adam Sandler. Ich glaube, vielleicht ist er der Schauspieler, den wir am häufigsten nominiert haben.

Gibt es einen besonders berühmten Sieger oder Verlierer?
Der einzige Film, der mit riesigem Abstand gewonnen hat, war Battlefield Earth. Der hatte sowas wie 93 Prozent der Stimmen in der Kategorie „Schlechtester Film". In dem Fall habe ich dann auch für Little Nicky mit Adam Sandler gestimmt, denn den konnte ich einfach überhaupt nicht ausstehen. Und dabei ist das noch nicht mal sein schlechtester Film, glaube ich.

Du hasst Sandler wirklich, oder? Du kommst immer auf ihn zurück.
Ich hasse ihn nicht. Ich wünschte nur, er würde endlich erwachsen werden. Er ist ein 45-jähriger Teenager.