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Restaurantbesitzer

Türpolitik: Der Berliner Sterneladen „Nobelhart & Schmutzig“ hat Ärger mit der AfD

Der Wirt möchte keine AfD-Anhänger in seinem Restaurant. Deren Anhänger fühlen sich an die Judenverfolgung erinnert. Im Interview wehrt sich Billy Wagner gegen die Vorwürfe.

Als Jan Fleischhauer vom Spiegel beim Nobelhart & Schmutzig essen ging, hatte er das Gefühl, er müsse danach schreiben, „er wüsste jetzt, wie die AfD isst". Er spottet, dass das Restaurant auf Pfeffer verzichtet, weil Berlin nicht der Ort ist, wo der Pfeffer wächst. Fleischhauer wollte das nicht als kreative Selbstbeschränkung verstehen, sondern lieber eine Polemik schreiben. Fein. Polemisch sein kann auch Billy Wagner. Wie es der Zufall so will, bekam der Besitzer des Berliner Sterneladens gerade in diesen Tagen einen neuen Aufkleber:

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Und auch da gilt die alte Internet-Regel, dass im Verlauf einer jeden Internet-Diskussion früher oder später ein NS-Vergleich fällt. Bei der AfD traditionell eher früher. Eine Auswahl:

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Das alles folgt den typischen Empörungsreflexen der AfD und der restlichen Internetöffentlichkeit. Im Interview wehrt sich Billy Wagner gegen die Anwürfe.

MUNCHIES: Billy, schon mal so viel Ärger gehabt? Was gab es für Reaktionen?
Billy Wagner: Wir haben in den letzten Tagen viel Aufmerksamkeit bekommen. Dass das so ist, zeigt, wie wichtig dieser Aufkleber bzw. die Debatte darum ist. Von sehr unangenehmen Mails und komischen Anrufen bis zu „Super Haltung", „Bitte weiter so"—es ist alles dabei.

Kannst du den Unmut verstehen?
Ich habe den Aufkleber einfach rangemacht, bzw. dann auch bei Facebook rausgehauen. Dass da so eine Debatte ausgelöst wird, war mir im Vorfeld nicht bewusst und hatte ich auch nicht erwartet. Ich hätte mehr dazu sagen müssen, um den Aufkleber besser verständlich zu machen. Ich wollte kein großes politisches Zeichen setzen, sondern vielmehr Menschen mit einem anderen Wertekanon nicht an meinem Küchentisch willkommen heißen und ihnen sagen, dass ihre Ansichten falsch sind. Sicher muss man in Deutschland auch solche Meinungen aushalten. Demokratie muss das aushalten. Aber nicht an meinem privaten Küchentisch, dort habe ich das Recht, auch Nein zu sagen. Deswegen bin ich selbstständig und kann mir meine Gäste aussuchen. Wenn jemand eine andere Hautfarbe, sexuelle Orientierung oder Religion hat, ist er willkommen bei uns zu essen. Wer aber keine Toleranz hat, wer Menschenfeindliches sagt, der hat an meinem Küchentisch keinen Platz. Und die AfD, ganz anders zu anderen Parteien, tut das. Die Kommentare zeigen das. Wir bieten einen Raum, in dem man kommunizieren kann. In dem man Menschen aus den unterschiedlichsten Leben trifft. Alle, die zu uns kommen, werden tolerant behandelt, wenn sie selber tolerant sind.

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Wie kam es dazu, dass ihr im Nobelhart & Schmutzig den Aufkleber angebracht habt? Was ist dein Problem mit der AfD?
Ich habe mir schon einige Zeit Sorgen um diese unangenehme Situation mit der AfD gemacht, erst recht nach den Berliner Wahlen. Durch meinen Zivildienst bei Aktion Sühnezeichen Friedensdienst, auch durch meine christliche Erziehung im Internat habe ich Werte mitbekommen, die mich fest daran glauben lassen, dass jeder etwas tun muss. Dass es nicht gut ist, wegzuschauen. Ich tue das auf diesem Weg, andere auf einem anderen. Die AfD spielt mit den niedrigsten Instinkten der Menschen. Sie drückt Knöpfe, die selbst am Stammtisch in der Wirtschaft lieber nicht gedrückt werden sollen. Wer jetzt solche Sachen sagt, da möchte ich später nicht wissen, wie er diese durchsetzen möchte. Mir macht das Sorgen, dass ich nicht mehr so leben kann, wie ich gerne will.

Die Leute im Netz beklagen, dass es früher die Juden gewesen wären, die man aus den Lokalen verbannt hätte, heute wären es Anhänger der AfD. Was sagst du zu dem Vergleich?
Die generelle Toleranz ist immer schwierig, jemanden aber wegen seiner anderen Religion, seiner anderen Hautfarbe oder anderen Sexualität nicht zu tolerieren, ist einfach falsch. Wenn jemand andere politische Ansichten hat, ist das grundsätzlich auch in Ordnung und muss in Deutschland auch toleriert werden, allerdings geht es nach meiner festen Überzeugung nicht, wenn einer eine menschenfeindliche Ideologie besitzt. Diese ist nicht zu tolerieren. Und an meinen Küchentisch sowieso nicht. Deswegen hinkt der Vergleich gewaltig!

Denkt ihr daran, das Verbot auch wirklich durchzusetzen?
Nein. Wir werden keine Gäste nach ihrer politischen Einstellung fragen. Das gebührt der Respekt. Wir gehen da auch ohne Wertung ran. Allerdings hoffe ich, Menschen damit abzuschrecken, die nicht die gleichen oder ähnliche Werte haben wie ich. Das aktive AfD-Mitglied bzw. der AfD-Funktionär will auf jeden Fall die Welt anders gestalten, anders als das, was ich mit und durch das Nobelhart & Schmutzig erreichen will.

In einem Artikel des Spiegel hat Jan Fleischhauer nach einem Besuch gesagt, er „wüsste jetzt, wie die AfD isst". Was kann er gemeint haben?
Jan Fleischhauer setzt regionales Essen—also auch die Menschen hinter den Produkten zu kennen—gleich mit dem Wertekanon der AfD. Wenn man auf so etwas kommt, hat jemand ein viel tieferes Problem, weil er wohl das Parteiprogramm der AfD nicht gelesen bzw. verstanden hat. Hier verarbeitet jemand immer noch seine Kindheit. Wenn man sein Buch liest, weiß man was ich meine.

Bleibt der Aufkleber hängen?
Selbstverständlich!