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rechte geschmacklosigkeiten

Ein AfD-Abgeordneter soll Wahlwerbung an Kita-Kinder verteilt haben

Laut NDR bekamen die Kids die AfD-Süßigkeiten als Belohnung.
Collage bestehend aus: Lollipop (Foto: imago | Günther Ortmann); AfD-Logo (Foto: Wikimedia Commons

Jahrzehntelang erklärten Eltern ihren Kindern, sie dürften keine Süßigkeiten von Fremden annehmen. Die Eltern einiger Kita-Kinder in Mecklenburg-Vorpommern sollten ihr Erziehungs-Mantra künftig vielleicht etwas anpassen: Der 70-Jährige, der ihre Kids mit Naschzeug erfreute, war zwar kein völlig Fremder – dafür aber ein AfD-Landtagsabgeordneter, der auf besonders fragwürdige Weise Wahlwerbung gemacht haben soll.

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Man kann durchaus darüber streiten, ob ein AfD-Politiker die beste Besetzung für den Posten als Vorsitzender eines Kita-Trägervereins ist. Jürgen Strohschein hatte diesen Posten inne. Vor über 20 Jahren gründete er mit anderen Leuten einen Verein, um eine damals vor dem Aus stehende Kita zu retten. Nun soll der Landtagsabgeordnete versucht haben, den Kleinkindern der Kita nahe Pasewalk die Politik seiner Partei schmackhaft zu machen. Laut NDR-Recherchen hat Strohschein Wahlwerbung bei den Kleinen gemacht – indem er AfD-Süßigkeiten an sie verteilen ließ.

Wie der NDR berichtet, haben die Kinder die Süßigkeiten unter anderem als Belohnung für gewonnene Wettbewerbe bekommen. Ein SPD-Landespolitiker nannte die Wahlwerbung "moralisch bedenklich" und "geschmacklos". Auf Anfrage der Journalisten erklärte Strohschein, er könne sich an die Aktion nicht mehr erinnern.


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Laut Nordkurier konnte Strohschein es dann aber doch: Der Zeitung gegenüber erklärte er, es habe sich um Fruchtgummitiere gehandelt, die die Partei in AfD-Tüten hatte verpacken lassen. Rund 25 Kilo habe er in der Kita verteilen lassen. Allerdings seien die Süßigkeiten vorher aus der Tüte genommen und in einer Schale deponiert worden, von der Parteiwerbung habe es keine Spuren mehr gegeben. Der Nordkurier schreibt allerdings, Teile der "Fraktionswerbung" haben es dann doch zu einem der Kinder nach Hause geschafft. Die Eltern hätten "Alarm geschlagen".

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Ein Sprecher des zuständigen Landkreises Vorpommern-Greifswald erklärte laut NDR, es gebe mehrere Hinweise darauf, dass AfD-Süßigkeiten an die Kleinkinder verteilt wurden. Doch selbst wenn dem so sein sollte: Kinder mit Partei-Bonbons zu füttern, ist moralisch zwar bedenklich – rechtlich hat sich Strohschein aber nichts zu Schulden kommen lassen. Ein politisches Neutralitätsgebot gelte vielleicht an kommunalen Schulen und Kitas, so der Sprecher des Landkreises, nicht aber in einer privaten Einrichtung. Im Kita-Gesetz gebe es zudem kein Verbot, das sich gegen Wahlwerbung richtet. Vermutlich ist auch noch niemand vorher auf die Idee gekommen, bei drei- bis sechsjährigen Kita-Besuchern um Stimmen zu werben.

Das Kindertagesförderungsgesetz von Mecklenburg-Vorpommern appelliert allerdings daran, die Entwicklung der Kinder altersgerecht und nach gutem Gewissen zu fördern. Im Gesetzestext steht, die Kita-Förderung unterstütze "den Gedanken der Gleichstellung der Geschlechter" und die Toleranz und Akzeptanz "von anderen Kulturen und Lebensweisen". Die AfD, deren Politiker und Politikerinnen Gender Studies aus den Unis verbannen wollen und zuletzt versuchten, Syrien als sicheres Herkunftsland zu stilisieren, stehen dafür sicher nicht.

Jürgen Strohschein hat den Posten als Vorsitzender des Kita-Trägervereins dem NDR zufolge nun abgegeben. Der Politiker könne ihn zeitlich nicht mit seinem Posten als Landtagsabgeordneter vereinbaren, so seine Begründung. Damit wird die Parteipolitik nun zumindest wieder dahin verlagert, wo sie hingehört: in den Landtag. Einem Ort, an dem zumindest Erwachsene Jürgen Strohschein erklären können, warum seine AfD meist ziemlich weit daneben liegt.

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