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​Wir haben die Medizin-Studentin getroffen, die ihre Pisse in Wien als Parfum verteilt

„Wollen Sie eine Kostprobe von meinem Urin?"

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Nach Pisse zu riechen ist für die meisten Menschen nicht gerade erstrebenswert. Rebecca K. studiert Medizin und hat gemeinsam mit zwei Psychologie-Studentinnen ein Parfum aus Urin hergestellt. Zu Beginn haben sie etwa 50 Proben auf der Mariahilfer Straße verschenkt; jetzt wollen sie Trickledown auch verkaufen—und zwar nicht unbedingt aus wirtschaftlichen Gründen.

In einer gemeinsamen Vorlesung kamen die drei Studentinnen erstmals auf die Idee, dass sie ihren Urin gerne mit anderen teilen würden. Seither kann man in ihrem Online-Shop das Pisse-Parfum Trickledown unter dem Motto „Alles aus einer Blase, kurze Wege und die persönliche regionale Note" kaufen. Dabei wird zwischen den spezifischen Duft-Charakteren von Cosimas, Rebeccas und Sophies Urin unterschieden.

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Trickledown ist also eine Mischung aus Satire, Performance-Art und einfach nur Pisse in einem Glas. Wir haben Rebecca für euch getroffen und sie gefragt, ob das wirklich ihre Pisse im Parfum ist und wie die Leute reagieren, wenn sie auf der Straße gefragt werden, ob sie eine Kostprobe von ihrem Urin möchten.

VICE: Wie seid ihr auf die Idee gekommen, ein Parfum aus eurem Urin zu machen?
Rebecca K.: Die Idee hat sich in einer Lehrveranstaltung zum Thema „Performance und Besitzansprüche des Körpers" entwickelt. Dabei ging es viel um die Frage, was gehört mir von meinem eigenen Körper und was dürfen andere davon verwenden. Zum Beispiel im Bezug auf Organ- und Samenspenden. Dabei sind wir auf das Thema Körperflüssigkeiten gestoßen und haben uns überlegt, dass wir gerne etwas von unserem Körper verschenken möchten, um so die Besitzansprüche etwas zu lösen.
Wir haben uns für Urin entschieden, weil es eigentlich eine total schöne Flüssigkeit ist. Urin an sich ist steril und hat etwas sehr Reines, Pures und Feines. Damit passt es gut zu den ganzen Kosmetik-Werbe-Geschichten von frischen und sauberen Produkten, die gerade in sind. Darum haben wir auch unsere Produktbeschreibungen für das Parfum von der Douglas-Website adaptiert, um zu zeigen, dass man diese Beschreibungen für so gut wie jedes Produkt verwenden könnte—eben auch für Urin.

Screenshot via Trickledown

Und in den Parfum-Flaschen ist wirklich dein Urin?
Ja, klar! (lacht)

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Was habt ihr in diesem Seminar sonst noch gemacht?
Es ging viel um den eigenen Körper und Flüssigkeiten. Wir haben zum Beispiel auch Speichel-Meditations-Übungen gemacht.

Wie funktioniert so etwas?
Man schließt die Augen und es wird etwas vorgelesen, wo es darum geht, die Speicheldrüsen zu spüren und zu aktivieren und den Speichel zu sammeln, zu verschieben und zu schlucken. So soll man lernen, die Körperflüssigkeit Speichel ganz bewusst wahrzunehmen. Schon verrückt, oder?

Ja. Habt ihr echt vor, das Parfum zu verkaufen?
Es war überhaupt nicht unsere ursprüngliche Intention, aber als wir die Homepage gemacht haben, sind wir auf die Idee gekommen. Uns geht es auch beim Verkauf vor allem um die Reaktion. Egal ob die Leute das Parfum kaufen oder auf der Seite oder auf Facebook kommentieren, alles ist erwünscht.

Auf der Mariahilfer Straße habt ihr die Proben aber noch verschenkt, oder?
Ja, das war die Aktion im Rahmen unserer Lehrveranstaltung—sozusagen unsere Abschlussarbeit. Wir haben auch ein Video davon gemacht, wie wir das Parfum auf der Mariahilfer Straße verschenkten. Zum Schluss waren wir auch noch im Marionnaud im ersten Bezirk und haben einige Proben in die Auslage und zu den anderen Parfums gestellt. Das war ein Gag für uns zum Schluss. Die werden sich vermutlich ziemlich gewundert haben, als sie unsere Proben gefunden haben (lacht).

Unser Ziel auf der Mariahilfer Straße war es in erster Linie, die Proben mal loszuwerden. Am Anfang waren wir noch sehr höflich und haben ganz brav gefragt, ob jemand Proben will: „Darf ich Ihnen ein bisschen von meinem Urin schenken?" oder: „Wollen Sie eine Kostprobe von meinem Urin?" Danach haben wir herum experimentiert, welche Sätze für uns am besten funktionieren. Später haben wir die Leute dann auch mit Sätzen wie „Hey ich geb dir meine Pisse", konfrontiert.

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Schön. Wie viele Proben habt ihr verteilt?
Wir sind zirka 50 Proben losgeworden. Das war schlussendlich ganz schön viel Urin, der in irgendwelchen Handtaschen gelandet ist.

Wie haben die Leute darauf reagiert, dass ihr ihnen euren Urin schenken wolltet?
Zum Teil haben ihn die Leute ganz bewusst mitgenommen und zum Teil haben sie ihn auch einfach eingesteckt, weil er gratis war und sind vermutlich erst zuhause drauf gekommen, was sie da mitgenommen haben.

Gab es auch negative Reaktionen?
Ja, manche Menschen wurden auch zornig. Die meisten haben zuerst einmal nicht verstanden, was wir ihnen genau schenken wollten. Und als es manche dann checkten, wurden sie richtig wütend und haben es vor uns weggeworfen.

Was hat es mit dem Namen auf sich?
In der Wirtschafts-Theorie gibt es ja den Trickle-Down Effect, der besagt, dass sich Reichtum auch positiv auf den Wohlstand der Ärmeren auswirkt—also quasi nach unten durchsickert. Wir fanden das Wortspiel von dieser Theorie und unserem Urin-Parfum witzig.

Wie soll es jetzt mit dem Parfum weiter gehen?
Wir möchten, dass ein Dialog entsteht. Wenn sich jetzt jemand ein Parfum bestellt, dann sind wir natürlich voll dabei und liefern das. Bisher hat es aber leider noch keine Bestellungen gegeben. Unser Projekt ist insofern ernst zu nehmen, als dass wir allen, die eine Probe wollen, auch eine schicken. Es ist also kein reines Scherz-Projekt—man kriegt schon wirklich ein Fläschchen mit Pisse von uns, wenn man eins will.

Und was wollt ihr damit bezwecken?
Uns geht es um die Konfrontation und auch Provokation im direkten Kontakt mit den Leuten. Wir wollen herausfinden, wie Menschen mit dieser ungewohnten Situation umgehen und sie auch ein bisschen dazu bringen, über Besitzansprüche nachzudenken.

Foto: VICE Media.

Zum Abschluss überreicht mir Rebecca noch eine Parfum-Probe mit der Aufschrift „Urin von Rebecca" und sagt: „Mach es lieber nicht auf, es ist schon eine ältere Probe, die stinkt sicher". Weil ich aber natürlich auch einen Auftrag und eine journalistische Sorgfaltspflicht zu erfüllen habe, konnte ich mir die Überprüfung nicht verkneifen. Rebecca hatte übrigens Recht. Und weil ich die Intention der Künstlerinnen nachvollziehen wollte, habe ich, wie gewünscht, noch ein bisschen über Besitzverhältnisse und Körperprodukte nachgedacht. Sagen wir es so: Den Schleim, den ich durch meine Erkältung habe, gebe ich durchaus gerne weiter. Gesundheit.

Eva auf Twitter: @immerwiederEva