Wie Disney 1982 den psychedelischsten aller Filme über das Internet produzierte
​Ziemlich mutiger Claim: Computer sind auch Menschen. Bild: Screengrab ​Youtube

FYI.

This story is over 5 years old.

Tech

Wie Disney 1982 den psychedelischsten aller Filme über das Internet produzierte

„Computers Are People, Too!“

Denkst du an die 80er zurück, erscheinen vor deinem inneren Auge sicher sofort ein paar faszinierende nostalgische Bilder damaliger Zukunftsgewandheit: trötende Synthesizer, neonfarben-geschwängerte Hollywood-Blockbuster und Computer, alles gefiltert durch die Linse einer ausgeleierten VHS-Kassette. Computers Are People, Too!, eine 1982 veröffentlichte Disney-Doku über Computerkunst, ist vielleicht das ultimative Artefakt dieser Periode. Zumindest ist sie ganz sicher das seltsamste.

Anzeige

Computers Are People, Too! wurde ursprünglich als Fernsehsendung produziert und kurz vor dem Tron-Kinostart herausgebracht—Hollywood's erster Vorstoß in die Welt der Computeranimation. Die Doku ist zu gleichen Teilen ein Kompendium früher Computerkunst von Analogpionieren wie Lee Harrison und John Whitney, ein Traktat über die immensen Versprechungen digitaler Technologien und ein Marketingstunt der Marke Hollywood. Die Doku fängt den Enthusiasmus eines vergangenen Zeitalters ein, und das in einem ekstatischen Kaleidoskop aus Vintage-Grafiken und eimerweise Kitsch.

Jeder hat damals experimentiert, Es war eine wahre Freude. Und Computer waren ein Teil davon.

Die Story dreht sich um die Schauspielerin Elaine Joyce, die befürchtet, von Maschinen ersetzt zu werden. Ein futuristischer Supercomputer aus der Zukunft demonstriert ihr dann mit seiner KI und einer halluzinogenen Computerkunst-Revue von der Vergangenheit bis hin zu 1982er State-of-the-Art-Werken, warum sie damit ganz falsch liegt. Mit der Stimme des Hollywood-Veterans Joseph Campanella tönt der Rechner: „Wir stehen an der Schwelle einer wunderschönen Partnerschaft."

Um den Film vor dem vollständigen Vergessen zu bewahren, haben ein paar Hardcore-Fans Computers Are People, Too! ein zweites Leben im Onlineuniversum geschenkt. Die Doku wurde auf Youtube hochgeladen und konnte zumindest über 2.000 Views anhäufen. Die Website computersarepeopletoo.com spielt das Video in Dauerschleife.

Anzeige

Ich wurde neugierig und wollte mehr darüber herausfinden, wie zur Hölle so ein bizarrer Dokumentarfilm zustande kam, und rief dafür Mike Bonifer an. Er war am Drehbuch und der Produktion der Doku beteiligt. Gleichzeitig war er in den frühen 80er Jahren als Pressesprecher für Tron tätig. Mittlerweile leitet er eine Beraterfirma in Los Angeles.

Laut Bonifer erzählt die Geschichte von Computers Are People, Too! vom ungebremsten Enthusiasmus in einem Zeitalter der technologischen Versprechen, von niederschmetternder Entzauberung und der Schönheit der Jugend.

MOTHERBOARD: Erzähl mir doch ein bisschen über die Geschichte von Computers Are People, Too!—warum wollte Disney diesen Film machen?

Michaele Bonifer: Bei Disney gab es ein riesiges Interesse an Computern, für das Tron vor allem verantwortlich war. Als Tron die öffentliche Bühne betrat, brach ringsum eine regelrechte Computerhysterie aus. Die ganzen jungen Leute damals im Studio waren total scharf darauf, alles über Computer zu erfahren.

Interessant daran ist, dass das Senior Management bei Disney damals mit EPCOT beschäftigt war. Es war, als ob alle jungen Leute Amok in einer kreativen und schönen Art und Weise Amok laufen würden. Man konnte Dinge tun, die normalerweise nicht gingen, hätte das Management in Burbank wie sonst auch jedes kleine Detail unserer Produktion überwacht. Jeder hat experimentiert und ausprobiert. Es war ein Fest. Und Computer waren ein Teil davon.

Anzeige

Er war analog.

Du warst der Pressesprecher für Tron und Computers Are People, Too! gehörte irgendwie dazu, richtig?

Genau, ich habe für Tron gearbeitet und versucht, soviel von diesem Projekt mitzunehmen, wie ich konnte. Ich habe das Buch The Art of Tron geschrieben und dann grünes Licht für eine Fernsehshow über Computer bekommen, die große Teile von Tron beinhalten sollte. Das war die Rechtfertigung: Marketing für Tron. Ich spielte einfach mit. Ich hatte wie viele junge Leute damals die Möglichkeit, für so etwas ein Budget bewilligt zu bekommen. Und hatte man erstmal ein Budget, konnte man damit spielen; niemand kontrollierte, was du damit anstelltest. Du konntest machen, was du willst. Und so haben wir Computers Are People, Too! gemacht.

Ich erinnere mich, wie verspielt alles war. Jeder wollte etwas mit Computern machen. Jeder hat sich für die Maschinen der anderen interessiert. So aufregend müssen Autos gewesen sein, als noch nicht jeder ein Auto hatte. Ausprobieren, sie aufmotzen, sie reparieren. Man konnte mit den Jungs in der Buchhaltung reden und sie erzählten dir von den Modems, mit denen das New Yorker Büro ausgestattet wurde. Es zog sich durch die gesamte Firma, aber es war auch ein weltweites Phänomen damals. Tron war der Zündfunke. Es war ein wunderschönes Spiel. Und Disney war damals in dessen Epizentrum.

Elaine Joyce, die die Show präsentiert, versucht, ihren Computer-Gegenspieler vorzuführen, indem sie wie eine Irre tanzt.

Elaine Joyce, die die Show präsentiert, versucht, ihren Computer-Gegenspieler vorzuführen, indem sie wie eine Irre tanzt.

Gideon Ariel hat mit primitiver Motion Capture-Technologie die bewegungen von Athleten digitalisiert und analysiert. Im Bild ein Kugelstoßer.

Gideon Ariel hat mit primitiver Motion Capture-Technologie die bewegungen von Athleten digitalisiert und analysiert. Im Bild ein Kugelstoßer.

Warum der Titel? Zu behaupten, dass Computer Menschen sind, ist ganz schön mutig.

Anzeige

Jim Fanning steckt hinter dem Namen. Er war unser Praktikant. Es gab damals eine Sendung namens Kids are People, Too! Jim kam in mein Büro und sagte: „Hey, ich hab den Namen für den Film: Computers are People, Too!" Und ich fand, das klang gut.

Wir haben danach nie mehr so richtig darüber nachgedacht. Intuitiv wusste ich irgendwie, dass Jim Recht hatte. Es ging darum, wie unsere Menschlichkeit in Computern widergespiegelt wurde, das war das Interessanteste. Und es war auf einer Linie mit den Themen in Tron und damit etwas, das wir auch in der Fernsehsendung ausloten konnten.

Michael Iceberg spielt Synthiesizer in einer riesigen Pyramide. Der frühere Disney-Musiker faszinierte die Macher der Doku.

Michael Iceberg spielt Synthiesizer in einer riesigen Pyramide. Der frühere Disney-Musiker faszinierte die Macher der Doku.

Was stellte euch bei der Produktion vor die größte Herausforderung?

Wir mussten überall auf der Welt nach den ganzen Computergrafiken suchen. Computers are People, Too! ist wahrscheinlich eine der besten CG-Sammlungen überhaupt; besser als Siggraph damals war. Ich musste nach Denver fahren, um Lee Harrison zu treffen; einer der Analog-Pioniere. Harrison hatte Computer, die er buchstäblich aus Holzblöcken, Nägeln und Kupferdrähten zusammengezimmert hatte, damit machte er dieses Mr. Noise-Ding.

Lee Harrison's Mr. Noise benutzte analoge Schaltkreise, um soundaktivierte Grafiken wie diese zu erschaffen.

Lee Harrison's Mr. Noise benutzte analoge Schaltkreise, um soundaktivierte Grafiken wie diese zu erschaffen.

Er wurde ganz emotional und ich wusste nicht, was ich ihm sagen sollte. Wir gingen was trinken. Er lud mich ein und dachte wirklich, dass endlich sein Moment gekommen war. Disney rief an. Und ich war nur ein verdammter Pressefuzzi, der zu ihm kam, um eine Fernsehsendung zu produzieren. Er fing an zu weinen und mir kamen auch die Tränen. Ich hatte ihn so gern und fühlte mit ihm. Es wurde richtig emotional. Ich liebte alles an ihm, aber ich war eben nicht der Typ von Disney, der ihn ins Pantheon erheben würde. Er war auf dem Holzweg. Er war analog. Und ich wusste auch damals schon, dass die Zukunft digital werden würde.

Anzeige

Was damals verspielt war, hat jetzt eine bedrohliche Qualität angenommen.

Und dann war da noch Art Swerdloff, unser Cutter. Sein Mentor war Slavko Vorkapić, der quasi die Montage erfunden hat. Wir schnitten gerade diese Sendung und Art konnte gern mal für zwei Stunden aufhören, um über die Geschichte des Filmschnitts zu reden, über Slavko Vorkapić, die Geburt der Montage und wie man den Krimkrieg in fünf Minuten gewinnen konnte. Es war die ineffizienteste Art überhaupt, einen Film zu machen. Wir brachten unser eigenes Equipment mit, weil es in der Stadt keinen einzigen Schnittplatz mit der neuesten Ausrüstung gab, deshalb haben wir auch alle nebenbei gleich gelernt, wie man schneidet. Wir waren wie Kinder zusammen.

Art war ein wunderbarer Mensch und wurde mein Freund für den Rest seines Lebens. Sollten wir jemals Computers are People, Too! nochmal rausbringen, sorge ich persönlich dafür, dass er Art Swerdloff gewidmet wird, weil er so ein großartiger Typ war.

Eine frühe Demo eines computergenerierten Charakters, der in der Doku als „mathematische plastische Chirurgie" bezeichnet wird.

Welcher ist dein Lieblingsteil in der Doku?

Am Allerliebsten mag ich die Compilation der CG dieser Ära. man hat mir erzählt, dass die Leute diese Szene in Schwulenclubs in LA laufen ließen. Als die Sendung schon fast vorbei war, hörte ich: „Ach ja, ich hab diese Szene aus deiner Sendung gesehen. Die war in dem Klub, in dem ich letzte Nacht war!"

Wirklich? Das ist ja großartig.

Yeah. Dann dachte ich, okay, da muss was dran sein.

Inwiefern denkst du, dass sich unsere Einstellung zur Technologie sich seit 1982 geändert hat?

​Wir waren wie Mickey am Anfang von „Der Zauberlehrling"—wir hatten eine gewissen Magie. Das war die Tron-Ära. Jetzt schwimmen wir darin. Die Seiten mit den Zaubersprüchen wurden weggefegt, und der Zauber ist außer Kontrolle. Sie führt uns viel weiter, zu einem neuen Ethos, einer Art neuen Verständnisses darüber, wie wir miteinander umgehen.

Schau dir den Sony-Hack an. Als bei Disney die ersten Computer reinkamen, sagten wir alle: „Yeah! Mehr Computer!" Ich bin mir aber sicher, dass die Sony-Leute sagen: „Ich werde nie wieder was Wichtiges in eine E-Mail schreiben, ich mach ab jetzt alles auf Pergament. Gebt mir ein paar Federkiele!" Das ist der wahre Unterschied: Disney damals und Sony heute.

Was damals als Spiel gesehen wurde, wird jetzt als bedrohlich wahrgenommen. Wir müssen die neue Linie herausfinden. Sie kann nicht wie Wasser einfach überall verlaufen. Aber ich bin auch kein Unheilsprophet. Es ist einfach eine andere Art der Aufregung und wir müssen aufpassen, was wir jetzt machen, so wie damals. Es gibt immer noch richtig viel zu feiern, nur die Rahmenbedingungen haben sich geändert.