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Wirre Welt

„Regierung rät: Schwarzer Penis in weiße Vagina“ – Wie YouTube-Absolventen und „Asylkritiker“ gegen Sex hetzen

Antisemitismus, „Asylkritik" und absurde Verschwörungen auf diese Art in ein Video zu packen, ist jetzt auch nicht einfach.

Screenshot aus YouTube-Video „Regierung rät: Schwarzer Penis in weiße Vagina (www.zanzu.de)" von Hagen Grell

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat eine Website namens zanzu.de gelauncht. Das Ganze ist ein Portal, das sich hauptsächlich an Migranten richtet und bei dem es um sexuelle Gesundheit und Aufklärung geht. Man kann zwischen 13 Sprachen wählen, sich alles vorlesen lassen, zusätzlich gibt es auch noch Piktogramme. Thematisch ist das Ganze weit gefächert, es geht um Körper, Schwangerschaft, Geschlechtskrankheiten, Beziehungen, LGBT* und rechtliche Themen, wie die Pille auf Rezept, Ehe, Adoption, Schwangerschaftsabbrüche usw.

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Auf diese Nachricht gibt es jetzt verschiedene Reaktionen. Eine davon wäre zu sagen: „OK, cool." Gegebenenfalls könnte man die Seite auch weiterverbreiten, wenn man beispielsweise mit Flüchtlingen arbeitet oder im Bildungssystem unterwegs ist. Oder aber man dreht ein 29-minütiges Video, in das man Antisemitismus, „Asylkritik", Rassismus, bizarre Verschwörungsideologien und allgemein Menschenfeindlichkeit packt, und enthüllt, dass „wir" alle nur Opfer des „Eugenikprogramms der Eliten" sind. Geht natürlich auch.

Jetzt können alle mal raten, für welche Option sich Hagen Grell entschieden hat (vielleicht erinnert sich noch jemand an seinen Monolog über die „großen, starken und edlen deutschen Männer", den er in Feinripp vor seinem Badezimmerspiegel gehalten hat).

Auch wenn man es glauben könnte, es ist tatsächlich keine Satire. Der gute Hagen scheint ernst zu meinen, was er da sagt. Erstmal sind alle Beteiligten an zanzu eigentlich Agenten der NWO. Das eigentliche Ziel ist es nämlich, die „weiße Rasse" in Europa zu einer Minderheit zu machen. Hagen hat auch Dokumente, die das beweisen und in denen es darum geht, dass „Europa bunter sein muss". Die zeigt er leider nicht. Ansonsten sieht für ihn die Seite „wie eine Anleitung [aus], weiße Frauen zu vergewaltigen". Das liegt vermutlich daran, dass auf einem Piktogramm auf zanzu zu sehen ist, wie ein dunkelhäutiger Mann mit einer weißen Frau Sex hat. Schockierend.

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Überhaupt ist dieses ganze Video ein Lehrstück im Falschverstehen und bietet damit einen interessanten Einblick in die Welt der Verschwörungsideologen. Grell zitiert aus der Pressemitteilung der BZgA: „Dabei richtet sich [zanzu] vor allem an Migrantinnen und Migranten, die noch nicht lange in Deutschland leben. Diese Personengruppen machen in Deutschland einen zunehmenden Anteil der Bevölkerung im reproduktiven Alter aus."

Grell sagt dazu: „Natürlich bekommen Leute, wenn die sowas hören, Angst. Ist doch logisch." Nein, Hagen! Es ist nicht logisch. Wie sollte das logisch sein? Menschen haben Sex. Auch Nichtdeutsche. Nichtdeutsche haben auch Sex, wenn sie in Deutschland sind. Vielleicht mit Deutschen, vielleicht mit Nichtdeutschen. Inwiefern macht das wem Angst?

Also OK, angenommen man glaubt an einen „Genozid an der weißen Rasse" oder „Eugenikprogramme der Eliten" oder vielleicht noch platter daran, dass alle Flüchtlinge Vergewaltiger sind. Nichts davon fußt in der Realität. Gerade wenn man so große Angst davor hat, dass kulturell unterschiedliche Lebensweisen aufeinandertreffen und dass Menschen aus arabischen Ländern ein Bild von Frauen und LGBT*-Menschen haben, das nicht dem westlichen entspricht, sollte man doch begeistert sein, dass es ein Portal gibt, das diese Unterschiede erklärt und vor allem aufzeigt, wie die Situation in Deutschland ist und welche rechtlichen Möglichkeiten sich hier bieten.

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Aber das mit den Rechten ist ja eh so eine Sache. Hagen findet nämlich, dass „diese ganzen Menschenrechte (…) völlig unrealistische Sachen sind" und Nichtdeutschen Rechte in Deutschland zuzugestehen: Das ist doch auch nichts. Wo kommen wir denn da auch hin?

Screenshot aus YouTube-Video „Regierung rät: Schwarzer Penis in weiße Vagina (www.zanzu.de)" von Hagen Grell

Wem immer noch nicht so ganz klar ist, was Grell eigentlich sagen will, muss sich nur das „witzige Bild" anschauen, das er immer wieder einblendet, um zu erklären, wer denn jetzt eigentlich hinter allem steckt. Auf dem „humoristischen" Bild (bei dem der Hagen „immer schmunzeln muss") sieht man ganz links einen „Reptiloiden", der mithilfe einer Angel einer Art Freimaurer ein Symbol vorhält, um ihn zu steuern. Der Freimaurer seinerseits hält ein Bündel Geldscheine an einer Angel vor das Gesicht eines Juden, der wiederum eine Angel mit einem Burger vor einen Amerikaner hält. Diese Karikatur antisemitisch zu nennen, ist schon fast eine Untertreibung. Hagen Grell sieht das natürlich anders, vielleicht weil der Jude ja auch nur von bösen Mächten gesteuert wird. Deswegen zeigt er das Bild auch immer wieder. Vielleicht denkt er, es wäre eine wissenschaftliche Veröffentlichung. Jedenfalls erklärt er dann, wie der Amerikaner jeweils durch andere Akteure (hauptsächlich Leute, die er Gutmenschinnen nennt) ausgetauscht wird, die dann eben von dem Juden zu was auch immer gebracht werden.

Auch die Junge Freiheit, eine Wochenzeitung der Neuen Rechten, schreibt über zanzu. Der Artikel mit der Überschrift „Was Flüchtlinge über guten Sex wissen müssen", der relativ nüchtern gehalten ist, glänzt vor allem durch Andeutungen in Bildunterschriften und Zwischenüberschriften. „Darstellung einer Entjungferung: Informationen für Asylinteressierte" oder „Wo findet man ‚Kontakt für Gelegenheitssex'?"

Genau wie im Video von Grell liest man auch hier zwischen den Zeilen ganz schnell eine merkwürdige Besessenheit von Sex und gleichzeitig tiefe Ablehnung heraus. Gegenüber Sex, gegenüber Menschen, die Sex haben (und dann auch noch Analsex. Schlimm.), und vor allem gegenüber Nichtdeutschen, die Sex haben. Sex findet für diese Menschen nur im Dunklen und selbstverständlich nur zur Empfängnis deutscher, blonder Kinder statt. Alles andere ist abzulehnen.

Grundsätzlich geht es dabei aber auch um Abschottung. Am liebsten hätte man gar keine Flüchtlinge oder Nichtbiodeutsche in diesem Land und wenn sie denn schon da sind, sollen sie doch bitte unter sich bleiben. Eine Teilnahme am normalen Leben, zu dem eben auch Sex gehört, kommt da nicht in Frage. Aufklären und auf Rechte hinweisen ist ebenfalls unwichtig, da man die Menschen erstens so schnell wie möglich wieder loswerden und zweitens vermeiden will, dass es zu Kontakt mit Deutschen kommt. Das würde ja auch bedeuten, dass Deutschland merkt, dass die Menschen, die hier ankommen, eben keine Bedrohung sind. Was in den Lagern passiert, in denen man sie am liebsten für immer lassen würde, ist nicht wichtig, solange keine Deutschen involviert sind.

Stefan und die Reptiloiden sind auf Twitter.