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YouTube-Serie

'Die Rekruten': Die Bundeswehr lässt den Mali-Einsatz wie einen Abenteuer-Ausflug wirken

Der Einsatz in Mali gilt als der gefährlichste UN-Einsatz der Welt. Die Rekruten, die sich für YouTube filmen lassen, wirken in der ersten Folge recht entspannt.
Foto: Screenshot Bundeswehr

2012 gelang es al-Qaida, sich im Norden Malis festzusetzen. Die französische Armee intervenierte 2013 und verdrängte die Extremisten, im Anschluss zogen sich die Franzosen zurück und übergaben an die Vereinten Nationen. Die UN setzten eine Mission ein, die die Region sichern soll: MINUSMA. Seit Juli 2015 leitet Deutschland den Einsatz – auch mit Kampf-Einheiten.

Und genau dort in Mali spielt nun auch die zweite Staffel der YouTube-Serie der Bundeswehr Die Rekruten. Erdacht wurde das Format, um Menschen dazu zu bewegen, freiwillig in die Bundeswehr einzutreten. Die Werbekampagne hat 3,3 Millionen Euro gekostet und die Plakate sehen aus, als würden sie einen Ego-Shooter bewerben.

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Der Schauplatz der neuen Staffel ist eigentlich gut gewählt, erzählt Oberstleutnant Jürgen Rose der taz. Der studierte Pädagoge ist Mitglied des "Darmstädter Signals", ein Verband kritischer Soldaten. "Mali ist exotisch, die Sahara erinnert an Karl Mays Erzählungen Durch die Wüste. Der Ort weckt Assoziationen vom großen Abenteuer." Aus Sicht der Bundeswehr ein guter Ort, wenn man Werbung machen will. Nicht so hoffnungslos wie die Einsätze in Afghanistan, die von vornherein ein Image-Problem hatten.


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In der ersten Szene der neuen Staffel sitzt ein Gebirgsjäger in seiner Kaserne in Bayern auf einer Bank, eine Fischaugenkamera filmt ihn: "Mali ist nicht ganz einfach. Geht gleich heiß her." Das scheint allen klar zu sein, so vage bleibt es aber auch. Er wird sich später mit "I bin der Martin" vorstellen. Nachnamen nennen sie nicht, ihre Namensschilder sind aus Sicherheitsgründen verpixelt. Eingesetzt ist Martin in Gao als Transportsoldat, genauer: in der "Recovery Task Force". Die "ziehen die Karren aus dem Dreck", wenn ein Fahrzeug außerhalb des Lagers liegenbleibt. Als Protagonisten dabei sind neben dem IT-Feldwebel Marko auch noch Hauptfeldwebel Peter und ein weiterer Soldat, dessen Name nie eingeblendet wird, sich aber nach ein bisschen Suchen als Hauptmann Michael herausstellt, der Zugführer bei der Quick-Reaction-Force ist.

Die erste Folge der Webserie erinnert insgesamt aber dann doch eher an Pfadfinder-Truppe. Man sieht Soldaten dabei zu, wie sie grillen, wie sie mit einem Bus durch die Gegend fahren, auf einem Parkplatz in Köln-Bonn frühstücken – um fünf Uhr morgens, von einem Pappkarton. Man sieht, wie sie sich von ihren Kameraden und Familien verabschieden oder in Terminals Schlange stehen. "Wie ein Urlaubsflug", sagt einer der Soldaten. Nur sind die Ziele der Maschinen, die vom militärischen Teil des Flughafens Köln-Bonn starten, andere an dem Tag: Bamako in Mali, Mazar-i-Sharif in Afghanistan, Pristina im Kosovo.

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Die Soldaten wissen im Vorfeld des Einsatzes nicht so recht, was sie von dem Einsatz halten sollen: "Eigentlich weiß ich gar nicht, was mich dort erwartet", sagt IT-Feldwebel Marko. Sie wissen auch nicht, wie lange sie bleiben werden, vier oder fünf Monate, sie wissen nicht genau, wann sie nach Gao kommen oder ob sie in Bamako übernachten müssen.

Der Alltag der Soldaten wird insgesamt durchaus akkurat dargestellt. Die meiste Zeit verbringt der gemeine Rekrut bei der Bundeswehr eben damit, auf etwas zu warten und sich zu langweilen. Beim Zusehen kommt auch nicht das Gefühl auf, die Pressestelle der Bundeswehr würde ihren Soldaten den Mund verbieten: "Natürlich könnte ich mir was Schöneres vorstellen. Wir müssen nicht darüber diskutieren, dass die Alpen im Sommer wesentlich attraktiver sind als Mali", sagt ein Soldat in seiner Kaserne in Bad Reichenhall, dessen Name nicht eingeblendet wird. Schnitt auf die Alpen, Schnitt in einen Sandsturm im deutschen Camp in Gao.

In der aktuellen Folge sind vor allem Soldaten zu sehen, die nicht besonders viel Zeit außerhalb der Feldlager verbringen, dort, wo es in der Regel am gefährlichsten ist. Die Franzosen waren damals in schwere Gefechte verwickelt, es starben sechs Soldaten, 150 Soldaten der malischen Armee kamen zwischen Januar 2013 und August 2014 um. Auf Seiten der Islamisten starben 500 Menschen. Es sind auch schon deutsche Patrouillen in Mali beschossen worden, beim Absturz eines Kampfhubschraubers kamen zwei Piloten ums Leben. Insgesamt starben in Mali auf Seiten der Vereinten Nationen bisher 133 Menschen.

Kämpfe sind von den Protagonisten der zweiten Staffel nicht zu erwarten. Alexander Neu, der für die Linke im Bundestag sitzt, betonte gegenüber dem MDR, dass es für Soldaten immer noch darum gehe, im Zweifel zu töten oder getötet zu werden. Das werde in der Serie aber völlig ausgeblendet, kritisiert Neu.

Im Bus zum Flughafen unterhalten sich zwei Soldaten: "Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass alle wieder gesund nach Hause kommen." – "Alle?" – "Vielleicht du nicht." Gelächter. Nach der Ausstrahlung der ersten Staffel gingen bei der Bundeswehr 20 Prozent mehr Bewerbungen ein als davor. Das mag auch daran liegen, dass ihnen durch die Serie nicht klargemacht wurde, auf was sie sich da eigentlich einlassen.

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