Eine inklusive Schokoladenfabrik: Jede Praline ist ein Stück Selbstbestimmung

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Schokolade

Eine inklusive Schokoladenfabrik: Jede Praline ist ein Stück Selbstbestimmung

Von diesen Chocolatiers können alle etwas lernen – wirklich alle.

Belgien ist dafür bekannt, seit über 40 Jahren einen eher verhaltensorientierten Ansatz bei Menschen mit geistiger Behinderung zu verfolgen.

In der belgischen Provinz Namur nahe der Grenze zu Frankreich befindet sich eines der belgischen Zentren, die Menschen mit geistiger Behinderung helfen wollen, ein so normales Leben wie möglich zu führen und sich als vollwertige Individuuen zu verstehen: das Albatros. In dieser Einrichtung leben und arbeiten Erwachsene mit mäßiger oder schwerer geistiger Behinderung, mit und ohne psychische Störungen. Hier wohnen auch Autisten, Psychose-Patienten oder Menschen mit Down-Syndrom.

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Cédric mit einer Packung mit Pralinen, die jetzt verkauft werden. Alle Fotos von den Autoren.

Alle – auch die Bewohner mit schwerer geistiger Behinderung – nehmen hier an verschiedenen Aktivitäten teil, bei denen sie sich entfalten können und die ihr Selbstwertgefühl steigern. Ziel ist es, ihnen eine Struktur im Leben zu verschaffen, damit sie sich nützlich fühlen. Die Woche der Bewohner wird durch unterschiedliche, zuweilen auch spielerische und unterhaltsame, Aktivitäten und "Workshops" strukturiert, zum Beispiel können die Bewohner in Gruppen malen, gärtnern oder Pralinen herstellen.


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Zwei talentierte belgische Chocolatiers und Pädagoginnen, Gaëlle und Sarah, zeigen, wie man in der kleinen Schokoladenfabrik der Einrichtung Pralinen herstellt. In einer staatlichen Werkstatt für behinderte Menschen, einer sogenannten ESAT ( Etablissement ou service d'aide par le travail), könnten die Teilnehmer dem von ihnen abverlangten Arbeitsrhythmus nicht folgen. Hier im Albatros können sie sich in der Schokoladenwerkstatt jedoch so weit einbringen, wie ihnen möglich ist.

Die Teilnehmer übernehmen simple, aber interessante Aufgaben. Sie kümmern sich um die Glasur der Pralinen, die beiden Expertinnen übernehmen die etwas komplexeren Arbeitsschritte. Die Teilnehmer der Arbeitsgruppe, mit denen wir uns unterhalten haben, darunter Cédric, Sébastien, Fred und Mathieu, sind stolz auf die Qualität ihrer Produkte.

Die Bewohner bereiten sich auf den ersten Workshop des Tages vor. Trotz der geistigen und teilweise auch körperlichen Beeinträchtigung – wie bei Cédric – sind alle hochmotiviert.

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Hier werden vor allem Pralinen oder Geburtstagstorten für die Bewohner der Einrichtung gemacht. Unter anderem machen sie Trüffel-Pralinen mit Vollmilchfüllung und einer Kuvertüre aus weißer Schokolade, die aussehen wie kleine Schneebälle. Sarah hilft Cédric dabei, die Pralinen aus dem Kühlraum zu holen und sie zum Tisch zu bringen.

Die Basis für die Trüffel ist ein Kern aus Vollmilchschokolade. Sarah zeigt Mathieu, wie die Pralinen gemacht werden.

Und dann löst sie die Füllungen aus der Form.

Aus den Vollmilch-Füllungen können jetzt richtige Pralinen werden.

Cédric und Mathieu schauen wissbegierig zu, wie Sarah die weiße Schokolade vorbereitet. Um die Schokolade verarbeiten zu können, muss sie die richtige Temperatur haben. Durch die Arbeit in den Workshops können die Teilnehmer ihr erworbenes Wissen und ihre kognitiven Fähigkeiten weiterentwickeln.

Gaëlle zeigt Guillaume, wie die weiße Schokolade aufgetragen wird. Dabei muss man schnell arbeiteten, damit die Schokolade die richtige Temperatur behält und sich einfach verarbeiten lässt.

Die weiße Schokolade ist perfekt temperiert: Guillaume kann die Schokofüllungen mit der weißen Kuvertüre bestreichen. Eine schwierige Aufgabe, die viel Geduld, Sorgfalt und Akribie erfordert.

Sarah zeigt Mathieu, mit welchen Handgriffen er die Pralinen, die über Nacht fest geworden sind, vom Gitter lösen kann.

Mathieu macht sich gut und arbeitet wie ein richtiger Profi.

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Nichts wird weggeschmissen: Die Reste der weißen Schokolade werden einfach aufgegessen.

Zwischendurch gibt es eine Pause. Währenddessen ruhen sich einige aus – so wie Jacques, rechts, an diesem Tag. Andere wie zum Beispiel Didier, links, stellen in der Pause Musik an und tanzen.

Cédric mit seinen Freunden: Fred, Mathieu und Sébastien.

Cédric nutzt die Pause, um etwas zu essen…

…und Jacques trinkt einen selbst gemachten Kakao.

Die etwas komplexeren und gefährlicheren Arbeitsschritte, wie zum Beispiel die Herstellung des Karamells, übernehmen die Expertinnen.

Jeder hat seine Aufgabe.

Die Karamellpralinen werden in Schokolade oder in gerösteten Mandeln gewälzt.

Das hier werden Karamellpralinen mit Schokoraspeln.

Und hier entstehen Karamellpralinen mit Mandelsplittern.

Schluss für heute: In der Schokoladenfabrik müssen strenge Hygienevorschriften eingehalten werden. Sébastien mag es, zu putzen; er arbeitet auch in der Wäscherei der Einrichtung.

Auch der Abwasch ist ein geselliger Anlass für die Bewohner.

Der Morgen ist geschafft: Cédric wischt noch mal trocken.

Später verpackt die Nachmittagsgruppe – in dieser Gruppe sind andere Bewohner der Einrichtung – die Pralinen zum Verkauf. Michel erledigt seine Aufgabe verantwortungsbewusst.

Zur Weihnachts- und Osterzeit gibt es auch ganze Gruppen, die sich um die Verpackung kümmern. Aurore und Antoine, die beide zählen können, packen heute mit an.