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Charlie: Meine Symptome sind zum ersten Mal aufgetreten, als ich 15 war. Damals bin ich in der Schule in jeder Stunde für gut 30 Minuten eingeschlafen. Jeden Tag verspürte ich eine Art Grundmüdigkeit, aber dann kam eben auch immer diese intensive Müdigkeit dazu. Ich habe dann einfach immer meinen Kopf auf die Schulbank gelegt und bin innerhalb von einer Minute eingeschlafen.
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Ich bin dann nach Atlanta gezogen und habe Bioingenieurwissenschaften studiert, aber meine Freunde haben mich immer irgendwo schlafend aufgefunden. Als die Studentenverbindungen neue Mitglieder rekrutierten, bin ich auf den Rasen anderer Leute eingeschlafen, wo ich vorher noch mit ihnen geredet hatte. Das Ganze war mir richtig peinlich und meine Freunde machten sich schon Sorgen. Ich bin wegen dieser Sache dann auch weniger ausgegangen, weil ich wusste, dass ich sowieso einschlafen würde. Ich habe auch immer einen Zip-Up-Fleecepullover getragen, weil ich den schnell ausziehen und als Kopfkissen benutzen konnte.Vor drei Jahren wurde das Ganze dann zu einem ernsthaften Problem, denn da kam dann auch noch meine Kataplexie dazu—und die ist noch viel schlimmer als meine Narkolepsie. Immer wenn ich starke Emotionen verspürte und zum Beispiel lachen musste, konnte ich meine Muskeln nicht mehr länger kontrollieren und hatte so etwas wie einen Anfall. Ich war zwar noch bei Bewusstsein, konnte mich jedoch nicht mehr bewegen.Inwieweit wird das Leben durch solche Krankheiten eingeschränkt?
Denk einfach mal daran, wie du dich fühlen würdest, wenn du zwei Tage und Nächte lang nicht geschlafen hast. Dann sind deine Augen geschwollen und von tiefschwarzen Rändern gezeichnet. Jeder um dich herum macht einen frischen und erholten Eindruck und ist voll dazu bereit, in den Tag zu starten. Du versuchst, einen zusammenhängenden Satz rauszubringen, aber schon nach der Hälfte kannst du deine Gedanken nicht mehr zusammennehmen.
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Hat dich das Ganze auch mal in gefährliche Situationen gebracht?Motherboard: Die Plage schlafwandlerischer Sexattacken: Ich leide unheilbar an Sexsomnie
Am gefährlichsten wurde es immer, wenn die Narkolepsie bei einem Barbesuch zuschlug. Ich habe meine Drinks dann nämlich oft auf andere Gäste verschüttet—und einmal auch auf einen Zwei-Meter-Schrank. Der ist daraufhin total ausgerastet und wollte mir die Fresse polieren. Ich erklärte ihm mein Leiden, entschuldigte mich und gab ihm und seiner Freundin was aus. Zum Glück hat sie ihn auch beruhigt, dann er war wirklich drauf und dran, mich zu vermöbeln. Auch beim Autofahren musste ich total vorsichtig sein. Ich hatte mal eine Freundin, die vier Stunden von mir entfernt wohnte, und bei der Fahrt zu ihr habe ich immer an Tankstellen angehalten, um kurz zu schlafen.
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Ich habe mich im Internet über Narkolepsie und Kataplexie informiert und wusste sofort, dass es das ist, was ich habe. Einige andere Narkolepsie-Patienten halfen sich mit dem Medikament Adderall und so habe ich mich an Freunde gewandt, die dieses Mittel aufgrund ihrer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung einnahmen. Schließlich lag meine Dosis bei 30 Milligramm täglich—hauptsächlich, um die Labor-Vorlesungen zu überstehen, denn die waren für mein Studium extrem wichtig. Als ich mich dann Schlaftests unterzog und mir mein Leiden offiziell diagnostiziert wurde, meinten die Ärzte zu mir, dass ich innerhalb von fünf Minuten im REM-Schlaf ankommen würde. Die meisten Leute brauchen dafür 90 Minuten. Dieser Umstand erklärte auch, warum ich selbst während kurzer Nickerchen richtig lebhafte Träume hatte.Mein Arzt verschrieb mir dann Modafinil, was mir auch erstmal gut weiterhalf. So blieb ich tagsüber die meiste Zeit wach und konnte meinen Abschluss machen. Wie bei Adderall ließ die Wirkung aber auch hier mit der Zeit nach und ich musste die doppelte Dosis einnehmen. Dadurch konnte ich nicht mehr wirklich klar denken und das Ganze brachte meinen nächtlichen Schlafrhythmus durcheinander. Und gegen bei meiner Kataplexie brachte das Medikament ebenfalls nichts. Um diese Zeit herum lachte ich über etwas, das meine Mutter zu mir gesagt hatte, brach daraufhin zusammen und musste ins Krankenhaus gebracht werden, weil ich mir beim Sturz die Lippe richtig heftig aufgeschlagen hatte.
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Mit 23 machte ich zwar meinen Abschluss, aber ich führte ein Leben, das eigentlich nicht mehr lebenswert war. Tagsüber schlief ich immer abwechselnd eine Stunde und war dann wieder zehn Minuten lang wach. Nachts war mein Schlaf dann total unruhig und unbeständig. Meine Träume waren sehr realistisch und lebhaft . Da diese Träume für mich Alltag waren, konnte ich quasi nicht mehr zwischen Realität und Fiktion unterscheiden.Außerdem litt ich dazu noch jede Nacht an Schlafparalyse. Dabei wacht zwar das Gehirn auf, der Körper jedoch nicht. Man kann nur die Augäpfel bewegen, aber nicht reden. Absolut furchtbar. Man hat den Eindruck, als würde man von irgendeiner Kreatur niedergedrückt werden.Ich fühlte mich zu dieser Zeit total einsam. Ich hatte keine Freunde und eine Beziehung war ein Ding der Unmöglichkeit. Es fiel mir schwer, etwas zu essen, und deswegen nahm ich extrem ab. Ich litt auch an Depressionen. Selbst ganz normale Dinge wie Duschen oder Aufräumen wurden total kompliziert. Es stand auch außer Frage, einen normalen Job anzunehmen.Wie und wann hast du dann von GHB bzw. Xyrem erfahren?
Eigentlich habe ich schon gewusst, dass man GHB zur Narkolepsie-Behandlung einsetzt, bevor mir überhaupt klar war, dass ich an dieser Krankheit leide. Ich weiß noch, wie ich im Drogenforum Erowid davon las und mir dachte, wie komisch es doch sei, dass man eine Schlafkrankheit mit einem Beruhigungsmittel bekämpft. Ich wollte das Ganze sogar mal ganz zwanglos ausprobieren, ging jedoch davon aus, dass ich aufgrund der ganzen Sache mit dem sexuellen Missbrauch sowieso nicht an die Droge kommen würde. Naja, letztendlich hat es dann ja doch geklappt—wenn auch nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte.
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Ich hatte Glück, denn ich konnte mir Xyrem verschreiben lassen, weil ich bereits an den Schlafstudien teilgenommen hatte und eine Krankenversicherung hatte. Die lebhaften Träume hörten auf und jetzt bin ich bis spät abends hellwach. Das war das letzte Mal während meiner Kindheit der Fall. Die erste Dosis nehme ich um 22:00 Uhr und um 22:30 Uhr bin ich dann eingeschlafen. Die nächste Dosis steht um 02:00 Uhr an. Die lässt mich bis 06:00 Uhr durchschlafen. Als ich das erste Mal lauthals lachte und mich meine Kataplexie nicht hat umkippen lassen, war ich außer mir vor Glück. Es ist schon verrückt, wie ein solch wesentlicher Bestandteil des Menschseins so niederschmetternde Konsequenzen haben kann. GHB ermöglichte es mir, mehrere Monate lang in einem Tierheim zu arbeiten. Im Grunde hat das Mittel mein ganzes Leben verändert.Mit neun Gramm pro Nacht konsumierst du richtig viel G. Wie sieht dabei der Rausch aus?
Ich freue mich immer darauf, mein GHB zu nehmen, denn die 20 Minuten vor dem Einschlafen fühlen sich richtig gut an. Anfangs bestanden meine zwei Dosen noch aus jeweils 2,25 Gramm [2,25 Gramm sind eine mittelstarke bis starke Dosis der Droge]. Das Ganze entspannte mich extrem und fühlte sich wie eine Mischung aus Trunkenheit und einem Ecstasy-Rausch an—also ziemlich gut. Dann schraubte ich die Dosis auf neun Gramm pro Nacht hoch. Zum Glück besitzt GHB eine sehr kurze Halbwertszeit—im Körper wird es zu CO2 und Wasser metabolisiert. Es ist also nichts mehr davon im Körper übrig, wenn ich die nächste Dosis einnehme.
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Verstärkte Angstzustände. Außerdem fühle ich mich irgendwie immer verkatert. Ich kann auch keinen Alkohol mehr trinken, denn es kann mich umbringen, wenn ich das Timing nicht mehr hinbekomme. Das ist doch ziemlich schwierig.Wie wird es in Zukunft für dich weitergehen?
Meine nun schon Jahre andauernde Narkolepsie hat mein Erinnerungsvermögen und meine Konzentration doch ziemlich kaputt gemacht. Außerdem bietet Xyrem keine Heilung—ich muss das Medikament für den Rest meines Lebens nehmen. Ich bin jedoch sehr froh darüber, mich endlich wieder normal zu fühlen. Andere Leute haben nicht so viel Glück wie ich und das Leid, das ich dir eben beschrieben habe, ist deren harte Realität.
Illegale Drogen zur DIY-Behandlung ist dabei kein neuartiges Konzept—man denke nur mal an die ganzen MS-Kranken, die schon seit Jahrzehnten Cannabis rauchen. Tausende Opiat-Abhängige aus den USA sind jetzt auch dazu übergegangen, sich illegalerweise Heroin zu besorgen, weil sich die Oxycodon-Pillen, nach denen sie süchtig sind, nicht mehr zum Zerstoßen und Schnupfen eignen.Es wäre jetzt keine Überraschung, wenn es da draußen tatsächlich einige Darkweb-GHB-Dealer geben würde, die das Leben von Narkolepsie-Patienten erträglicher machen. Durch die Risiken von GHB—es wirkt im Zusammenhang mit Alkohol zum Beispiel giftig—laufen verzweifelte Menschen, die ihre Behandlung selbst in die Hand nehmen, jedoch nicht nur Gefahr, im Gefängnis zu landen, sondern auch durch eine Überdosis zu sterben.*Name geändertNoisey: Bring your own Schlafsack: Robert Rich veranstaltet Konzerte zum Schlafen