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Grenzkontrollen

Drogenkonsum in E-Mail erwähnt – Frau darf nicht in USA einreisen

An der Grenze zu den USA durchsuchen Beamte das Handy einer Frau. Was sie in einer E-Mail lesen, bringt der 28-Jährigen ein lebenslanges Einreiseverbot ein.
Linkes Bild: Pexels.com

Chelsea nahm vor einem Jahr eine Überdosis Fentanyl, sie hatte es für Kokain gehalten. Doch sie überlebte. Nun darf sie nie wieder in die USA einreisen.

Im Juli hatte die Kanadierin versucht, von British Columbia aus in den US-Staat Washington einzureisen. US-Grenzbeamte durchsuchten das Handy der 28-Jährigen, die ihren Nachnamen nicht in den Medien lesen will. Dabei sahen sie eine E-Mail, in der sie sich mit ihrem Arzt über den Vorfall ausgetauscht hatte. Chelsea erhielt daraufhin ein lebenslanges Einreiseverbot in die USA.

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An der Grenze musste sie Fragen zu ihrem Drogenkonsum beantworten. Ihr Handy, das nicht passwortgeschützt war, sei mehr als zwei Stunden lang durchsucht worden, sagt sie. Danach befragte man Chelsea selbst. Sie gab schließlich zu, in der Vergangenheit illegale Drogen konsumiert zu haben, darunter auch Kokain.


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An der US-amerikanischen Grenze ist es bei Kontrollen erlaubt, elektronische Geräte, inklusive Handys, zu durchsuchen. Auch an der kanadischen Grenze sind Durchsuchungen ohne richterliche Anordnung zulässig – Verteidiger fordern schon lange, dieses fragwürdige Verfahren abzuschaffen.

"Es war total verrückt – ich konnte einfach nicht glauben, dass sie meinen Postausgang durchforstet und eine E-Mail von vor über einem Jahr herausgekramt haben, die ich an meinen Arzt geschrieben hatte", sagte Chelsea. "Es war echt demütigend und ich habe mich schrecklich gefühlt, mich deswegen rechtfertigen zu müssen."

Im Sommer 2016 hatte Chelsea versehentlich eine Überdosis Fentanyl genommen. Auf einer Geburtstagsfeier ihrer Freundin in einem Stripclub hatte ihr eine andere Freundin ein Päckchen mit einer Substanz angeboten. Chelsea hielt das Zeug für Kokain. Ihre Freundin starb am selben Abend an einer Überdosis, Chelsea überlebte nur knapp und kam in die Notaufnahme.

Als sie wieder zu Bewusstsein kam, stellte sie fest, dass sie an ihr Krankenhausbett geschnallt war, ihr T-Shirt war aufgeschnitten. Ärzte hatten sie mit dem Gegenmittel Naloxon wiederbelebt. Im Krankenhaus sagte man ihr, dass sie kein Kokain, sondern Fentanyl zu sich genommen hatte. Der Dealer, der an diesem Abend die Drogen verkauft hatte, hatte ebenfalls eine Überdosis erlitten und lag im Krankenhaus.

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Für Chelsea veränderte sich nach diesem Vorfall alles. Sie hatte früher gelegentlich mit Partydrogen experimentiert, aber nachdem sie fast gestorben wäre, schwor sie sich, nie wieder irgendwelche Drogen zu nehmen. Sie schrieb in den sozialen Medien öffentlich über ihr Horror-Erlebnis, um so vor den Gefahren von Drogen zu warnen und anderen Leuten mit ihrer Geschichte vielleicht das Leben zu retten.

"Bei diesen Fragen kamen mir dann echt die Tränen"

Ein Jahr später sollte ihr ein E-Mail-Wechsel zu dem Vorfall zum Verhängnis werden. Chelsea wollte mit ihrem Freund per Bus nach Washington reisen und dort bei einem Konzert der Deftones seinen Geburtstag feiern. An der Grenze wurden sie für eine zusätzliche Befragung beiseite genommen. Dabei entdeckten die Beamten die Nachrichten auf dem Smartphone.

Das Kuriose ist: Nach dem Vorfall mit der Überdosis war Chelsea bereits in die USA eingereist, im April 2017 war dabei sogar ihr Handy durchsucht worden. Als sie im Juli für eine zweite Befragung eingezogen wurde, ging sie zunächst davon aus, dass es sich um einen Fehler handelte.

Sie wurde nicht nur nach ihren Erfahrungen mit Drogen befragt. Die Beamten stellen auch Fragen zu einer vergangenen Beziehung, in der ihr Partner sie psychisch missbraucht hatte. "Bei diesen Fragen kamen mir dann echt die Tränen", erzählt Chelsea. "Das geht sie doch gar nichts an! Meine vergangenen Beziehungen? Was soll das?"

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"Wenn sie etwas finden, hat man im Grunde genommen die Arschkarte."

Ausschlaggebend für das lebenslange Einreiseverbot war, dass sie letztendlich zugab, illegale Drogen genommen zu haben. Hätte sie es geleugnet, hätte sie wegen Betrugs oder Falschaussage angeklagt werden können – die Beamten hatten ihr Handy ja bereits durchsucht und Beweise gefunden.

Len Saunders, ein Rechtsanwalt aus British Columbia, sagt, dass Beamte an einer US-amerikanischen Grenze "im Grunde tun können, was sie wollen". Seiner Erfahrung nach läuft das so: "Sie ziehen sich zurück und fischen stundenlang [auf dem Smartphone] nach belastenden Informationen", sagt Saunders. "Und wenn sie etwas finden, hat man im Grunde genommen die Arschkarte."

Saunders sagte, dass die Situation anders ausgesehen hätte, wenn Chelseas Handy mit einem Passwort geschützt gewesen wäre: In diesem Fall hätte sie sich weigern können, den Code einzugeben und so ihr Handy zu entsperren. Das hätte aber höchstwahrscheinlich ebenfalls dazu geführt, dass ihr an diesem Tag die Einreise verweigert worden wäre.

Um jemals wieder in die USA einreisen zu dürfen, muss sie eine nachträgliche Aufhebung des Beschlusses beantragen. Das kostet sie mehrere hundert Dollar, auf Chelsea kommen viel Papierkram und monatelanges Warten zu. Und auch die Aufhebung gilt nur für fünf Jahre, sie muss immer wieder neu beantragt werden.

"Ich verstehe, warum sie mir die Einreise verweigert haben … Aber es ist total ätzend, dass sie meine Geschichte, mit der ich andere vor dem Drogenkonsum warnen wollte, gegen mich verwendet haben", sagte Chelsea. "Welch eine Ironie."

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