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Wir haben mit den Aktivisten gesprochen, die das Mimimi-Plakat vor die türkische Botschaft in Berlin gehängt haben

„Wir verstehen den öffentlichen Raum als einen politischen Diskursraum. Er soll nicht nur als Ausstellungsfläche für H&M, McDonald's und VW dienen."

Dieses Plakat wurde heute 250 Meter vor der türkischen Botschaft in Berlin entdeckt. Fotos mit der freundlichen Genehmigung der Aktivistengruppe Dies Irae.

„Der Akt des Aufhängens ist recht unspektakulär. Das ist super einfach. Die Mimimi-Aktion war letztlich auch eine One-Man-Show. Kurz aufgemacht, reingehangen, Fotos und Tschüss! Dauerte keine fünf Minuten." Nur die Vorbereitung für die One-Man-Show brauchte dann doch etwas länger als nur fünf Minuten: „Die Plakate sind selbstgemalt. Wir malen alle von Hand. Pro Plakat dauert das schon so eineinhalb Stunden", erzählte uns ein Aktivist der Gruppe Dies Irae. Regelmäßig nutzen sie Werbeflächen und Plakate, um sie zweckzuentfremden und ihre eigenen Inhalte zu präsentieren:

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Screenshot: Facebook

„Wir verstehen den öffentlichen Raum als politischen Diskursraum. Dass der Akt des Aufhängens nicht legal ist, dessen sind wir uns schon bewusst und trotzdem sind wir entschlossen weiterzumachen, weil der öffentliche Raum eben nicht nur eine Ausstellungsfläche für H&M, McDonald's und VW sein sollte. Wir nutzen die Werbeflächen, um politischen Diskurs zu stimulieren, um ein Statement zu setzen."

Ein Statement haben Dies Irae heute definitiv gesetzt. Und zwar nur 250 Meter vor der türkischen Botschaft in Berlin. Dort tauschten sie in einem Werbekasten das ursprüngliche Plakat durch ihre von Hand geschaffene Version aus. Wie gesagt, es hat keine fünf Minuten gedauert, den richtigen Schlüssel hatten sie parat. Mit den Hashtags #mimimimi, #HumorloseKackbratze, #freeboehmi und #Satiredarfalles zeigten Dies Irae ihre Solidarität mit Böhmermann und sendeten via Facebook auch noch beste Grüße an Recep Erdoğan: „Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch".

Satire darf für Dies Irae alles, gerade in der jetzigen Lage, nur heißt dies nicht, dass sie auch alles umsetzten muss, was sie darf: „Also wir haben mit dem Hashtag #HumorloseKackbratze tatsächlich gezetert. Er ist eine Beleidigung und wir selbst finden auch, dass man so eigentlich nicht miteinander spricht. So geht man nicht miteinander um, auch nicht mit Politikern. Wir finden auch, dass das Wort „Ziegenficker" und das Gedicht geschmacklos sind, aber natürlich sind sie hier in einen besonderen Kontext eingebettet. Sie machen eine Debatte auf, die wichtig und zuträglich ist."

Geschmacklose Provokation als Sprache politideologischen Diskurses? „Satire darf das. Nur ob man es macht, ob man zu solchen Mitteln greifen möchte, muss jeder für sich selbst klarkriegen. Aber gerade als Politiker und Staatsminister sollte man solche Aktionen auch aushalten können."

Andererseits bedauern die Aktivisten von Dies Irae, dass sich der Fokus zu sehr auf die Causa Böhmermann und weg von der Causa Erdoğan verschoben hat: „Der extra 3-Beitrag-Beitrag hatte noch eine viel breitere, politische Botschaft. Wir finden es schade, dass das so untergeht. Wollen uns viel lieber darüber unterhalten, dass Erdoğan Twitter abschaltet, wenn es Aufbegehren aus dem Volk gibt, dass ihm Großteile der Medien in der Türkei gehören und dass auch irgendwie unklar ist, wie er jetzt mit dem Flüchtlingsdeal umgehen will? Wir würden uns wünschen, dass sich die Minister lieber um die Lage der Geflüchteten kümmern als einen diktatorischen Staatspräsidenten, der sich auf den Schlips getreten fühlt."

Natürlich hängt das Eine auch irgendwie mit dem Anderen zusammen—ein entspanntes, diplomatisches Verhältnis vereinfacht auch die Einflussnahme auf die Flüchtlingspolitik des Bündnispartners; aber all das ist nur schwer auf einem einzigen Plakat unterzubringen. Zum Glück haben die Aktivisten von Dies Irae genügend fähige Hände und schließen weitere selbstgemalte Plakate nicht aus. Wir freuen uns schon drauf.

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