Rassismus

People of Color erzählen von rassistischen Übergriffen auf der Straße

"Ich bin vor einem Geschäft zusammengebrochen, weil ich diesen grundlosen Hass und Rassismus nicht mehr ertrage." – Nayla*, 26
Mann bedeckt sein Gesicht mit der Hand
Foto: imago | Westend61

Machtlos, entwürdigt und nicht selten traumatisiert: So beschreiben People of Color, was rassistische Übergriffe mit ihnen machen. Es sind gewaltvolle Einschnitte in den Alltag – auf dem Weg zur Arbeit oder zum Kindergarten, mit dem Kind an der Hand, beim Geld abheben, selbst beim Bäcker.

Erst Ende März ging ein Video viral, das einen rassistischen Vorfall in Wien festhält. Eine in Wien lebende Designerin, die ein Kopftuch trägt, wird in dem Video wüst von einer älteren Frau beschimpft und bespuckt. Geteilt hat das Video die Aktivistin Asma Aiad, es zählt über 300.000 Abrufe auf Facebook und wurde Tausende Male geteilt. Das mediale Interesse war groß, selbst der sonst so stille Bundeskanzler Sebastian Kurz meldete sich zu Wort und verurteilte den Angriff.

Anzeige

Aber wie viele Fälle gibt es, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen? Die Dokumentations- und Beratungsstelle "Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus" präsentierte vergangene Woche einen Rassismus-Report für 2018. Der Report weist 540 antimuslimische, rassistische Handlungen auf, 2017 lag diese Zahl bei 309. Der Angriff auf die junge Frau war also kein Einzelfall. Wir haben mit People of Color über ihre rassistischen Erlebnisse in Österreich gesprochen:

Nayla*, 26

Frau posiert

Foto: privat

"Mein Freund und ich waren gemeinsam auf dem Weg zur Arbeit und machten einen Zwischenstopp beim Bäcker, um Frühstück zu besorgen. Beim Aufgang der U-Bahn-Station stand eine alte Frau, sie hat mehrmals: 'Scheiß Ausländer-Gsindl, gehts hackln' (sic!) gerufen, als sie uns kommen sah.. Ich habe dann zurück gemault, dass wir gerade auf dem Weg zur Arbeit sind und sie uns in Ruhe lassen soll. Sie hat uns weiter beleidigt und ist um uns herumgeschlichen, bis eine Bekannte von ihr kam und sie gemeinsam gegangen sind.

Nach dem Vorfall war ich in Schockstarre. Ich bin vor einem Geschäft zusammengebrochen, weil ich diesen grundlosen Hass und Rassismus nicht mehr ertrage."

Muhammed, 33

Mann posiert mit Fez

Foto: privat

"Ich saß vor ein paar Wochen in einem fast leeren Bus, auf dem Sitz neben mir lag mein Rucksack. Eine ältere Frau ist auf mich zugekommen, also habe ich den Rucksack auf meinen Schoß gelegt. Sie hat sich zu mir gesetzt und mich immer wieder von der Seite angesehen und den Kopf geschüttelt. Nach zwei Stationen hielt ich es nicht mehr aus und habe sie gefragt, ob sie lieber am Fenster sitzen möchte. Daraufhin meinte sie: 'Normalerweise müssens aufstehen, wenn ich komme'. Ich hab höflich nachgefragt, was sie damit denn meint. 'Na gonz afoch, mein Land und do entscheid i' (sic!). Danach hat sie mich als 'scheiß-Kameltreiber' bezeichnet und gesagt, ich solle 'Heim' fahren. Außerdem hat sie mir unterstellt, dass ich ohne gültiges Ticket fahre. Vorfälle wie dieser sind der Grund, warum ich mittlerweile nur noch mit dem Auto zur Arbeit fahre."

Anzeige

Luise, 22

Frau fotografiert

Foto: privat

"Meine Familie kommt aus China, ich wurde allerdings in Österreich geboren. Als ich bei einem Bankomaten Geld abheben wollte, kam mir eine Frau mit einem kleinen Hund entgegen. Ich fand den Hund total süß – ich mag Hunde generell sehr und habe ihn daher angelächelt. Das hat der Frau gar nicht gepasst, sie wurde ziemlich wütend und meinte:
'Wie unverschämt von Ihnen, das ist ja kein Straßenköter'. Dann hat sie mir noch unterstellt, dass ich wenig Disziplin habe, wenn ich ihren Hund so ansehe. 'Wollen Sie ihn essen?', hat sie mich abschließend noch gefragt. Ich war mir zunächst nicht sicher, ob sie einen Witz macht oder ob das ihr Ernst ist. Aber asiatische Menschen müssen sich oft anhören, dass sie Hunde essen."

Stephanie, 36

Frau mit Kopftuch

Foto: privat

"Ich war mit meinem Auto in der Grazer Innenstadt unterwegs, an einer großen und stark befahrenen Kreuzung hatte ich Vorrang und bin deswegen losgefahren. Ein Mopedfahrer hat meinen Vorrang ignoriert, ich konnte gerade noch bremsen und einen Zusammenstoß verhindern. Daraufhin hat der Fahrer auf die Motorhaube meines Wagens geschlagen und durch mein offenes Fenster geschrien: 'Du scheiß Iraner-sau, schleich dich Heim, wenn du mit unseren Verkehrsregeln nicht zurecht kommst!'"

Alexander, 28

Mann am See

Foto: privat

"Meine Freundin und ich waren gerade auf dem Weg nach Hause von unserem Jahrestagsessen. Als wir in die U-Bahn eingestiegen sind, hat sich ein Mann immer wieder zu mir umgedreht und irgendwas gemurmelt. Ich habe es erst nicht verstanden und habe ihn deswegen gefragt, ob er mit mir redet. Daraufhin stand er auf und ging auf meine Freundin zu. 'Ich mag keine Muslime, ich bin Templer', meinte er in sehr schlechtem Deutsch. Danach hat er ein paar mal den Hitlergruß gemacht und 'Heil Hitler' geschrien.

Anzeige

Als wir ihm gesagt haben, dass er uns in Ruhe lassen soll, ist er aggressiv geworden. Erst hat er meiner Freundin ins Gesicht gespuckt, dann hat er versucht, mich zu würgen und mir den Arm zu brechen. Das alles ging so schnell. Hätten sich einige Fahrgäste nicht eingemischt, hätte die Sache noch viel schlimmer enden können. Als wir bei unserer Station ausgestiegen sind, hat der Mann noch einmal randaliert und gegen die Tür getreten. Meine Freundin hatte seinetwegen eine Zeit lang Panik, mit der U-Bahn zu fahren – sie hatte Angst, dass sie ihm noch einmal alleine begegnet."

Daniela, 32

"Ich war gerade mit meinem fünfjährigen Sohn unterwegs, wir haben einen Zebrastreifen überquert. Beim letzten Drittel fuhr eine Frau trotz Blickkontakt mit ihrem Auto ganz knapp an unseren Füßen vorbei. Ich habe ihr mit der Hand gedeutet, was das soll. Daraufhin blieb die Fahrerin bei einer Einfahrt am Gehsteig stehen und begann, uns aus dem Auto heraus zu beschimpfen. 'Du Depperte, schleich dich zurück, wo du herkommst. Mir reichts von euch', hat sie geschrien. Ich habe ihr mit der Polizei gedroht und gesagt, dass mein Sohn bezeugen kann, was passiert ist. 'Weil der ja Deutsch kann', sagte sie dazu.

Als Nächstes ist sie aus dem Auto gestiegen und kam drohend auf uns zu, während sie 'was wüst du, was wüst du?' (sic!) gerufen hat. Sie bäumte sich direkt vor mir auf, hat mich sogar berührt. Ich hatte wirklich Angst, dass sie gleich zuschlägt. Ich habe die Polizei verständigt, die haben mir aber zu verstehen gegeben, dass man da nichts machen kann."

*Namen von der Redaktion geändert

Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.