Die Geheimnisse des besten Eismachers von Paris

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Eisherstellung

Die Geheimnisse des besten Eismachers von Paris

„Für mich ist ein echter Eis-Fan jemand, der sich auch im kalten Winter eines holt und nicht erst wartet, bis es draußen warm ist.“

„Wir sindein richtiger Familienbetrieb. Alles wird noch genau so gemacht, wie mein Großvater es uns Schritt für Schritt beigebracht hat. Vor allem geht es um das Produkt", erzählt Muriel Dulpuech, die Enkelin von Raymond Berthillon und mittlerweile Leiterin des berühmten Eisladens auf der Île Saint-Louis in Paris. „Wer sein eigenes Produkt nicht isst, ist für mich ein Idiot", fügt ihr Vater, Bernard Chauvin, hinzu.

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Als ausgebildeter Eismacher weiß er, wovon er redet: Seit 1968 bedient er die Eismaschinen im Berthillonzuerst zusammen mit seinem Schwiegervater, dann mit seinem Sohn Lionel. Mit großer Sorgfalt wählen beide ihre Zulieferer aus und besuchen sie auch gelegentlich, um zu sehen, wie die Früchte angebaut werden, die sie zu wundervollem Eis verarbeiten.

Die „Berthillon-Saga" hat ihren Anfang bereits einige Jahre bevor Bernard ins Unternehmen kommt: Als 1954 sein Schwiegervater starb, hat Raymon Berthillon, eigentlich Bäcker, alles stehen und liegen gelassen und das Familienhotel mit Brasserie übernommen. Da ihm Kaffee jedoch nicht so lag, verbrachte er seine Zeit lieber in seinem kleinen „Labor"—mit einem Ofen und einer Eismaschine—und werkelte an Sorbetrezepten..

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Seine ersten Kunden waren die Kinder aus der Schule in der Nähe: Nach dem Unterricht kämpften sie um den vordersten Platz in der Schlange vor der Eistheke, die direkt auf dem Fußweg stand. Am Wochenende kamen sie dann mit ihren Eltern noch mal und „eines Tages kamen auch ein gewisser Monsieur Gualt und ein Monsieur Millau zum Probieren vorbei. Ihnen gefiel es und sie schrieben über uns. So hatalles angefangen", erzählt uns Muriel mit einem Lächeln.

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Sie und ihr Vater sind sich einig: Die Franzosen sind nicht unbedingt Eis-Aficionados. „Für mich ist ein echter Eis-Fan jemand, der sich auch im kalten Winter eines holt und nicht erst wartet, bis es draußen warm ist", meint Bernard. Täglich verlassen gut 1.000 Liter Eiscreme die kleine Küche, verkauft werden sie entweder vorne im Laden oder an 140 Restaurants und Brasserien, die das Berthillon-Eis auf ihrer Karte anbieten.

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Diese „Partner" sind alle in Paris oder zumindest in der Region Île de France, außer zwei: „Das Chez Sénéquier in Saint-Tropez und ein Hotel von der Familie meines Vatersim Département Jura", erklärt die Geschäftsführerin.Alles dreht sich immer um die Familie.

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Das Eis von Berthillon macht süchtig, auch weil jede der über 70 Sorten zeigt, wie besessen sie von heraussragenden Produkten sind. Muriel erklärt: „Uns ist es wichtig, dass wir alles selbst machen. Für das Karamell-Eis machen wir nicht nur die Eisbasis, sondern auch das Karamell; für das Pistazieneis verwenden wir ganze Pistazien, die wir erst hacken und dann rösten. Das heißt, dass das Eis jeden Tag unterschiedlich schmecken kann, denn hier sind noch echte Menschen am Werk und wir verwenden keine Stabilisatoren oder Emulgatoren."

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Am Ofen und an der Eismaschine stehen der Bruder und der Vater der energiegeladenen 40-Jährigen.Ihr Tag beginnt um drei Uhr morgens und endet kurz vor Mittag, wenn die gut zehn Mitarbeiter gemeinsam essen. Bei Berthillon bleiben Traditionen erhalten—dazu gehört vor allem auch eine gemeinsame Reise ins Departement Aveyron.

Lange Zeit haben sich die Eismacher den Luxus gegönnt, ihren Laden für zwei Monate im Sommer zu schließen, um als Familie in Mur-de-Barrez neue Kraft zu tanken. „Heute schließen wir nur einen Monat, fahren aber immer noch in denselben Ort", meint Muriel. „Genauso im Februar oder an Allerheiligen."

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Zur Tradition des Hauses gehört es auch, dass sie dem Handwerk treu bleiben, auch wenn alle anderen ihr Eis mit zu viel Zucker und Konservierungsstoffen machen und dem Geschmack nur noch einen geringeren Wert beimessen. In einer Branche, wo Markenentwicklung und wirtschaftliche Einschränkungen manchmal vor Geschmack oder Ethos kommen, wirkt das Berthillon wie ein Anachronismus.

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Vielleicht am besten wird dieses alte Handwerk durch das Sorbet aus wilden Erdbeeren symbolisiert, seit fast 60 Jahren eine Spezialität des Hauses. Dieser besondere Geschmack wurde Ende der 50er kreiert und ist mittlerweile zu einer Legende geworden. Damals hat Raymond Berthillon jeden Morgen auf dem Großmarkt in Les Halles frische Zutaten eingekauft und brachte eines Tages mit seiner Schubkarre frische Walderdbeeren in den Laden. Er bekam einen deftigen Anschiss von seiner Frau Aimée-Jeanne, die für die Finanzen zuständig war und wusste, wie teuer diese Erdbeeren waren. Für sie war das nur verschwendete Zeit und Geld—bis sie das Eis probierte.

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„Ein Eis aus Walderdbeeren zu machen ist kompliziert: Diese kleinen Früchte sind aufwendig zu verarbeiten und man muss all die Kerneentfernen", erklärt uns Muriel. Das Sorbet war jedoch sofort ein Erfolg und der Walderbeergeschmack wurde ein Klassiker des Hauses. „Ein Kilo Erdbeeren kostet 16 bis 18 Euro. Sie sind so rar und teuer, es rentiert sich nicht, aber es ist unsere Spezialität, die beliebteste Eissorte. Wenn wir damit aufhören, gehen die Menschen auf die Barrikaden", meint Muriel lachend.

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Die raren Früchte werden einmal pro Woche (zweimal in der Hochsaison) per Flugzeug aus Malaga angeliefert. „Vor ein paar Tagen hat ein Kunde eine Packung Walderdbeereis zurückgebracht, weil er einen kleinen Wurm darin gefunden hatte. Er beschwerte sich, er hätte sich vergiften können. Wir verlangen von unseren Zulieferern, dass sie mit so wenig Pestiziden wie nur möglich arbeiten, da kann so etwas passieren. Aber das ist nicht gefährlich für die Gesundheit, sondern einfach nur natürlich."

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Jeder Geschmack hat seine eigene Geschichte, eine kleine Anekdote über Raymond Bathillons Schubkarre, Lionels Inspirationen oder Bernards Erfindungen. „Wir versuchen jede Frucht in ihrer Komplexität zu respektieren und es uns nicht zu einfach zu machen, indem wir sie in Zucker ertränken. Am schönsten für mich ist es, wenn ich sehe, wie einer unserer Kunden unser Johannisbeereis isst, und er sich dabei vorstellt, wie er die kleinen Beeren erntet und nascht." Auf seine Worte lässt Bernard Taten folgen und bietet allen ein paar Kostproben der Klassiker an: Kirschsorbet, das er für mehr Säure mit ein paar Kernen zubereitet, ein Sorbet aus weißen Pfirsichen, frisch und leicht zugleich, und eine Kreation aus Mango mit unvergleichlicher Cremigkeit.

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Und dann kommt noch der Verkaufsschlager: Vanilleeis. Jeden Tag müssen allein von dieser Sorte 200 Liter hergestellt werden. Das Eis, das mit Vanilleschoten aus Madagaskar, Papua-Neuguinea und Tahiti gemacht wird, ist mit Abstand die Lieblingssorte des Herrn des Hauses. Daran kann man, seiner Meinung nach, das Können eines Eiscremeherstellers messen.

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Auch wenn einige Grundsorten immer gegessen werden, lässt sich Bernard nicht davon abhalten, bei jeder Gelegenheit neue Rezepte auszuprobieren. „Vor ein paar Jahren schwärmte meine Frau von einem Fischgericht mit einer Ananas-Basilikum-Sauce. Als ich dann versuchte daraus ein Eis zu machen, wurde sie richtig sauer—es schmeckte zu sehr nach Basilikum und zu wenig nach Ananas. Ich habe zwar eine Weile gebraucht, aber jetzt sind die Aromen perfekt."

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Von den Menschen aus Aveyron sagt man, sie seien stur—Raymond Berthillon hat diese Tugend scheinbar an seine Kinder und seinen Schwiegersohn weitergegeben. Bei Berthillon wird sich wohl nichts verändern.

Und das ist auch gut so.

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Französisch bei MUNCHIES FR.