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Frauenfußball

Ändert Frauenfußball eigentlich irgendwas?

Die Frauen-EM ist ein Politikum, weil bisher männlich dominierte Rollen endlich von Frauen verkörpert werden. Aber welche Auswirkungen hat das wirklich?
Foto: ORF Sport

"Heimat seid's ihr großer Töchter. Des muss man jetzt wirklich einmal sagen", hat der Mann gesagt, von dem man es am wenigsten erwartet hätte. "Herzlichen Glückwunsch, meine Madln mit die noch knackigeren Wadln, zum Viertelfinal-Einzug. Die Nation ist stolz auf euch. Und euer Volks-Rock-'n'-Roller auch. Weiter so!", sagt Andreas Gabalier in einem Facebook-Video, das Krone und Standard als "Sinneswandel" verstehen. Und ja, das ist schon bemerkenswert. Jahrelang hat Gabalier diese fünf Wörter nicht über die Lippen gebracht. Heimat seid's ihr großer Töchter.

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Mal davon abgesehen, dass Gabalier das Video mittlerweile gelöscht hat (auf Twitter ist es noch online), und er mit den "knackigeren Wadln" beweist, dass er das mit den Frauenrechten noch immer nicht so ganz verstanden hat, muss man fragen: Was zum Teufel? Die ganzen intellektuellen Debatten mit und über ihn, die tausenden Kommentare und die immer wieder vorgebrachten Fakten waren allesamt nutzlos. Und dann kommen elf Frauen ins Viertelfinale, die einem volkstümlichen Patriarchen einen inklusiven Heimatbegriff abringen.

Am Kongress der Europäischen Volkspartei 2014 hat Bono von U2 gesagt: "Europe is a thought that needs to become a feeling." Vielleicht trifft das ja auch hier zu. Vielleicht kann man Feminismus nicht nur über Denken, Reden und Debattieren vermitteln, sondern auch über Gefühle. Dass man die Debatte positiv emotionalisieren, eine Heldengeschichte erzählen muss. Und es wäre ja nicht so, als wäre das noch nie passiert.

Denken wir an den Eurovision-Erfolg von Conchita Wurst, der nicht nur europaweit mitverfolgt wurde, sondern auch weltweit diskutiert wurde. Conchita zierte den New York Times Square, sie ließ russische Politiker vom "moralischen Verfall des Westens" schwafeln.

"Ich glaube, dass die Wahrnehmung durch solche Events verändert werden kann"

Sie war extrem bedeutend für sexuelle Minderheiten, sagt der australische Historiker Dean Vuletic, der an der Uni Wien zum ESC und seiner politischen Bedeutung forscht. "Der ESC hat weniger Einfluss auf die Politik. Er spiegelt sie viel mehr wieder", so Vuletic, "der ESC ist eine Metapher für Veränderung, aber eigentlich nie der Auslöser dafür". So hätten viele Beobachter 2012 gehofft, dass die Eurovision die Demokratisierung in Aserbaidschan vorantreibt. So hätten viele Beobachter 2014 gehofft, dass der Sieg von Conchita Wurst zu einer Öffnung der Ehe für alle in Österreich führt. Beides ist nicht passiert.

Die politische Dimension des ESC besteht also darin, die soziale, sexuelle und gesellschaftliche Veränderungen jährlich in den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern Europas (und darüber hinaus) abzubilden. "Ja, ich glaube, dass die Wahrnehmung durch solche Events verändert werden kann", sagt Vuletic – auch, wenn man die Frauenfußball-EM nicht mit der Reichweite des Songcontests vergleichen könne.

Die Parteien haben die Fußball-EM jedenfalls als Positiv-Thema für den Wahlkampf entdeckt. Gratuliert haben mittlerweile von Heinz-Christian Strache linkswärts alle. Wie viel davon Scheinwelt ist, wird man den realen Veränderungen sehen können. Aufholbedarf gäbe es in der Frauenpolitik jedenfalls genug: Die deutschen Spielerinnen bekommen zum Beispiel nur ein Achtel der EM-Prämie ihrer männlichen Kollegen.

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