Drogen

Mehr Gras, weniger Koks: Wie die Pandemie den Drogenkonsum verändert

Dank der weltweit größte Drogenumfrage wissen wir jetzt auch, ob sich Dealerinnen und Dealer an Hygieneregeln halten.
Zwei Tüten mit Drogen liegen auf einer Deutschlandfahne, die Teilnehmenden der Global Drug Survey gaben an, wie sich ihr Drogenkonsum in der Pandemie verändert hat
Foto: VICE

Die Corona-Pandemie zeigt, dass es unterschiedliche Wege gibt, mit einer Krise umzugehen. Manche nutzen die Zeit, um ihre Wohnung mit Zimmerpflanzen vollzustellen. Andere nehmen einfach richtig viel Crystal Meth. Letzteres ist eines von vielen Ergebnissen der Global Drug Survey. Die weltweit größte Umfrage zum Drogenkonsum findet jährlich statt. Jetzt hat sie in einer Sonderausgabe erstmals untersucht, wie die Menschen in der Pandemie mit Alkohol und Drogen umgehen. Das Team um den britischen Suchtexperten Adam Winstock analysierte die Daten von fast 60.000 Teilnehmenden aus 20 Ländern, fast 26.000 davon aus Deutschland.

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Die Umfrage des Instituts mit Sitz in London spricht gezielt Menschen an, die psychoaktive Substanzen konsumieren. Damit ist sie nicht repräsentativ. Aber sie zeigt, was sich in Krisenzeiten bei Menschen ändert, die Drogen nehmen.


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Die Befragung fand zwischen Mai und Juni statt, also in einer Zeit von Kontaktbeschränkungen, abgesagten Großveranstaltungen, geschlossenen Clubs und Restaurants.

Weniger Ecstasy im Club, mehr Meth zu Hause

Hygienestandards scheinen im direkten Kontakt zwischen Dealenden und Konsumierenden nicht so wichtig zu sein. Nur bei sieben Prozent trug der Dealer einen Mundschutz oder Handschuhe, aber immerhin 16 Prozent der Konsumierenden wuschen oder desinfizierten sich nach ihrem Einkauf die Hände.

Clubs, Raves und Festivals müssen diesen Sommer Pause machen und das spiegelt sich auch im Drogenkonsum der Befragten wider. Partydrogen waren in den letzten Monaten weniger gefragt. Jeweils etwa ein Drittel kokste weniger, zog weniger Speed und nahm weniger GBL und GHB. MDMA und Ecstasy klinkten sich die Teilnehmenden sogar fast vierzig Prozent seltener. Über 80 Prozent der Kokain- und MDMA-Konsumierenden gaben an, es hätten sich in letzter Zeit einfach weniger Gelegenheiten für den Konsum ergeben. Andere hatten keine Lust darauf, sich zu Hause Lines zu legen. Ein Viertel aller Kokain-Konsumierenden hatte sich vorgenommen, in der Pandemie gesünder zu leben.

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Den größten Anstieg im Konsum gab es dagegen bei Drogen, die man seltener auf Dancefloors findet. Bei Meth und Benzos stieg der Konsum um jeweils etwa ein Drittel, bei THC-haltigem Cannabis um fast vierzig Prozent. Jeder Zweite kiffte mehr aus Langeweile und jeder Dritte, weil ihre Partnerinnen oder Partner jetzt mehr Zeit haben, um mitzumachen.

Die Forscherinnen wollten wissen, ob es in der Pandemie schwieriger ist, an Drogen zu kommen. Eindeutig beantworten konnte die Umfrage das nicht. Etwas mehr als die Hälfte der Befragten fand, die Verfügbarkeit sei zurückgegangen, der Rest hat keinen Unterschied festgestellt. Ein paar wenige berichteten, sie hätten jetzt leichter Zugang. An der Reinheit und der Auswahl hat sich für die meisten Befragten nichts geändert. Nur ein Prozent musste auf eine andere Droge ausweichen, weil die gewünschte nicht zu kriegen war.

Viele trinken mehr Alkohol aus Langeweile – und wegen Trinkspielen in Videochats

Warum trinken Menschen Alkohol? Manchmal einfach, weil sie gerade nichts Besseres zu tun haben, zeigt die Umfrage. Jeder dritte Studienteilnehmende, der angab, Alkohol zu trinken, trinkt seit Beginn der Pandemie häufiger. Ein Drittel aus Langeweile und fast 40 Prozent, weil sie jetzt mehr Zeit dafür haben. Andere gaben an, ihr Pensum hochgeschraubt zu haben, weil sie sich einsam oder deprimiert fühlen (jeweils 18%), sie die Gesamtsituation stresst (22%) oder sie öfter an Trinkspielen in Videomeetings teilnehmen (19%).

Was manchen Menschen als bourgoises Wochenendhobby gilt, wurde für einige Befragten in der Pandemie zum Alltag: Daydrinking. Ein Viertel der Teilnehmenden erklärte, dass sie sich das erste Getränk jetzt früher am Tag genehmigen als vor der Pandemie. Das hat Konsequenzen: Bei fast jedem Dritten wirkt sich der Mehrkonsum negativ auf die physische Gesundheit aus. Fast 40 Prozent wollten ihren Konsum wieder drosseln und in den 30 Tagen nach der Studie wieder weniger trinken.

Aber nicht alle versuchen, ihren Lagerkoller mit Alkohol zu kurieren. Etwa ein Viertel der Teilnehmenden trinkt sogar weniger als vor der Pandemie. Vor allem, weil sie weniger Zugang zu den Bars, Clubs oder anderen Orten haben, und weil sie nicht so gern zu Hause trinken.

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