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Hat Facebook bei Christoph Mörgeli wirklich richtig entschieden?

Facebook löschte das Profil von Christoph Mörgeli und macht diesen so zum Märtyrer der Meinungsfreiheit.
Foto: Peter Massas

Weibliche Nippel werden gelöscht, Fremdenfeindlichkeit geduldet—das ist in der Regel die automatische Lösch-Politik von Facebook. Was zum einen aus Sicht der automatischen Erkennung durchaus Sinn ergibt, ist zum anderen ein ernsthaftes Ärgernis für viele, die durch hetzerische Postings die Community-Richtlinien verletzt sehen, aber sich ungehört fühlen.

Gestern setzte der blaue Riese aber das Profil des SVP-Nationalrats Christoph Mörgeli in die digitale Time Out-Ecke. Der Auslöser war wohl, dass Mörgeli vor einigen Tagen dieses Bild gepostet hatte:

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Das Bild sorgte für einigen Aufruhr. Zahlreiche Facebook-Pages teilten es. Die Kommentare unter den Postings deckten das gesamte Spektrum von „primitiv und geschmacklos!" bis zu „das ist Meinungsfreiheit!" ab. So ziemlich alle Medien schrieben darüber, dass es sich bei den Menschen auf dem Bild ja eigentlich um albanische Flüchtlinge aus den 90er-Jahren handle, dass genau dieses Bild auch schon von der NPD und anderen Neonazi-Gruppierungen zur Stimmungsmache auf Facebook missbraucht wurde und dass Mörgelis Posting grundsätzlich schon total geschmacklos sei.

Und sie alle haben recht. Ein Politiker, der mit einem überfüllten Flüchtlingsschiff auf die Toten im Mittelmeer anspielt und damit Stimmung zu machen, ist absolut daneben—dass Ex-Professor Mörgeli eigentlich ein gebildeter Mann ist, kommt noch dazu. Auch inhaltlich hat das Bild kaum was mit der Botschaft, die Mörgeli vermitteln will, zu tun. Und schon ganz grundsätzlich: Wer mit denselben Inhalten arbeitet wie die NPD, muss ein ziemliches Arsch sein. Trotzdem haben sie in der Welle der Empörung etwas nicht gesehen.

Viele User störten sich dementsprechend an Mörgelis Posting und meldeten es bei Facebook—anscheinend mit Erfolg. Ich weiss zwar nicht, warum Mörgelis Profil gelöscht wurde. Ob es wegen dem Inhalt des "Das Boot ist voll"-Postings war, wegen der Anzahl an Meldungen bei Facebook oder weil Mörgeli sonst irgendeinen Scheiss gebaut hat. Ich weiss nur: Das Profil war weg.

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Das Facebook-Profil von Christoph — conradin knabenhans (@conradion)1. September 2015

Und schon wieder gab es einen Aufruhr um Mörgeli. Das Internet machte, was es am besten kann und lachte fleissig über seinen Ausflug in die Time Out-Ecke. Die Medien rätselten, warum das Posting nun gelöscht wurde, wo Facebook doch sonst viel mehr gegen Nippel (im wortwörtlich Sinn) als gegen Arschlöcher (im übertragenen Sinn) hat. Und die SVP-Fans schrien mit noch mehr Ausrufezeichen nach der Meinungsfreiheit.

Nur einer beobachtete die ganze Sache höchstwahrscheinlich mit einem immer breiter werdenden Grinsen: Christoph Mörgeli. Er brauchte nur einen Klick und die „Gutmenschen" und Medien tobten—und handelten damit genau nach der Rolle, die die SVP für sie vorgesehen hat: Die „Gutmenschen" und die Medien sind gegen die SVPlerischern Kämpfer für Gerechtigkeit und darum sind sie die Bösen. Und die Bösen hacken mit all ihrer Macht ständig auf uns SVPler ein und die SVP kann nichts dagegen tun. Die Sonnenpartei wird zum guten Opfer, die Medien und „Gutmenschen" zu den bösen Tätern. Dass das natürlich nicht stimmt, ist egal. Populismus arbeitet schliesslich nicht mit Fakten, er arbeitet mit Emotionen.

Mittlerweile ist Mörgelis Facebook-Profil wieder online. In einem Statement nennt er als Grund dafür, dass sein Profil weg war, einen Angriff auf die Medienfreiheit. Er bedankte sich bei Facebook und allen, die ihm in dieser schweren Zeit beigestanden haben. Was er nicht schreibt: Er wurde dank dem Aufruhr zum Märtyrer der Meinungsfreiheit, den die mit schlechten Memes und Ausrufezeichen um sich schmeissenden Rechten gebraucht haben. Die Kommentare unter seinem Posting sprechen für sich.

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Titelfoto: Peter Massas | Flickr | CC BY-SA 2.0