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Rassismus

Liam Neesons Rachefantasie gegen Schwarze Männer ist kein Ausrutscher

Der Schauspieler wollte einen Unschuldigen umbringen – wegen seiner Hautfarbe.
Liam Neeson vor einer Graffiti-Wand
Liam Neeson in einer seiner Kinorollen || Foto: imago | Cinema Publishers Collection

Es gibt Situationen, die so schrecklich sind, dass man vorher nicht weiß, wie man darauf reagieren wird. Auch der Schauspieler Liam Neeson wurde vor fast 40 Jahren laut eigener Aussage davon überrascht, mit wie viel Hass er auf die Vergewaltigung einer Freundin reagierte. Im Interview mit dem Independent erzählte der 66-jährige Schauspieler, er habe sich für die Betroffene rächen wollen. Das Problem: Seine Wut richtete sich nicht gegen den Täter, sondern gegen eine ganze Gruppe von Menschen: Schwarze Männer.

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Liam Neeson wollte eigentlich seinen neuen Film promoten. Am Ende teilte er eine Anekdote, für die manche Medien ihm nun das Ende seiner Karriere prophezeien. Neeson erzählte, seine Bekannte habe die Vergewaltigung seiner Meinung nach in "bemerkenswerter Weise" aufgefasst. Doch als sie ihm sagte, sie wisse vom Täter nur, dass er Schwarz sei, rastete der Schauspieler aus: "Ich lief die Straßen mit einem Totschläger rauf und runter und habe gehofft, dass ich auf jemanden treffe", sagt Neeson im Interview. "Ich schäme mich, das zu sagen - und ich habe das vielleicht eine Woche gemacht –, aber ich hoffte, dass ein 'schwarzer Bastard' aus einer Kneipe kommt und mich provoziert, so dass ich ihn …", an dieser Stelle macht Neeson eine Pause, "… töten könnte."

Noch im Interview beschreibt Neeson seine Reaktion mehrfach als "schrecklich". Er habe sich nach etwa anderthalb Wochen zusammengerissen und seine Lektion gelernt, sagt er.


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Den Reaktionen in Sozialen Netzwerken zufolge ist das Thema damit für viele Leute erledigt. Der Tenor: Hey, Neeson hat sich für sein problematisches Verhalten und auf Rassismus in der Gesellschaft hingewiesen und mit einem katholischen Priester über die Sache gesprochen, Letzteres hat er zumindest in einem neueren Interview erzählt. Die Geschichte sei außerdem rund 40 Jahre her.

Auf Facebook schreiben einige Nutzer und Nutzerinnen sogar, sie könnten Neesons Emotionen nachvollziehen. Und ja: Eine Vergewaltigung macht wütend, schrecklich wütend. Doch es ist gibt einen Unterschied zwischen genereller Wut und dem konkreten Plan, einen beliebigen Menschen nur deswegen umzubringen, weil ein anderer Mann mit der gleichen Hautfarbe ein Verbrechen begangen hat.

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Viele ziehen Parallelen zwischen Neesons Geschichte und rassistisch motivierter Gewalt

Für viele Schwarze Menschen sind Lynchmorde, Selbstjustiz und Racial Profiling keine heikle Anekdote in einem Interview, sondern eine reale Gefahr. Am Dienstag schrieb eine Schwarze Userin auf Twitter: "Liam Neeson war ein George Zimmerman, der keinen Trayvon Martin gefunden hat."

Der Nachbarschafts-Wachmann Zimmerman hatte den damals 17-jährigen Afroamerikaner Martin im Februar 2012 erschossen, als dieser unterwegs zum Haus der Partnerin seines Vaters war. Audioaufnahmen eines Telefonats mit der Polizei zeigten, dass Zimmerman den Teenager allein wegen seines Aussehens und seiner hochgezogenen Kapuze verdächtigte, "nichts Gutes im Schilde zu führen". Außerdem soll sich Zimmerman während des Telefonats rassistisch geäußert haben. Trayvon Martin hatte das Haus nur verlassen, um sich eine Dose Saft und eine Packung Skittles zu kaufen.

Der Fall und der anschließende Freispruch Zimmermans waren der Auslöser für die Black Lives Matter-Bewegung. Die Aktivistinnen und Aktivisten wollen auf die Ungleichbehandlung Schwarzer Menschen aufmerksam machen. Statistiken des FBI zeigen, dass Schwarze Männer und Frauen im Vergleich zu ihrem Anteil in der US-amerikanischen Bevölkerung überproportional oft von der Polizei getötet werden – selbst, wenn sie die Beamten nicht angreifen. In Deutschland gibt es keine vergleichbare Statistik. Doch nicht nur Liam Neesons Anekdote zeigt, dass rassistische Gewalt nicht nur ein Problem der US-amerikanischen Polizei ist.

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Es war Zufall, dass Neeson niemanden tötete

Auch Neeson war laut eigener Aussage bereit, einen unschuldigen Menschen zu töten, nur weil er Schwarz ist. Und wäre in Neesons Rache-Woche tatsächlich ein Schwarzer Mann zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen, wäre es ihm höchstwahrscheinlich so ergangen wie Trayvon Martin und vielen getöteten Schwarzen Menschen davor und danach.

"Wir alle geben vor, dass wir politisch korrekt seien", sagt Neeson in einem weiteren Interview. "Aber manchmal kratzt man an der Oberfläche und entdeckt diesen Rassismus und diese Engstirnigkeit."

Mag sein, dass Rassismus für Liam Neeson offensichtlich mehr ist als ein ausgestorbenes Relikt aus Erzählungen über den Ku-Klux-Klan. Bereits im Interview mit dem Independent betonte er, wie sehr er sich für sein Verhalten schäme. Sogar einen rassistischen Begriff, den er im Interview verwendete, hatte er mit seinen Händen unter Anführungszeichen gesetzt. In einem weiteren Interview mit ABC, erklärte Neeson nun, er hoffe, andere Menschen würden aus seiner Geschichte lernen: "Wir alle geben vor, dass wir politisch korrekt seien", sagt er. "Aber manchmal kratzt man an der Oberfläche und entdeckt diesen Rassismus und diese Engstirnigkeit."

Ob diese Erkenntnis und die Tatsache, dass bei Neesons Jagd zufällig niemand gestorben ist, als Entschuldigung reichen, muss jeder und jede selbst entscheiden. Dennoch: Was der Schauspieler im Interview mit dem Independent erzählt hat, ist kein rassistischer Ausrutscher. Es war die Planung eines rassistisch motivierten Verbrechens. Und als die sollte es auch betrachtet werden.

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