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​In Bautzen haben Neonazis gestern wieder Flüchtlinge angegriffen

Die Bautzener Polizei will trotz Steinen und Pistolen aber nichts von einer "Hetzjagd" wissen.
Foto: imago | xcitepress

Augenzeugen berichten von einer neuen Hetzjagd auf Geflüchtete in der sächsischen Kleinstadt Bautzen, die Polizei will es lieber nicht so nennen, gibt dann aber später zu, Flüchtlinge seien sogar mit Schusswaffen bedroht worden. Aber der Reihe nach:

Von der Hetzjagd berichtet ein Reporter von Zeit Online, der die Szene in der Nacht mit eigenen Augen gesehen haben will. Er spricht von rund 50 Rechtsradikalen, die auf zwei Flüchtlinge losgingen. Als einer der Gejagten bei dem Versuch zu fliehen von seinem Fahrrad fiel, bewarfen ihn die Angreifer mit Steinen. Soweit die Version des Journalisten.

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Ein Polizeisprecher beteuerte der Zeit gegenüber zunächst, die Lage in Bautzen weise "keine Besonderheiten" auf, was noch in der Nacht heftige Kritik in den sozialen Medien nach sich zog. Auch auf Nachfrage von VICE heute morgen erklärte eine Sprecherin der sächsischen Polizei, es habe keine solche Hetzjagd gegeben.

Kurz darauf veröffentlichte die Polizei allerdings eine Pressemitteilung, in der sich das dann ziemlich anders anhörte.

Am Dienstagabend nahmen Beamte einen 20-jährigen Libyer vor einem Lidl in Gewahrsam, weil er einen 19-jährigen Deutschen angegriffen habe. Seine beiden Begleiter, ebenfalls Flüchtlinge, durften nach einer Kontrolle weiterziehen. Kurze Zeit später habe eine Gruppe von 10-15 Personen die beiden angegriffen. "Offenbar war es aus der Gruppe heraus auch zu Steinwürfen auf die beiden Asylbewerber gekommen. Einer der beiden wurde dabei am Bein getroffen."

Eine Hetzjagd im direkten Sinne habe es demnach zwar nicht gegeben, wohl aber einen Angriff einer großen Gruppe gegenüber zwei Asylbewerbern. Die Polizei habe den Angriff auf die beiden aber durch einen "unmittelbaren Einsatz" zerstreuen können. In der Zeit heißt es dagegen, die Polizei sei zwar präsent, "jedoch in der Unterzahl gewesen" und hätte deshalb erst nicht eingegriffen, "bis die Neonazis anfingen, die Flüchtlinge zu jagen." Die Polizei nahm schließlich vier der Angreifer kurzzeitig in Gewahrsam, sie seien der Polizei "zum Teil" bekannt.

Das klingt zwar schon nach einer ziemlich stressigen Nacht, ist aber noch lange nicht alles, was gestern in Bautzen passiert ist: In derselben Meldung berichtet die Polizei von mehreren Fällen, bei denen Unbekannte Flüchtlinge unter anderem auf dem Kornmarkt mit Pistolen bedrohten. Zeugen sagten aus, die Angreifer seien "dem rechten Spektrum zuzuordnen" gewesen.

Etwas später konnten Beamte dann in einem anderen Teil der Stadt einen 29-Jährigen festnehmen, der ebenfalls gerade einen Asylbewerber mit eine Pistole bedroht hatte, die sich dann als Schreckschusspistole entpuppte. Der Verdächtige war polizeibekannt, stand "unter Alkohol- und Drogeneinfluss" und hatte—außer der Schreckschusspistole—noch "geringe Mengen" Cannabis und Crystal Meth bei sich. Ob er mit der früheren Drohung am Kornmarkt zu tun hat, ist noch nicht geklärt.

Ansonsten war dann aber auch wirklich nichts mehr los, obwohl die Polizei zur Sicherheit eine "verstärkte Präsenz im Bautzener Innenstadtbereich bis in die Nacht hinein aufrecht" erhielt. "Keine Besonderheiten" also. Zeit Online hat ebenfalls eine weitere Reaktion angekündigt, da ihr Reporter die Szenen anders als von der Polizei beschrieben wahrgenommen habe. Aber auch wenn die Polizei das Wort "Hetzjagd" nicht in den Mund nehmen will: Irgendwas läuft in Bautzen ziemlich schief.