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The Moral Compass Issue

Bleib hungrig und aktualisiere Facebook so oft wie möglich

Indien hat einen neuen Mahatma Gandhi und dieser hat bereits eine halbe Million Freunde auf Facebook.

Anna Hazare, Kreuzritter gegen die Korruption, ist so beliebt, dass die Inder sein Gesicht auf Stäbe spießen und durch die Luft schwenken. AP FOTO/Ajit Solanki Es ist leicht, Anna Hazare, den wahrscheinlich derzeit bekanntesten Aktivisten Indiens, mit Mahatma Gandhi zu vergleichen. Wie Gandhis besteht auch Hazares Garderobe aus schlichten Leinendhotis, Brillen und Sandalen. Er macht auch mit öffentlichen Hungerstreiks und Ein-Mann-Protesten von sich reden, zum Beispiel mit der anhaltenden Weigerung, seine Gefängniszelle zu verlassen. Aber es gibt einen wichtigen Unterschied: Während sich Hazare in traditionellem zivilem Ungehorsam übt, postet sein Medienguru emsig Status-Updates auf seiner Facebookseite. Diese effektive Kombination von Aktionsformen des 20. Jahrhunderts mit solchen aus dem 21. Jahrhundert hat bei den Indern voll eingeschlagen, die erst kürzlich massenhaft gegen die, wie sie es nennen, massive und erdrückende, das Land strangulierende Korruption auf die Straße gegangen sind. Hazares jüngste Aktion war ein Schweigegelübde über 19 Tage, das er mit der Erklärung brach, er werde bei den bevorstehenden Parlamentswahlen kandidieren, wenn das Jan-Lokpal-Antikorruptionsgesetz—das die Berufung eines unabhängigen, für die Ermittlung krimineller Regierungshandlungen zuständigen Ombudsmannes vorsieht—nicht während der parlamentarischen Sitzungsperiode im Winter beschlossen werde. Aktivisten versuchen bereits seit Jahrzehnten, etwas Ähnliches wie das Jan-Lokpal-Gesetz durchs Parlament zu bringen, aber die aktuelle Kampagne scheint mehr Aussicht auf Erfolg zu haben als ihre Vorgänger. Die von der Kongresspartei geführte Regierung Manmohan Singh befindet sich, seit die Hazare-Bewegung „Indien gegen Korruption“ im Januar erstmals öffentlichkeitswirksam in Erscheinung trat, in einem Ausnahmezustand. Der 34-jährige Shivendra Chauhan, der für die Onlinepräsenz der Bewegung verantwortlich ist, ist von der Sache so überzeugt, dass er sich von seiner Arbeit als Journalist hat beurlauben lassen, um sich ganz seiner Aufgabe im Social-Media-Bereich widmen zu können. Mit der Facebook-Seite der Bewegung haben sich eine halbe Million Sympathisanten vernetzt. Aber Zahlen sind nicht so wichtig, sagt Chauhan. „Es kommt darauf an, welche Leute du ins Boot holst“, erläutert er. „Die entscheidende Rolle spielt der Mittelstand. Die Armen haben keinen Zugang zu den sozialen Netzwerken oder keine Zeit, und die Reichen tangiert das alles nicht.“ Vikram Sharma, ein Immobilienmakler aus Neu-Delhi, ist einer von diesen Leuten aus der Mittelschicht und legt große Hoffnungen in Hazare: „Wenn die Hazare-Bewegung Erfolg hat, dann wird sich der Lebensstandard von Leuten wie mir verändern“, sagt er. „Wenn du heute irgendetwas in einer Behörde erledigen willst, dann ist das die Hölle auf Erden. Wir müssen für alles und jeden Bestechungsgelder hinlegen. Alles das hindert kleine Unternehmer wie mich daran zu wachsen.“