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'Bunte.de' erklärt Frauen, wie sie trotz Menstruation Karriere machen können

Und es liest sich wie eine Mischung aus Zyklus-Kalender und Bravo-Horoskop.
Foto: imago | Westend61 (bearbeitet)

Wenn sich die Gebärmutter anfühlt, als wäre sie Austragungsort eines Krieges, die Waschmaschinen in Dauerrotation blutige Unterhosen einseifen und die Haut noch einmal alle Stadien der Pubertät durchläuft, sind das für manche Frauen nicht unbedingt die schönsten Tage des Monats. Sie deswegen grundsätzlich als übellaunige und weinerliche Furien darzustellen, wäre genauso falsch, wie ihre Unterleibsbeschwerden nicht ernstzunehmen. Die Redaktion von Bunte.de hat sich nun etwas ganz Besonderes überlegt, um menstruierende Frauen zu unterstützen – und einen Ratgeber dafür geschrieben, wie sie trotz Blutung des Todes zu erfolgreichen Geschäftsfrauen werden.

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Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet die Promi-Gossipschleuder Bunte die Antwort auf all unsere Karrierefragen kennt? Wenn Frauen Führungspositionen verwehrt, ganze Berufswege verschlossen oder ihre Gehaltswünsche unerfüllt bleiben, hat das womöglich einen einfachen Grund: Sie haben den falschen Zeitpunkt ihres Zyklus gewählt. Das lässt jedenfalls der Karriere-Ratgeber vermuten, den die Seite vergangene Woche veröffentlichte. Dort erklärte Bunte.de, wie Frauen sich ihren Zyklus im Job zunutze machen können – und an welchen Tagen sie "einen wichtigen Termin lieber verschieben" sollten.

Die gerade menstruierende (und laut Bunte.de damit nicht für einen beruflichen Erfolg geeignete) Autorin hat die menstruellen Karrieretipps einem Realitätscheck unterzogen.

1. Eine neue Eizelle, eine neue Wahnsinnschance!

"In den ersten Tagen nach Abklingen deiner Periode lohnt es sich auf jeden Fall, wichtige Termine wahrzunehmen. Du wolltest schon immer mal einen mutigen Projektvorschlag machen? Oder deinen Chef auf eine Gehaltserhöhung ansprechen? Dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt dazu! Deine Stimmung und dein Selbstbewusstsein sind jetzt am besten ausgeprägt."

Wenn Bunte.de Frauen rät, höhere Gehälter einzufordern, Projektvorschläge zu äußern und ihren Chefs (es gibt übrigens auch Chefinnen) selbstbewusst gegenüberzutreten, könnte das durchaus ein sinnvoller Beitrag zum weiblichen Empowerment sein. In einer Welt, in der "Frauenberufe" im Vergleich zu "Männerberufen" aber tendenziell noch immer unterbezahlt sind, greift der zyklusbasierende Tipp aber womöglich etwas zu kurz: Eine Auswertung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ergab 2014, dass besonders in Pflege-, Erziehungs- und Sozialberufen besonders niedrige Löhne herrschen – also dort, wo vor allem Frauen arbeiten.

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Die berufliche Ungleichheit der Geschlechter ist also eher strukturell als biologisch erklärbar. Und Bunte.de so: Voll schade, dass dein erstes Bewerbungsgespräch seit Monaten gerade mitten in deine Periode fällt, aber du solltest noch bis zum nächsten Zyklus warten, um die Karriereleiter zu erklimmen, sorry LOL.

Einen medizinischen Fun Fact hätten wir übrigens auch noch: Die erste Hälfte des Zyklus beginnt nicht, wie Bunte.de schreibt, mit dem Heranwachsen der Eizelle, sondern mit der Blutung. Was wir karrieretechnisch machen sollen, wenn wir menstruieren, erklärt uns die Zeitschrift allerdings erst im dritten Teil des Ratgebers. Stay tuned.

2. Der Eisprung macht sexy, selbstbewusst und erfolgreich

"Genau jetzt ist die Zeit gekommen, Erfolg im Job zu forcieren. Vor allem bei Bewerbungsgesprächen und Gehaltsverhandlungen kannst du jetzt punkten. Denn deinem Chef in dieser Phase zu erklären, warum du kreativer, engagierter und motivierter als andere bist, fällt dir deutlich leichter."

Auch in der Eisprungphase stehen die Eizellen für berufliche Erfolge günstig, sagt das Zyklus-Horoskop der Bunten. Der Absatz hört schließt damit, dass Frauen während des Eisprungs ihrem Chef nun besser erklären könnten, dass sie eine gute Arbeitskraft sind. Ob dieser auf den Erklärungsversuch hin auch wirklich die Fuffies durch den Meetingraum schmeißt, erfahren wir leider nicht.

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Nun hat die Geschichte aber mehrfach gezeigt, dass meistens weder Power-Eisprünge noch ein hohes Selbstbewusstsein oder gar nett gemeinte Erklärungen besonders hilfreiche Werkzeuge für eine glorreiche Karriere sind. Im Gegenteil: Für viele Arbeitgeber scheinen Frauen allein wegen ihres Zyklus und der Möglichkeit, dass sie irgendwann schwanger werden, so etwas wie tickende Zeitbomben – die sie erst gar nicht einstellen.

3. Die Periode ist für 'Bunte.de' so etwas wie der berufliche Super-GAU

"Ein Vorstellungsgespräch oder eine wichtige Präsentation rauben dir jetzt wahrscheinlich eher den letzten Nerv. Hinzu kommt, dass du dich unwohl fühlst und dir am liebsten nur einen Pulli überwerfen würdest. Keine gute Phase also, um Erfolg im Job anzupeilen und die Karriereleiter erklimmen zu wollen."

Natürlich wäre es schön, wenn psychische und körperliche Beschwerden im Beruf ernstgenommen werden würden. In Japan haben Arbeitnehmerinnen seit 1947 das Recht, sich bei Menstruationsbeschwerden freizunehmen. Italien diskutierte im vergangenen März als erstes europäisches Land einen Gesetzesentwurf für den bezahlten "Menstruations-Urlaub". Dass Frauen offen mit Periodenschmerzen umgehen können und bei entsprechendem Unwohlsein zu Hause bleiben dürfen, klingt nach einem Fortschritt für die Arbeitnehmerinnen-Rechte – in der Theorie.

In der Praxis sei der Gesetzesvorstoß allerdings kaum umsetzbar, kritisierten Frauen. Im Guardian erzählten mehrere japanische Angestellte, dass sie den "Period leave" noch nie genutzt hätten: weil sie nicht offen mitteilen wollen, wann sie ihre Tage haben, weil sie sexuelle Belästigung durch ihre Kollegen befürchteten, oder weil sie das soziale Stigma, das Frauen als "schwaches Geschlecht" labelt, nicht verstärken wollen. "Wenn du dich in einer männlich dominierten Welt beweisen willst", so eine Japanerin, "nimmst du dir keinen 'Menstruations-Urlaub', weil das als Schwäche interpretiert werden könnte."

Der Bunte.de-Menstruationskalender mag die Absicht gehabt haben, Frauen zum Empowerment zu verhelfen, obwohl ihnen gerade milliliterweise Blut aus der Vagina fließt. Realistisch ist er aber leider nicht: Reife Eizellen sind kein Garant für einen Geldscheinregen, Hormone zum Glück keine Maßangabe für beruflichen Erfolg und die 12 bis 48 Stunden des Eisprungs nicht die einzige Möglichkeit im Monat, in Beyoncé-Mood zu sein. Und wenn ihr jetzt immer noch nicht mindblown seid: Es gibt sogar Frauen, die während der Menstruation Sex haben.

P.S.: Dieser Artikel wurde von einer ebenfalls menstruierenden Frau redigiert. Um sicherzugehen, dass er trotzdem ein Erfolg wird, haben wir ihn noch einmal von einem (nicht menstruierenden) Mann gegenlesen lassen.

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