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Anwalt darf Innenminister Herrmann in einem Brief ein "wunderbares Inzuchtsprodukt" nennen

Wir haben die Kopie des originalen Briefs und sprachen mit seinem Absender, Dr. Schneider-Addae-Mensah über das Inzuchtsprodukt und warum ihn Hermann an Erdoğan erinnert.

Als der bayerische Staatsminister Joachim Herrmann locker-flockig im politischen Fernsehzirkel bei Hart aber Fair die N-Bombe droppte, ist so manchem vor dem heimischen Fernseher die Kinnlade samt darin platzierten Funny-Frisch Kessel Chips auf den Boden gefallen.

Weil stimmt, Roberto Blanco ist schon ein lustiger Gesell, den mag man ja, der gefällt den meisten weißen Deutsch wunderbar; und: "Beim FC Bayern spielen auch 'ne ganze Menge mit schwarzer Hautfarbe mit. Und das finden die Fans vom FC Bayern auch gut."

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"Mir ist auch die Kinnlade runtergefallen. Ich kam da gerade aus dem Urlaub und habe die rassistische Arbeit von Herrn Herrmann sozusagen während meines Urlaubs wahrgenommen und mir gedacht: 'Willkommen zurück in Deutschland!' Also, das geht natürlich gar nicht. Dass vor allem ein Minister in einer solchen Position sich so daneben benimmt. Wenn so ein Kommentar an irgendwelchen Stammtischen fällt, dann ist das schon schlimm genug, aber wenn das jemand mit Verantwortung auch in einem Ressort sagt, dem das Polizeiressort obliegt, und er auch noch ein Vorbild für eingreifende Polizisten ist, die nicht gerade dafür bekannt sind, dass sie zimperlich umgehen mit dunkelhäutigen Menschen, dann ist das natürlich nicht zu tragen."

Und weil das nicht klargeht, hat Dr. Schneider-Addae-Mensah, Sohn einer Lektorin aus Deutschland und eines Professors aus Ghana, ein kurzes Schreiben an den bayerischen Staatsminister verfasst:

Kopie des original Briefes mit freundlicher Freigabe von Dr. Schneider-Addae-Mensah

Zu dem Brief wäre es gar nicht erst gekommen, sagt der in München geborene Anwalt, wenn Roberto Blanco, selbst Ehrenmitglied der CSU, auf seinen Parteikollegen nicht so lasch reagiert hätte, wenn da mehr gekommen wäre als nur "Sie sind ein wunderbarer Weißmann." Für Dr. Schneider-Addae-Mensah, der sich den eigenen Angaben nach bis zu 30 Mal allein wegen seiner Hautfarbe mit Polizeikontrollen konfrontiert sah, war dies eine verpasste Chance, konkret Stellung gegen Rassismus zu beziehen: "Roberto Blanco hat den Schwanz eingezogen. Die Reaktion war absolut nicht angemessen. Deswegen habe ich an Herrmann auch den Brief geschrieben. (…) Diese Angepasstheit von Roberto Blanco hat mich fast noch mehr geärgert als der Rassismus von Herrmann."

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Was zudem erstaunt, ist die humorlose Art, wie Hermann auf den Brief reagierte. Für Außenstehende präsentiert sich die Reaktion des CSU-Politikers geradezu als unklug, wenn man sie unter dem Aspekt ihrer Medienwirksamkeit beurteilt. Das Schreiben wurde nämlich nicht als offener Brief an Hermann adressiert, sondern ging direkt an sein Büro. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit sozusagen.

Ja, Hermann hatte bei Hart aber Fair mit seinem ihm nicht bewussten Rassismus tief in die Kacke gegriffen und mit dem Brief bekam er auf privatem Weg die symbolische Quittung. Er hätte es dabei bewenden lassen können; er hätte den Brief vom Schreibtisch direkt in den Mülleimer wandern lassen können, doch stattdessen versuchte er, Dr. Schneider-Addae-Mensah vor Gericht zu ziehen: „Im Grunde hat sich Hermann auch wie Erdoğan verhalten. Das gleiche Verhaltensmuster. Als Politiker muss man da drüber stehen. Ich selbst stehe als Anwalt über allem Möglichen, bis hin zu rassistischen Beleidigungen. Ich habe Mandanten, die mich im Gerichtssaal vor der Presse als Halbn**** bezeichnen. Da reagiere ich auch nicht drauf. Da müssen Politiker drüber stehen. Und wenn sie das nicht können, dürfen sie nicht Innenminister spielen."

Ob es gekränkter Stolz, Eitelkeit, zarte Dummheit oder noch ein anderes Motiv war, das Hermann dazu bewog, gegen Dr. Schneider-Addae-Mensah eine Strafantrag wegen Beleidigung zu stellen: Mit dem Strafantrag wurden der Brief und die Beleidigungen nun so richtig publik. Mehr noch; Hermanns Antrag auf Erlass eines Strafbefehls ist vom Amtsgericht Karlsruhe abgelehnt worden. Begründung: Herrmanns "N****"-Kommentar sei in erster Linie selbst schon "eine abwertende rassistische Bezeichnung" gewesen, weshalb die Worte "Ihre rassistische Gesinnung" auch keine strafbare Beleidigung darstellen, berichtet die Süddeutsche Zeitung.

Und auch die Titulierung "Inzuchtsprodukt" ginge in diesem Fall klar, weil das Gericht Dr. Schneider-Addae-Mensah das "Recht zum Gegenschlag" einräumte. Dies gilt dann, wenn eine Person sich ehrverletzenden Angriffen oder überspitzter Kritik ausgesetzt sieht und Hermanns rassistischer Ausspruch wurde als ein solcher angesehen.

Hätte also Hermann auf den Brief ähnlich gelassen reagiert,wie Roberto Blanco auf Hermanns Stammtischrassismus, wäre ihm der mediale Shitstorm vermutlich erspart geblieben. So aber: Augen zu und durch. Wer Sturm sät, wird Kot ernten.

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