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Warum ein Studium an einer privaten Uni keine Geldverschwendung sein muss

Studenten, die an privaten Hochschulen studieren, haben mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Besonders wenn sie Journalismus studieren. Unser Autor hat beides getan.

Foto: Olaf Mach

Wie viele meiner Altersgenossen hatte ich nie große Lust, ernsthaft zu arbeiten. Ich wollte lieber vormittags Bier trinken, Turgenjew lesen, in einer Weltmetropole umherflanieren und dabei düster-depressive Coolness ausstrahlen. Also beschloss ich, ein Studium aufzunehmen. Irgendwas mit Medien.

Vorher sollte ich jedoch erst die Schule abschließen, empfahl man mir. Gesagt, getan, aber trotzdem keinen Studienplatz erhalten. Niemand hatte mir gesteckt, dass es so etwas wie einen Numerus clausus gab und der eventuell mal wichtig werden könnte.

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Ich zog also nach Berlin und nahm am sogenannten Eignungstest einer privaten Hochschule teil. (Die besagte Einrichtung konnte zwar nicht auf eine lange universitäre Tradition zurückblicken, bot aber einen Studiengang an, dessen Name sich zu 50 Prozent aus dem Wort Journalismus zusammensetzte.) Ich bestand den Test und belog den verantwortlichen Professor mit den Worten: „Selbstverständlich kann ich die 525 Euro monatlich bezahlen. Meine Großeltern sind russische Unternehmer."

Da ich in Wahrheit weder vermögende Familienangehörige hatte noch ein „von" im Namen trug, rannte ich von nun an von einer Behörde in die andere und von einem Kreditinstitut ins nächste. Ich flehte um Hilfe und sammelte in der Zwischenzeit Pfandflaschen, um Nudeln, Ketchup und Toastbrot kaufen zu können. Dabei stand ich mehrere Male kurz vor dem Rausschmiss, weil ich die Studiengebühren nicht bezahlen konnte. Aber nach etwa einem Dreivierteljahr „half" man mir endlich. Mit gleich zwei Krediten. Während meine wenigen Freunde, die als Kfz-Mechaniker oder Trockenbauer arbeiteten, den Kopf darüber schüttelten, dass ich so viel Geld für „ein Stück Papier" bezahlte, sah ich voller Zuversicht einer Existenz als intellektuelles Individuum entgegen. Um diesen Anspruch zu unterstreichen, belegte ich viele vorurteilsbehaftete Kurse wie Kreatives Schreiben, Interkulturalität und alle möglichen Kurse mit Journalismus vor oder hinter dem Bindestrich. Und das Beste dabei war: Es kostete mich meist nicht viel Energie, gute Noten zu erzielen. Nein, nein, nicht weil es eine Privatuni war. Einfach weil es mir lag. (Einige weniger motivierte Kommilitonen—gescheiterte Schauspieler und Models, die von den eigenen Eltern gezwungen worden waren, eine Ausbildung zu machen, um weiterhin finanziell unterstützt zu werden—erhielten trotzdem schlechte Noten.) Auch private Unis können es sich—entgegen der allgemeinen Annahme—nicht erlauben, aus Blindgängern Genies zu machen.

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Zu verschenken gab es also nichts. Im Gegenteil. Man führte sogar eine Anwesenheitspflicht ein. Verpasste ein Studierender nun mehr als ein Viertel der Vorlesungen, durfte er nicht an den Prüfungen teilnehmen. Es sei denn, er fehlte krankheitsbedingt. Natürlich, hatte man wie manch einer einen Arzt zum Vater oder zur Mutter, dann war das von Vorteil. Aber so ist es eigentlich auch außerhalb von Hochschulen jeglicher Art.

Dennoch gab es auch einige Kurse, die das Geld bei Weitem nicht wert waren. Aber das lag so gut wie immer an den Dozenten, die entweder keinen Bock auf uns oder selbst nicht wirklich Ahnung von den Themen hatten. Glücklicherweise handelte es sich dabei nur um einige wenige Ausnahmen.

Motherboard: Leben und Lieben an der Gaming-Uni

Mein Pflichtpraktikum machte ich jedenfalls bei VICE und schrieb meine ersten Artikel über Neonazi-Demos und Drogen. Wenig später erhielt ich, dank eines Artikels über die Arbeitshölle in einem Mobilfunkunternehmen, sogar einen Buchvertrag.

Irgendwann stellte das Studienförderungs-Amt seine Zahlungen ein und die Förderbank plötzlich Forderungen. Zwar hatte ich alle Prüfungen seit mehr als einem Jahr bestanden, die Bachelorarbeit aber noch nicht geschrieben und stattdessen lieber am Roman gearbeitet. Wahrscheinlich hätte ich das auch weiterhin getan, wenn ich mir nicht bereits so viel Geld für das Studium geliehen hätte. Also sah ich mir immer wieder die Rede von Steve Jobs an der Stanford University an, „erkannte die Zusammenhänge" und schrieb schließlich diese verfluchte Bachelorarbeit.

Bei meiner Verteidigung bekam ich dann jede Menge Fragen gestellt, die mich, zugegeben, ganz schön ins Wanken brachten. Aber am Ende reichte es dann doch noch gerade so für die Eins. Auch wenn mich das Studium ein kleines Vermögen gekostet hat, ich glaube, ich würde alles nochmal genauso machen. Na ja, vielleicht nicht ALLES.