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In Graz kann man sich die WM stilecht in einer Favela ansehen

Das Kunstprojekt sorgt für Aufregung, weil es Favelas romantisiere.

Fotos mit freundlicher Genehmigung der Luise im Abseits

Wir haben uns letzte Woche überlegt, wo man sich die WM am besten ansehen sollte. Da wurde über ganz normales Public Viewing oder Privatpartys diskutiert und das waren auch die einzigen Orte, die uns eingefallen sind—bis wir draufgekommen sind, dass man die WM in Graz in einer nachgebauten Favela verfolgen kann. Damit man halt weiß, wie ein großer Teil der Brasilianer die Weltmeisterschaft im eigenen Land verfolgen—sofern sie denn einen Fernseher besitzen. Das klingt überheblich und nach ganz furchtbarem Erlebnistourismus der Sorte Sozialromantik; die reichen Österreicher wollen halt auch einmal sehen, wie es sich anfühlt arm zu sein.

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Auf Twitter und Facebook wurde dem Projekt vorgeworfen, es romantisiere das Leben Favelas—eine nachgebaute Favela in Österreich ist schließlich keine echte Favela in Rio. Man geht hin, bekommt sein Bier zu österreichischen Preisen, geht nach dem Spiel wieder nach Hause und kann sich ziemlich sicher sein, dass man da auch ankommt. Und das schlimmste am Leben in einer Favela außerhalb von Graz sind gewiss nicht die 90 Minuten eines Fußballspiels.

Doch die „Luise im Abseits“ will nicht romantisieren. Das Projekt soll die Lebensumstände in den Favelas aufzeigen und anprangern. Viel realistischer als mit gegrillten Hühnerherzen und einem kleinen Fernseher, auf dem das Spiel übertragen wird, kann man das bei uns kaum machen. (Außer vielleicht auf der Art Basel, wo letztes Jahr die nachgebildete Favela von der Polizei gestürmt wurde.) Schätzungen zufolge kostet die WM die brasilianische Regierung mehr als 8 Milliarden Dollar, was das Event zur teuersten Weltmeisterschaft aller Zeiten macht, während ein großer Teil der Bevölkerung in Armut lebt.

Zeichen gegen eine WM zu setzten, die unter diesen Umständen stattfindet, ist notwendig. Denn auch, wenn die FIFA das absolut nicht interessiert, wird dem Fußballkonsumenten durch solche Projekte vielleicht eher bewusst, was er mit jedem Spiel, das er sieht und mit jedem Paniniheft, das er kauft, unterstützt. Auch wenn es um 18:00 Uhr dann doch jedem egal ist—denn auch ein Projekt, das die Umstände der Weltmeisterschaft in Brasilien kritisieren will, kommt nicht ohne Fußballübertragung aus.

Hanna auf Twitter: @hhumorlos