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Verbrechen

Soldat soll Vergewaltigung bei der Bundeswehr gefilmt haben

Andere haben angeblich zugeschaut – und nicht eingegriffen.
Foto: imago | photothek

Was ist nach einer Feier am letzten Donnerstag in der Todendorf-Kaserne in Schleswig-Holstein wirklich passiert? Klar ist: Noch in derselben Nacht haben Feldjäger einen 29-Jährigen in der Kaserne festgenommen, weil er zwei schlafende Soldatinnen auf ihrer Stube vergewaltigt haben soll. Am Mittwoch kamen neue Details ans Licht: So soll ein weiterer Soldat die Vergewaltigung sogar gefilmt haben, ohne einzugreifen. Das hätten die ersten Vernehmungen nach der Tat ergeben, berichtet Spiegel Online.

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All das soll nach einer Feier von jungen Soldaten in der Kaserne passiert sein. Ein Polizeisprecher erklärte, sowohl der Tatverdächtige als auch die mutmaßlichen Opfer – zwei 18 und 22 Jahre alte Frauen aus Rostock – seien stark alkoholisiert gewesen. Der 29-Jährige sei den Frauen auf ihr Zimmer gefolgt und habe sie dort "sexuell angegangen".

Schon am Freitag wollte die Polizei nicht ausschließen, dass es noch weitere Zeugen des Vorfalls gab. In dem Spiegel-Bericht heißt es, "mehrere andere Soldaten" hätten den sexuellen Übergriff auf die beiden Frauen mitbekommen – aber nichts unternommen. Einer von ihnen soll ein Video aufgenommen haben, das der Mann allerdings mittlerweile gelöscht haben soll.

Der Tatverdächtige selbst hat bisher keine Aussage zu der Nacht gemacht. Nach seiner Festnahme wurde er am Freitagabend wieder auf freien Fuß gesetzt, da es keine Fluchtgefahr gebe. Weiter ermittelt wird trotzdem gegen ihn, am Montag wurde er vom Dienst suspendiert.

Hat die Bundeswehr ein Belästigungs-Problem?

Der Fall aus der Todendorf-Kaserne ist der letzte in einer Reihe von Skandalen, die der Bundeswehr aktuell zu schaffen machen. Ende Mai gestand ein 28-jähriger Offizier, eine betrunkene 29-jährige Soldatin aus seinem Lehrgang an der Dresdner Offiziersschule nach einer gemeinsamen Sauftour vergewaltigt zu haben. Zwei Monate davor waren die Vorwürfe gegen insgesamt 14 Soldaten in Bad Reichenhall bekannt geworden: Sie sollen einen ihrer Kameraden über Monate – von November 2015 bis September 2016 – sexuell belästigt haben.

Diese und andere Vorfälle machten "ein systemisches Problem bei der Bundeswehr" sichtbar, sagte die verteidigungspolitische Sprecherin der Linken, Christine Buchholz, im März. Insgesamt sei die Zahl der beim Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels (SPD) gemeldeten sexuellen Belästigungen zwischen 2015 und 2016 um 50 Prozent gestiegen. "Die Bundeswehr hat ein Gender-Problem", sagte dieser damals in der Welt. Sexuelle Belästigung und Mobbing würden zu oft verharmlost.

Schon 2014 ergab eine Studie, dass über 55 Prozent der Frauen und 12 Prozent der Männer in der Bundeswehr schon mindestens einmal belästigt wurden. Das Verteidigungsministerium richtete daraufhin eine Projektgruppe ein, die solche Vorkommnisse sammeln sollte. Das Ergebnis: mehr als 200 Verdachtsfälle von "sexueller Belästigung, Benachteiligung, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung" in den letzten beiden Jahren. Allerdings bezieht sich die Zahl auch auf Dinge, die außerhalb der Kaserne, in der Freizeit der Soldaten passiert sind. Die machten ungefähr ein Drittel der Verdachtsfälle aus, so die Süddeutsche Zeitung, ein weiteres Drittel bestätige sich erfahrungsgemäß nicht. Damit bleibt eine zweistellige Anzahl von Fällen pro Jahr übrig.

Im Januar kündigte die Verteidigungsministerin von der Leyen deshalb einen Workshop für Offiziere zum Thema "Sexuelle Orientierung und Identität in der Bundeswehr" an. Die Ministerin machte dabei vor allem Führungskräfte der Bundeswehr für die Probleme verantwortlich. "Es beginnt bei schäbigen Witzen, geht über in herabwürdigende Bemerkungen bis hin zu widerwärtigem Verhalten", sagte von der Leyen. "Es sind bestürzende Zeichen, für einen Mangel an Führung, Haltung und Kultur."

Der aktuelle Vorfall in der Todendorf-Kaserne ist ein weiteres dieser bestürzenden Zeichen.

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