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Die Hürden, die Asylwerbende überwinden müssen, um arbeiten zu dürfen

Der Arbeitsmarkt ist für Asylwerbende extrem eingeschränkt. Die Hürden sind so groß, dass es die wenigstens ins Arbeitsleben schaffen.

Symbolfoto: Noborder Networks | Flickr | CC BY 2.0

Die Situation für Flüchtlinge in Österreich wird immer schlimmer. Erst vor kurzem erreichten erschreckende Bilder des Erstaufnahmezentrums Traiskirchen die Öffentlichkeit. Die Menschen in den Zeltstädten mussten in den letzten Wochen Kälte, strömenden Regen und erdrückende Hitze mitmachen. Trotzdem erfahren sie von vielen Österreichern kaum Mitgefühl und müssen sich Dinge wie „Die Asylanten sollen arbeiten gehen!" oder „Die Asylanten nehmen uns die Arbeitsplätze weg!" anhören. Je nachdem, was gerade besser passt. Die Meldung des Sportlers Franz Müllner wurde diese Woche viel diskutiert. Er fordert Mitleid mit den Bauarbeitern, die in der Hitze der letzten Tage arbeiten mussten, während die „Asylanten" ins Schwimmbad gehen könnten. Was Franz anscheinend nicht weiß: Asylwerbende dürfen nicht am Bau arbeiten.

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Die wenigstens wissen tatsächlich, wie es mit den Chancen am Arbeitsmarkt aussieht. Die Regelungen sind kompliziert. Dass Asylwerbende nicht arbeiten dürfen, stimmt nämlich so nicht ganz. Und Arbeitsplätze können sie laut Gesetz nicht wegnehmen. Grundsätzlich gilt laut des Ausländerbeschäftigungsgesetzes eine Wartezeit von drei Monaten, nachdem eine Person zum Asylverfahren zugelassen wurde. Erst dann kann sie sich um einen Arbeitsplatz bemühen.

Grundvoraussetzungen

Um einer geregelten Arbeit nachgehen zu dürfen, brauchen Asylwerbende eine Beschäftigungsbewilligung vom AMS. Die wird aber nicht von ihnen selbst, sondern vom potenziellen zukünftigen Arbeitgeber beantragt. Der Bewilligung muss eine Arbeitsmarktprüfung vorangehen, denn Asylwerbende dürfen den Job nur haben, wenn sie damit niemand anderem den Platz wegnehmen.

Das nennt sich dann „Ersatzkraftverfahren" und soll herausfinden, ob es Personen gibt, die diesen Job machen könnte und eben kein laufendes Asylverfahren hat. Das sind beispielsweise Menschen mit Anspruch auf Arbeitslosengeld oder freiem Arbeitsmarktzugang. Asylwerbende, also Menschen mit unklarem Asylstatus, können also niemandem Arbeit wegnehmen, weil sie für diese Jobs gar nicht zugelassen werden, egal wie qualifiziert sie sind. Die Beschäftigungsbewilligung gilt für 12 Monate.

Die große Hürde

Das gültige Gesetz wird vom Bartenstein-Erlass praktisch ausgehebelt. Der Erlass besagt nämlich, dass Beschäftigungsbewilligungen nur für Saisonarbeit ausgestellt werden dürfen. Damit steht er im Widerspruch zum gültigen Gesetz. Saisonarbeit ist auf bestimmte Branchen beschränkt. In Wien gibt es beispielsweise kaum Möglichkeiten für Saisonarbeit. Allerdings dürfen die Asylwerbenden das ihnen zugewiesene Bundesland nicht verlassen, um zu arbeiten. Ein Wiener Asylwerbender darf also nicht im Sommer in Niederösterreich arbeiten, um sich ein wenig dazu zu verdienen.

Aus dem System geschmissen

Gehen wir nun davon aus, dass ein Asylwerber, der dem Niederösterreich zugeteilt wurde, eine Beschäftigungsbewilligung als Saisonarbeiter im Marchfeld bekommen hat. Wenn er eine Summe verdient, die über den Freibeträgen liegt, fällt er aus der Grundversorgung raus. Die Freibeträge liegen zwischen 100 Euro und der Geringfügigkeitsgrenze. Die Grundversorgung ist aber meistens an das Quartier gekoppelt. So kann es passieren, das der Asylwerber zwar für eine Saison Arbeit hat, sich aber dafür um eine neue Unterkunft kümmern muss.

Nach der Saison muss er die Grundversorgung wieder beantragen. Das kann bedeuten, dass er in ein anderes Quartier gesteckt wird und sich dementsprechend wieder umgewöhnen muss. Außerdem darf er nicht mehr als das 1,5-fache der Grundversorgung (290 Euro pro Monat) verdienen. Sonst sollen die Asylwerbenden von diesem „Überschuss" leben und kommen erst wieder in die Grundversorgung, wenn das Geld verbraucht wird. Es wird nicht überprüft, ob der Asylwerbende im Monat tatsächlich Geld sparen kann. Das erzählt Herbert Langthaler von der A sylkoordination Österreich. Es werde einfach angenommen, dass die Differenz übrig bleibe und die Asylwerbenden so die nächsten Monate ihr Leben finanzieren könnten. Die Realität sehe anders aus. „Die müssen dann bei Freunden schlafen. Oder unter der Brücke."

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Arbeiten für 2 Euro pro Stunde

Hilfstätigkeiten unterliegen weder der Einkommenssteuerpflicht, noch gibt es irgendwelche kollektivvertraglichen oder arbeitsrechtliche Regelungen. Das bedeutet, dass Asylwerbende Arbeit leisten, die aber nicht nach dem Kollektivvertrag bezahlt werden, sondern nach Gutdünken des Arbeitgebers.

MOTHERBOARD: Ein Student gründet eine Online-Uni für Flüchtlinge.

Es gibt auch keinen Lohn, sondern einen „Anerkennungsbeitrag". Meistens werden solche „Hilfstätigkeiten" in der eigenen Unterbringung verrichtet. Roya [Name geändert] erzählt VICE von ihren Erfahrungen im Asylheim Traiskirchen. Während sie dort gewohnt hat, arbeitete sie aus Eigeninitiative, um an Geld zu kommen. Sie hat fünf Tage die Woche vier Stunden lang Fenster geputzt. Damit hat sie pro Woche 40 Euro verdient. Das sind umgerechnet 2 Euro pro Stunde.

Selbstständig werden

Asylwerbende dürfen drei Monate nach der Zulassung des Asylverfahrens selbständig werden. In der Praxis ist es aber auch aufgrund sprachlicher Hürden schwer, einen Gewerbeschein zu bekommen. Langthaler bezeichnet die Situation als ambivalent. Gewerbescheine für leichte Hausarbeit oder Gartenpflege sind im Grunde nicht schwer zu bekommen, weil man keine Kompetenzen nachweisen müsse. Allerdings bräuchten die Asylwerbenden ein Netzwerk von Kontakten, um auch tatsächlich Aufträge zu bekommen. Das ist nur äußerst selten der Fall.

Was jetzt?

Anfang Juli veröffentlichte das Sozialministerium eine Studie, die zuvor wochenlang unter Verschluss gehalten wurde. Das Ergebnis der Studie ist, dass die Öffnung des Arbeitsmarktes die Arbeitslosenquote gering (0,23 Prozent) steigern würde. Die Studie ging allerdings von nur 33.000 Asylbewerbenden aus—eine Zahl, die nicht mehr aktuell ist. Der Sozialminister der SPÖ Rudolf Hundstorfer und die FPÖ begründen mit der Studie, dass eine Arbeitsmarktöffnung für Asylwerbende nicht möglich sei. Die Grünen und die Neos kritisieren den Sozialminister und die Studie selbst. Die EU hat eine Richtline verabschiedet, die vorsieht, dass Asylwerbende spätestens nach neun Monaten einen „effektiven" Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen. Bis 21.7. soll sie in allen EU-Ländern in Kraft treten. Langthaler ist wenig optimistisch: „Österreich setzt manche Richtlinien einfach nicht um."


Lisa auf Twitter: @lisawoelfl