Für Schweizer Kiffer könnte 2018 das absolut beste Jahr bisher werden
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Drogen

Für Schweizer Kiffer könnte 2018 das absolut beste Jahr bisher werden

Hunderttausende Menschen in der Schweiz kiffen. Endlich werden sie als Teil der Lebensrealität anerkannt.

Kiffer älterer Generationen erinnern sich gern an die 90er Jahre zurück, eine Art "Golden Era" des Schweizer Kiffertums. Die ungenauen Gesetzesformulierungen rund um Gras und fehlende THC-Grenzwerte machten es möglich, dass für einige Jahre Gras einfach offen in Geschäften verkauft werden konnte. Die berühmten "Duftsäckli", die mit einem Augenzwinkern nicht zum Rauchen, sondern nur für angenehme Raumluft verkauft wurden, machten sogar international Schlagzeilen: Unter dem Titel "Die Schweiz – ein Traum aller Hanffreunde" schrieb beispielsweise 1998 der deutsche Tagesspiegel über den lockeren Umgang der Schweiz mit Gras. Beim "Canna Swiss Cup" versuchten sich Graszüchter gegenseitig mit dem THC-Gehalt ihrer Sorten zu überbieten – die Gewinnerin brachte es auf 20.93 Prozent, schreibt die Tageswoche .

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Im Jahr 2000 stopfte das Bundesgericht diese Lücke und legte den Grenzwert, ab wann Gras illegal ist, auf maximal 0.3 Prozent THC fest. Die vermeintliche goldene Kifferzeit in der Schweiz war vorbei. Zu Beginn der 00er Jahre setzte die Polizei die Richtwerte immer härter durch: Es folgten Razzien, Prozesse und sogar Bauern, die ihren Kühen Hanf als Futter gaben, wurden vor Gericht gestellt. Die goldenen Zeiten wichen der Repression und der Schweizer Kiffer musste sich sein Gras wieder im Verborgenem beim Dealer holen. Viel hat sich seitdem in dieser Praxis nicht verändert, ausser dass manche Dealer ihr Business ins Darknet verlegt haben und die Polizei nicht wirklich weiss, wie sie damit umgehen soll. Doch das Blatt scheint sich zu wenden, denn 2018 können sich Kiffer das erste Mal ernsthaft Hoffnungen machen, dass wirklich bessere Zeiten kommen – dieses Mal sogar dauerhaft. VICE hat die Gründe gesammelt, die 2018 zum besten Jahr für Schweizer Kiffer machen könnte:

Die Schweiz spricht endlich normal über Gras

Falls Gras mit einer spürbaren Menge an THC in der Schweiz irgendwann legal werden soll, muss das Stimmvolk höchstwahrscheinlich an der Urne seinen Segen geben. Damit das passiert, müssen einerseits alle Legalisierungsbefürworter auch wirklich an die Urne gehen und andererseits alle bisherigen Skeptiker überzeugt werden.

2008 scheiterte die letzte Legalisierungsinitiative noch mit 63 Prozent Nein-Stimmen. 2008 war aber auch noch eine Zeit, in der der Blick in einem Artikel auflistete, welcher Promi bisher schon zugab, einmal "das grüne Kraut" probiert zu haben. Heute interessiert niemanden mehr, wer das mysteriöse Kraut schonmal ausprobiert hat. Statt darüber zu diskutieren, wie gefährlich Gras denn nun sein könnte, hat die Schweiz das erste mal Gras als Teil der Lebensrealität von vielen Menschen – mindestens 200.000 Menschen kiffen in der Schweiz regelmässig – erkannt. Statt über eine vermeintliche Teufelsdroge zu schreiben, berichten sogar Boulevard-Medien interessiert über Spacecakes am Zürcher Hauptbahnhof. 2018 scheint es endlich soweit zu sein, dass auch Mainstreammedien immer öfter wertneutral über Cannabis berichteten. Skeptiker verlieren dadurch immer mehr den Rückenwind, um die Legalisierung auch an der Urne abzulehnen.

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Gras kannst du jetzt sehen und riechen

Der CBD-Hype wird wohl für viele Kiffer "echtes" THC-haltiges Gras niemals ersetzen, doch könnte CBD-Gras Kiffern möglicherweise noch sehr nützlich werden. Bis THC-Schnelltests verfügbar waren, brachte CBD-Weed die Polizei zur Verzweiflung, weil sie legales Gras nicht mit blossem Auge von illegalem unterscheiden konnte. Das führt aber dazu, dass der Geschmack und der Anblick von Joints im öffentlichen Raum alltäglich wird. CBD-Joints gewöhnen uns an den Geruch und den Anblick eines gemütlichen Joints auf der Parkbank und sorgen so dafür, dass auch die Allgemeinbevölkerung ihre Berührungsängste verliert. Dass auch Coop als grösster Detailhändler der Schweiz, der Rauchwaren im Sortiment führt, CBD-Zigaretten anbietet, bestätigt, dass die Hanfpflanze als Raucherware endgültig in der breiten Masse angekommen ist.

Kiffen am Genfersee | Foto von @swiss.stoners.official auf Instagram

Bei einer repräsentativen Studie des renommierten Instituts GFS-Zürich gaben 66 Prozent der Befragten an, dass sie die Legalisierung von Cannabis befürworten, solange der Jugendschutz gewährleistet ist und das Gras von geschultem Personal verkauft wird. Einen Unterschied zwischen Stadt- und Landbevölkerung gibt es nicht, auch nicht bei Bildungsstand und Alter. Deckt sich diese Studie auch nur annähernd mit der stimmenden Gesamtbevölkerung, dann stehen Kiffer in der Schweiz gar nicht mehr so einsam da wie noch vor zehn Jahren, als das letzte Mal erfolglos über die Legalisierung abgestimmt wurde.

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Gras wurde auch in der legalen Welt zum Business

CBD-Gras gilt als Tabakersatzprodukt und wird darum mit 25 Prozent besteuert. Gemeinsam mit der Mehrwertsteuer gehen ganze 33 Prozent des Verkaufserlöses an den Staat. Bei einem geschätzten Umsatz von 60 Millionen Franken im ersten CBD-Boom-Jahr 2017 ist das eine gute Summe, die der Staat mitverdient. Mit legalem THC-Weed könnte der Staat sogar das Mehrfache dazuverdienen und ganz nebenbei auch die AHV retten, wie die jungen Grünliberalen letzten Sommer in einer medienwirksamen Forderung vorgeschlagen haben.

Anfang 2017 waren gerade einmal fünf CBD-handelnde oder produzierende Betriebe registriert, Ende 2017 waren es bereits 410.

Auch viele Unternehmer wollten sich das grosse Geld nicht entgehen lassen. Die vielen CBD-Shops an der Langstrasse in Zürich sorgen fast schon für ein bisschen holländischen Flair und werben mit grossen Hanflogos in den Schaufenstern wie während den goldenen 90er Jahren. Anfang 2017 waren gerade einmal fünf CBD-handelnde oder produzierende Betriebe registriert, Ende 2017 waren es bereits 410. Eine ganz schön grosse Menge an neuen Firmen mit neuen Arbeitsplätzen, die Steuern und Sozialabgaben generieren.

Das Bundesgericht ist jetzt auf der Seite der Kiffer

Zerstörte das Bundesgericht 2000 noch die Träume Schweizer Kiffer, als es die Gesetzeslücke für Weed-"Duftkissen" schloss, ist es eben genau dieses Gericht, das den Alltag von Schweizer Kiffern heute bedeutend erleichtert hat: Es entschied, dass du nicht bestraft werden darfst, wenn du weniger als 10 Gramm Gras bei dir hast. Und weil der geringfügige Besitz – so heisst es offiziell im Gesetz – nichts Verbotenes ist, darf dir das Gras nicht mal mehr von der Polizei weggenommen werden. Das Bundesgericht begründete sein Urteil einfach dadurch, dass das heute gültige Betäubungsmittelgesetz für geringfügigen Besitz bei richtiger Interpretation überhaupt gar keine Bestrafung vorsehe und somit Grasmengen bis 10 Gramm von der Polizei nicht zu beschlagnahmen seien.


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St. Galler Kiffer sollen trotzdem gewarnt bleiben: Die dortige Kantonspolizei spielt immer noch das wehrhafte Gallien und setzt den Bundesgerichtsentscheid nicht um. Der damalige, kürzlich verstorbene St. Galler Staatsanwalt Thomas Hansjakob erklärte in einem Interview, dass das Gesetz versehentlich falsch formuliert wurde und die St. Galler Polizei sich deshalb dem Bundesgericht nicht beugen würde. Auch Max Hofmann, Generalsekretär des Schweizerischen Polizeibeamtenverbandes, tue sich schwer mit der neuen Regel und meinte auf Anfrage von hanflegal.ch, dass es für eine Praxisänderung erst einen Gerichtsentscheid braucht, wie uns Nino Forrer vom Verein "Legalize it!" per Mail mitteilt. Dass dieses höchste Schweizer Gericht bereits entschieden hat, scheint Hofmann wohl noch entgangen zu sein. Wahrscheinlich ist, dass Kiffer 2018 ihr THC-haltiges Gras in der ganzen Schweiz ohne Angst vor polizeilicher Verfolgung bei sich tragen können – was eine enorme Erleichterung im Alltag von Kiffern ist.

Die Cannabis-Initiative kommt

Auch wenn es zwischenzeitlich eng wurde: Über 100.000 Franken konnte der Verein "Legalize it" für seine Legalisierungsinitiative sammeln, gab er im Dezember bekannt. Wenn die Unterschriftensammlung klappt, werden wir bald nochmal über die Legalisierung abstimmen können. Auch im Parlament sind immer weniger Politiker gewillt, die bestehende Drogenpolitik aufrechtzuerhalten. Grüne, Grünliberale und SP waren schon bei der letzten Parlamentsdebatte 2016 geschlossen für die Legalisierung und werden es auch jetzt noch sein. Auch Teile der CVP und FDP stimmten für die kontrollierte Abgabe von Cannabis. Nur durch die geschlossene Ablehnung der SVP wurde die kontrollierte Abgabe von Cannabis im Parlament mit knapp 52 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Im Mai 2017 reichte die Fraktion der Grünen im Nationalrat eine parlamentarische Initiative ein, die fordert, ein Bundesgesetz zur Hanfregulierung auszuarbeiten. Gleichzeitig forderte sogar die Mittepartei CVP die Hanfabgabe für chronisch Kranke zu erlauben, weil das Gesundheitskosten einspare und Bürokratie abbaue. Beide Initiativen sind noch nicht im Nationalrat behandelt worden, doch sie zeigen, dass auch aus dem Parlament selbst die Signale für einen neuen Umgang mit Cannabis immer stärker werden – jetzt auch nicht nur von linker Seite. Dem entgegen stellen sich zwar einige rechte Politiker, die gerade versuchen, den Trend umzudrehen, indem sie die Senkung der THC-Obergrenze und die Einführung einer CDB-Obergrenze fordern. Doch auch die NZZ meint, "der Wind weht eher in eine andere Richtung".

2018 wird die Schweiz noch nicht das Kifferparadies, das es einmal für kurze Zeit zu sein schien. 2018 wird aber das erste Jahr, in dem der Alltag effektiv und nachhaltig einfacher sein wird als je zuvor, weil die polizeiliche Repression dank des Bundesgerichts spürbar abnehmen wird. Der CBD-Boom könnte sich zudem als sehr nützlicher Geburtshelfer für die Befreiung der Kiffer erweisen, denn er hat etwas geschafft, was bisher niemandem gelungen ist: Die Schweiz beginnt langsam, das Grasblatt nicht mehr als Teufelszeug, sondern als Teil der Lebensrealität von Hunderttausenden Menschen zu sehen. Irgendwann wird sich auch das Gesetz dieser Realität anpassen. 2018 haben es die Kiffer sogar selbst in der Hand: Wenn nur jeder zweite Kiffer die Legalisierungsinitiative unterschreibt, werden wir bald darüber abstimmen können, ob Gras wirklich legal wird. Die Schweizer Gesellschaft war wahrscheinlich noch nie so bereit dafür wie dieses Jahr.

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