FYI.

This story is over 5 years old.

Tech

Darknet-James-Bond mit Schießkugelschreiber und Handgranate verhaftet

Ob der 25-Jährige mit dem Todes-Kuli Jagd auf Dr. No machen oder nur seinen Nachbarn ärgern wollte, konnte nicht abschließend geklärt werden.

Allmählich reift auch in Deutschland die kollektive Erkenntnis heran, dass das Darknet kein siebter Himmel für Waffenfreaks und Terroristen ist, sondern es im Gegenteil sehr kompliziert sein kann, an eine scharfe Waffe heranzukommen.

Gleichwohl ist das Darknet immer wieder für eine Überraschung gut. So ist die Unübersichtlichkeit der zahlreichen Hidden-Service-Schwarzmärkte nicht nur für manche gestandene ARD-Journalisten eine unüberwindbare Herausforderung, auch die Polizei muss immer wieder feststellen, wie groß die Warenvielfalt der Deepweb-Märktplätze mittlerweile ist.

Anzeige

Zwischen November 2015 und April diesen Jahres soll sich ein Mann aus dem rheinland-pfälzischen Kleinstadt Idar-Oberstein im Darknet einen schießenden Kugelschreiber und eine Handgranate besorgt haben. Die Landeszentralstelle Cybercrime (LZC) der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz wirft dem Mann außerdem vor, zwei halbautomatische Feuerwaffen erworben zu haben, eine Bernadelli aus italienischer Produktion und eine Česká 27 aus tschechischer Produktion, wie die Sprecherin des Amtsgerichts Bad Kreuznach, Brigitte Hill, gegenüber Motherboard bestätigte. Der 25-Jährige soll unter den recht gewöhnlichen User-Namen „Ghost", „Producer" und „Hunter" unterwegs gewesen sein und seine Waffenkäufe auf dem Darknet-Schwarzmarkt AlphaBay getätigt haben.

Den Schießkugelschreiber wollte sich „Hunter" samt Munition an eine Packstation ins rheinländische Bad Kreuznach liefern lassen, an den Ort, wo jetzt sein Fall vor einem Schöffengericht verhandelt wird.

Zur Auslieferung der Waffe—die zwar wie das Equipment aus einem James-Bond-Film anmutet, aber tatsächlich nicht nur ein Film-Gadget ist, sondern tödlich sein kann—kam es jedoch erst gar nicht, da das BKA ihm bereits auf den Fersen war. Die Beamten konnten das Paket im Rahmen des Ermittlungsverfahrens sicherstellen, ebenso wie die Handgranate, so die Sprecherin gegenüber Motherboard.

Laut Hill wäre der Sprengkörper jedoch scharf gewesen, wenn nicht die Polizei dazwischen gekommen wäre und sie entsprechend präpariert hätte. Um den Täter in flagranti zu erwischen, wurde die Granate in entschärftem Zustand weiter an „Hunter" verschickt. Als dieser die Granate von der (zu diesem Zeitpunkt bereits observierten) Packstation in Bad Kreuznach abholen wollte, griff die Polizei zu.

Anzeige

Bei einer anschließenden Razzia in seiner Wohnung fanden die Ermittler weitere Beweise. „Hunter" hat mittlerweile gestanden, laut einem Medienbericht decken sich die Ermittlungsergebnisse mehrheitlich mit seinen Aussagen.

Schießstifte verschießen ihre Projektile nur auf vergleichsweise kurze Distanz, und gelten zudem als nicht sonderlich präzise. Trotzdem tauchen sie immer wieder in skurillen Zusammenhängen auf: Etwa bei nordkoreanischen Killeragenten, Rockern, Drogendealern, mutmaßlichen NSU-Gehilfen und natürlich in James-Bond-Filmen. Im Darknet finden sich auch auf großen Handelsplattformen wie AlphaBay weniger als ein Dutzend Angebote innerhalb eines Jahres. Gehandelt werden sie dort für rund 147 Euro das Stück.

Auch die Geschichte der tödlichen Schreibwerkzeuge ist nicht minder kurios: Schießkugelschreiber poppen zunächst in größerer Anzahl in den USA der 50er Jahre auf. Vor allem bei New Yorker Gangs wie den Imperial Hoods waren diese selbst gebastelten Schießinstrumente beliebt. Sie spielten zwischenzeitlich sogar so häufig in dortigen Bandenkriegen eine Rolle, dass damalige Ermittler vom so genannten "zip gun evil" sprachen und Polizeikonferenzen organisieren, um etwas gegen die steigende Mordrate durch Schießkulis zu tun.

Die Verhandlung gegen den Möchtegern-Bond aus Idar-Oberstein findet nächsten Mittwoch vor dem Schöffengericht Bad Kreuznach statt.