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Drogen

10 Fragen an einen Kokain-Abhängigen, die du dich niemals trauen würdest zu stellen

Wissen deine Eltern, dass du Koks nimmst? Hast du durch deine Sucht Freunde verloren? Merkst du schon, wie deine Nasenscheidewand zerfällt?
Ein Koks-Abhängiger
Alle Fotos: Hakki Topcu

Luke* hat das erste Mal mit 17 gekokst. Seitdem macht er das regelmäßig. Bis vor Kurzem täglich, heute mindestens zweimal die Woche. Luke ist 30 und ein Typ, bei dem viele bei Tinder nach rechts wischen würden: groß, dunkelhaarig, verschmitztes Lächeln und mit einem Sixpack, das er gerne zeigt. Er sagt aber auch: "Wenn ich zur U-Bahn gehe, brauche ich eine Zigarette, wenn ich in 'ner Bar sitze und ein Bier trinke, dann brauch ich eine Nase Koks." Er sagt von sich selbst, er sei abhängig. Von 365 Tagen im Jahr kokst er etwa an 100 und gibt 400 Euro im Monat dafür aus.

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Weltweit koksen laut Global Drug Survey 2017 nur 2,8 Prozent aller Konsumenten so häufig. Laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen macht Kokain wach, euphorisch und steigert die Potenz. Es mache zwar nicht körperlich abhängig, dafür sehr schnell psychisch. Was folgt, sind Depressionen, Angst und Schlafstörungen – und negative Auswirkungen auf den Körper: Es schwächt das Immunsystem, führt zu Gewichtsverlust und schädigt Leber, Herz und Nieren. Trotzdem wird es sein Image als schillernde Partydroge nicht los. Die Polizei hat 2017 knapp sieben Tonnen Kokain beschlagnahmt – dreimal so viel wie im Vorjahr. Luke selbst sagt: "Ich nehme mir oft vor, keine Drogen mehr zu nehmen. Aber das ist utopisch." Wir haben Fragen.

VICE: Nimmst du Drogen, weil du im echten Leben ein Verlierer bist?
Luke: Ich nehme das Zeug nicht, weil ich keinen Ausweg weiß oder keine Freunde habe. Aber ich frage mich auch, wieso ich es nehme. Man denkt immer, man hat es im Griff, fragt sich dann aber trotzdem, warum man es nicht lassen kann. Koks ist für mich keine reine Partydroge. Ich chill auch manchmal auf Koks oder spiele Karten. Oder ich nehm' es in einer Bar, wenn ich mit Kumpels da bin und wir einfach gemütlich quatschen. Das ist fast wie eine Konditionierung. Wenn du zur U-Bahn gehst, brauchst du eine Zigarette. Wenn du in einer Bar sitzt und Bier trinkst, brauchst du eine Nase Koks. Wenn andere mitkriegen, wie viel ich konsumiere, ist das schon manchmal unangenehm. Wenn ich aufs Konto gucke, ist es mir auch unangenehm. Koks zu nehmen, ist eine Schwäche, für die ich mich schon schäme. Ich nehme mir oft vor, an einem Abend kein Kokain zu nehmen oder auch eine Zeit lang gar nicht mehr. Heute wollte ich zum Beispiel auch nichts nehmen, aber dann denk ich: Ach komm, darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an.

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Was macht Koks mit dir und deinem Leben?
Für die Produktion eines TV-Formats für RTL2 zum Thema Kokain wollen wir deine Stimme hören. Ruf einfach unseren Anrufbeantworter an und erzähl, welche Erfahrungen du mit Kokain hast und was es mit dir macht. Bitte lies dir vorher unsere Hinweise dazu durch, wie und in welchem Umfang deine Nachricht von VICE und RTL2 im Rahmen der Produktion genutzt werden kann. Wenn du uns eine Nachricht hinterlässt, erklärst du dich damit einverstanden, dass VICE und RTL2 die Aufzeichnung deiner Nachricht in der dort beschriebenen Form nutzen dürfen. Diese Hinweise zur Nutzung deiner Nachricht und die Telefonnummer findest du hier!(PDF)


Kriegst du durch Kokain einen Egopush?
Nein. Ich glaube, die Drogen verstärken nur, wie man wirklich ist. Ich bin sehr sozial, harmoniebedürftig und umgänglich. Es gibt aber auch Menschen, die sowieso schon ein großes Ego haben und gerne mal auf andere scheißen, und die sind dann unter Drogeneinfluss noch asozialer.

[Laut der Drogenberatungsstelle mindzone.info kommt es durch Kokain "zu erhöhtem Bewegungs- und zu unaufhörlichen Rededrang ('Laberflash'), verbunden mit stark herabgesetzter Selbstkritik", außerdem mache es euphorisch, selbstbewusster und wacher. Der Grund: Kokain wirkt auf verschiedene Neurotransmitter wie Dopamin, Noradrenalin und Serotonin und verhindert, dass diese Stoffe abgebaut werden. Dadurch erhöht sich die Konzentration der Transmitter, sodass die Rezeptoren ständig belebt und stimuliert werden. Anm. d. Red.]

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Wieso Kokain? Speed ist doch viel billiger.
Speed hab ich das letzte Mal vor drei Jahren genommen, obwohl es die bessere Partydroge für mich ist. Ich finde Speed irgendwie eklig. Das schmeckt nicht und du kriegst einen kleinen Schwanz davon. Dann kannst du nicht mehr bumsen. Das passiert mir bei Kokain in der Regel nicht. Klar, ist auch schon mal vorgekommen, dass ich keinen hoch bekommen habe, aber das passiert höchstens jedes fünfte Mal. Ich mag an Kokain, dass es mich entspannt und gesellig macht. Ich unterhalte mich viel tiefgründiger. Drogen öffnen im Gehirn ganz andere Türen. Dafür ist es natürlich teurer. Ich gebe im Monat um die 400 Euro dafür aus. Ich mach das so: erst Miete, dann Kokain, dann Essen.

[Wenn man viel Zeit aufwendet, um Drogen zu beschaffen und zu finanzieren, seinen Drogenkonsum sogar vor den von Essen stellt, sind das dringende Hinweise für eine Sucht. Ob ihr drogenabhängig seid, könnt ihr zum Beispiel hier testen. Hilfe und Beratungsstellen findet ihr unter anderem hier. Anm. d. Red.]

Eine Line Koks auf einem Smatphone

Wurdest du schon mal von der Polizei mit Drogen erwischt?
Ja, tatsächlich, ich wurde mit dem Auto angehalten. Das war auch nicht vorsätzlich, dass ich jetzt gesagt hätte: Alles klar, ich bin jetzt voll druff und fahre mit dem Auto. Das war ein Restwert, circa 30 Stunden nach dem Konsum, aber trotzdem noch nachweisbar. Aber da ist – toi, toi, toi – noch nichts gekommen bisher von der Polizei. Ich würde auch niemals Auto fahren, wenn ich kurz vorher was genommen hätte.

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Wissen deine Eltern, dass du Drogen nimmst?
Früher wussten sie es, heute eher nicht. Ich find das Drogenthema aber auch immer ein bisschen hart. Meine Mutter fragt mich manchmal, ob ich noch kiffe. Aber das tue ich tatsächlich sehr selten, weil ich da gar keinen Bock drauf hab. Sie weiß auch, dass ich früher Koks genommen habe. Damit konnte sie aber nicht wirklich etwas anfangen. Sie wusste auch nicht, wie viel es damals war. Aber das macht mich ja auch nicht zu einem schlechten Menschen. Ich finde Koks zwar schlimmer als Gras, aber weniger schlimm als alles andere.

[Im Jahr 2016 starben in Deutschland laut Bundeskriminalamt 71 Menschen an Vergiftungen, die im Zusammenhang mit Kokain stehen. Seit 2001 sind weltweit zwei Fälle bekannt, in denen eine Verbindung zwischen dem Tod und dem Cannabis-Konsum vermutet wird, dieser gilt aber als nicht eindeutig belegt. Anm. d. Red.]

Hast du durch deine Sucht Freunde verloren?
Vor elf Jahren hatte ich für anderthalb Jahre keinen guten Kontakt zu meinen engen Freunden. Da habe ich wirklich jeden Tag gekokst und das war einfach zu viel. Wir hatten zu der Zeit absolut nicht dieselben Interessen. Das war dann irgendwie so ein beidseitiges Voneinander-Abwenden. Zu der Zeit habe ich auch mit Drogen gedealt und hatte dadurch einen ganz anderen Kreis von Leuten. Das war sicherlich nicht der beste Umgang.

Ein Koks-Abhängiger bereitet sich eine Line Kokain zu

Was war das Verrückteste, von dem du dir je eine Line gezogen hast?
So verrückt war das gar nicht. Das war die Muschi einer Frau.

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Wie machst du es, wenn du in den Urlaub fährst?
Ich bin selten im Urlaub. Vielleicht, weil ich mein Geld immer für andere Sachen ausgebe [lacht]. Letztens war ich in London und wenn ich da an was rankommen kann, mach ich das. Nur einmal habe ich etwas im Flieger mitgenommen. Ich hab das Koks damals in das Plastik von meiner Kippenpackung eingewickelt und es während der Kontrolle in meinen Mund gesteckt. Angst, dass es aufgeht, hatte ich nicht. So ein halbes Gramm bringt mich ja nicht um. Trotzdem ist es schwierig, etwas im Flugzeug mitzunehmen. Es ist schon lange her, dass ich richtig ausgeflippt bin, weil ich kein Koks hatte. Aber zwei Wochen Italien ohne wäre schon schwierig.

[Kokain schädigt Magenschleimhäute genauso wie Nasenschleimhäute. Bei einem vorgeschädigten Magen kann es passieren, dass ein Loch entsteht oder der Darm nicht mehr durchblutet wird und abstirbt. Die Effekte auf den Körper sind bei beiden Konsumformen ähnlich. Bei einem gesunden Menschen ist der Tod durch ein halbes Gramm Kokain unwahrscheinlich. Das ist jedoch keine allgemeingültige Aussage. Anm. d. Red.]


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Merkst du, wie deine Nasenscheidewand zerfällt?
Ja, heute ist so ein Tag, an dem ich merke, wie kaputt meine Nase ist. Die ist wund und blutet. Ich glaube aber nicht, dass sie schon zerfällt. Ich habe sehr selten richtiges Nasenbluten, aber beim Naseputzen kommt öfters was Blutiges mit raus. Ich mache mir natürlich schon manchmal Gedanken. Deshalb zieh ich das Koks auch nur im Notfall durch gerollte Geldscheine. Meistens benutze ich eigenes Equipment – Barzettel, einen Strohhalm oder ein schönes BVG-Ticket. Wenn ich von einer fremden Person Koks nehme, probiere ich immer vorher mit der Fingerspitze. Dann kann ich ganz gut einschätzen, ob es OK ist.

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[Laut der Drogenberatungsstelle drugscouts.de verletzen die scharfkantigen Koks-Kristalle die Nasenschleimhaut. Dadurch kann es zu Blutungen und Entzündungen kommen. Häufiger nasaler Konsum kann zu Löchern in der Nasenscheidewand führen. Anm. d. Red.]

Denkst du beim Koksen an das Blut, das an jedem Gramm klebt?
Leider nicht. Also wenn du mich so fragst, macht es mich natürlich schon traurig. Trotzdem bin ich ehrlich. Ich denke da nicht dran. Aber es gibt viele Sachen, an denen in irgendeiner Form Blut klebt.

[Wie das mexikanische Innenministerium bekannt gab, starben 2017 allein in Mexiko 25.000 Menschen im Drogenkrieg.]

*Name geändert

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