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​Fragen, die diese ganzen Banküberfälle in den letzten Wochen aufwerfen

Warum sprengen Brandenburger so gerne Geldautomaten in die Luft? Und wie kommt jemand auf die Idee, sich mit Pflastern zu maskieren?
Foto: imago | Olaf Döring

Banküberfälle gehören zu der Sorte Verbrechen, bei denen man Angst haben muss, dass sie bald ausgestorben sein werden. So gibt es zumindest in Deutschland einen besorgniserregenden Einbruch in der Zahl von Banküberfällen zu verzeichnen: Gab es 2003 noch 767 polizeilich erfasste „Raubüberfälle auf Geldinstitute", wurden schon zehn Jahre später nur noch 207 registriert. Letztes Jahr fiel die Zahl mit 193 sogar unter die 200er-Marke.

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Kein Wunder, dass man sich als Romantiker ein bisschen Sorgen um das edle Handwerk macht. Immerhin stellt der Banküberfall seit jeher die ultimative Ausbruchsfantasie des Menschen im Kapitalismus dar: Hat nicht jeder schon mal davon geträumt, einfach in eine Bank zu spazieren, dort (hoffentlich) viel Geld abzustauben und dann mit Monica Bellucci auf einem Weingut in Südfrankreich unterzutauchen und dort mit ihr einen Haufen Kinder zu zeugen, von denen mindestens eines Barthélemy heißen muss? Ja, hat jeder. Und deshalb stimmt es uns eben auch immer ein bisschen traurig, wenn wir darüber nachdenken, dass es immer schwieriger wird, Banken auszurauben und damit davonzukommen.

Vor dem Hintergrund war die Nachrichtenlage der letzten Wochen aber durchaus ermutigend: Ein paar bemerkenswerte Fälle haben gezeigt, dass das Gewerbe zwar schwächelt, aber noch lange nicht im Sterben liegt. Menschen überfallen immer noch Banken, und sie halten sich dabei auch treu an die bekannten Stilrichtungen: a) ultra-professionell, b) schludrig, aber mit Herz, c) liebenswert grenzdebil.

In der ersten Kategorie gab es zum Beispiel Anfang November diesen Bankraub in Gilserberg (irgendwo in Deutschland). Zwei Typen mit Masken überraschen die beiden Angestellten einer Dorfsparkasse, lassen sich den Tresor öffnen und nehmen soviel Scheine und Münzen mit, wie sie tragen können. Danach zwingen sie die beiden Angestellten, sich auf dem Klo auf den Boden zu legen, und verschwinden. Bis jetzt fehlt jede Spur von ihnen. In der Ausführung also sehr effizient, aber eben auch ein bisschen langweilig.

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Deutlich interessanter ist da die zweite Kategorie. Da gab es Ende letzten Monats zum Beispiel einen spektakulären Fall, wo unbekannte Täter an einem gemütlichen Donnerstag mal eben den kompletten Eingangsbereich der örtlichen Spreewaldbank-Filiale gesprengt haben. Die Explosion war so heftig, dass das Gebäude möglicherweise vollständig abgerissen werden muss. Alle anderen Details zu der Tat (wie viele Täter es waren, ob sie überhaupt etwas entwendet haben oder nicht) sind den Presseberichten nicht zu entnehmen, aber im Grunde ist das ja auch relativ egal.

Wirklich interessant ist aber folgendes Detail, das die Lausitzer Rundschau zu berichten weiß: „Schon im vergangenen Jahr wurde die Filiale der Spreewaldbank in Straupitz (Lieberose/Oberspreewald) und im Sommer dieses Jahres die Filiale in Altdöbern (Oberspreewald-Lausitz) durch einen Anschlag zerstört." Was ist denn da in Brandenburg los? Führt da jemand einen Privatkrieg gegen die Spreewaldbank? Wie kann man einer Bank mit so einem süßen Namen überhaupt böse sein?

Nach ein bisschen Suche bin ich dann auch auf den Artikel zum Anschlag auf die Filiale in Altdöbern gestoßen, und wow, hat sich das gelohnt! Das Ding ist nämlich nochmal deutlich spektakulärer als der Anschlag vom November. Damals haben die Täter nämlich beim Versuch, den Geldautomaten der Spreewaldbank aufzusprengen, den kompletten Gebäudekomplex in Brand gesetzt. Ergebnis: „Die Bankfiliale, der anliegende Netto-Markt, eine Filiale der Vetschauer-Wurstwaren, der Bäckerei Fuchs sowie ein Blumenladen sind dabei komplett abgebrannt." Das ist schon ziemlich spektakulär.

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Ob es sich um dieselben Täter handelt oder nicht—es ist schon bemerkenswert, mit welcher Hartnäckigkeit in Brandenburg Geldautomaten gesprengt werden, obwohl es augenscheinlich fast nie wirklich zum Erfolg in Form von Beute führt. Aber vielleicht geht es den unbekannten Sprengmeistern gar nicht um Geld? Der Vorstand der Spreewaldbank denkt jedenfalls offenbar schon ernsthaft darüber nach, ob er die Präsenz seiner Bankfilialen in diesem Wild-West-Bundesland nicht deutlich reduzieren sollte. Das sind schlechte Nachrichten für die Kunden und Angestellten der Spreewald-Bank—aber vielleicht würde die Konkurrenz davon profitieren? Oder—warum nicht—die AfD? Die Partei hatte die öffentliche Sicherheit und eine erhöhte Polizeipräsenz auf dem Land immerhin zu Kernforderungen ihres Landtagswahlprogramms 2014 gemacht.

Ist es wirklich undenkbar, dass AfD-Sonderkommandos nachts Sprengstoffanschläge auf ahnungslose Bankfilialen in Brandenburger Provinznestern machen? Ja, sagt mein Redakteur, das ist mehr oder weniger undenkbar, aber was weiß der schon? Kennt der irgendjemanden bei der Brandenburger AfD? Und wenn ja—macht es das nicht noch viel wahrscheinlicher, dass er von seinen Freunden in der Partei beauftragt wurde, jeden Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Automaten-Sprengungen und dem Wahlprogramm der AfD in der Berichterstattung rigoros zu unterdrücken? Wem außer den Lausitzer Rundschau kann man überhaupt noch trauen?

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Hier mal eine gesprengte Sparkasse im Saarland! Foto: imago | Becker&Bredel

Wie auch immer, es ist Zeit, zur dritten Kategorie zu kommen, den richtig depperten Banküberfall. In der Kategorie gab es ein paar Kandidaten, aber am Dienstag hat ein 32-jähriger Amateurbankräuber schließlich jede Konkurrenz aus dem Wasser gebombt: Um sein Gesicht zu verbergen, wählte der fantasievolle Mann nämlich nicht die klassische Strumpfmaske, sondern klebte sich das Gesicht komplett mit Pflasterstreifen zu, bevor er mit vorgehaltener Spielzeugpistole in eine Bank in einem Dorf bei Dortmund stürmte. Wie er auf diese Idee gekommen ist? Wir haben keine Ahnung. Hat er gedacht, dass es ihm irgendwie Halt gibt, sich vor dem Überfall erstmal 20 Minuten lang mit nerviger Fusselarbeit auf andere Gedanken zu bringen? Hat er sich schon darauf gefreut, sich nach der Tat nochmal zehn Minuten im Fluchtauto Pflaster vom Gesicht zu ziehen? Hat er eine sehr milde Form dieser Störung, bei der man sich dauernd selbst verarzten will?

Auf jeden Fall scheint ihm das mit den Pflastern das Wichtigste an der ganzen Sache gewesen zu sein, den Banküberfall selber brach er nämlich mittendrin einfach ab, weil ihm das mit der Geldübergabe zu lange dauerte. Mit Spielzeugpistole und Pflasterface floh er in seinem Auto, das sehr bald von der Polizei entdeckt und verfolgt wurde. Wenig später verlor er die Kontrolle über den Wagen und wurde von den Polizisten schließlich unverletzt aus einer Hecke gezogen.

Noch ein schönes Detail: Gegen den Täter wurden dann auch wegen eines zweiten Bankraubs Ermittlungen aufgenommen, bei dem der Täter sich den Kopf mit einer Mullbinde eingewickelt hatte. Und zwar nur, weil die Polizei sich dachte, dass es eigentlich nur einen Bankräuber mit diesem Hang zu Doktorspielchen geben kann. Und siehe da, sie hatten Recht, der Täter gestand auch diesen Überfall. Seine Zellengenossen werden sich auf viele interessante Gespräche freuen können!

Wir sehen: Auch wenn sie weniger geworden sind, halten Bankräuber die Fahne weiter hoch. Denn Bankraub ist eines der wenigen wirklich demokratischen Verbrechen, jeder kann es mal versuchen. Wenn das Bargeld erst abgeschafft ist, können nur noch ukrainische Elite-Hacker Banken ausrauben, und in Brandenburg müssen sie sich was anderes zum Sprengen suchen.

Disclaimer: Wir verurteilen jede Art von krimineller Handlung, und das solltet ihr auch tun. Bitte haltet euch an das Gesetz, geht einer ehrlichen Arbeit nach, zahlt eure Steuern und erntet irgendwann die Früchte eures Fleißes. Das ist der einzige Weg. Der einzige Weg!