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Sushi

Pasta-Sushi klingt irgendwie falsch, ist es aber nicht

Bei dieser neuen Sushi-Variante aus Italien verschwimmen die Grenzen zwischen japanischer Kochtradition und typisch italienischen Aromen und Zutaten perfekt.
Foto mit freundlicher Genehmigung von Francine Segan.

Als mir ein Freund aus Italien mir das erste Mal von Pasta-Sushi erzählt hat, wollte ich es einfach nicht glauben: Entweder ich hatte mich verhört oder er verarscht mich. Vielleicht waren das auch nur Sprachprobleme und ich als fremdsprachlich nicht sonderlich begabter Tourist verstand ihn einfach nicht.

Wie es aber scheint, bandeln die italienische und die japanische Küche schon seit geraumer Zeit an. Und Pasta-Sushi ist der neueste Food-Trend im Mittelmeerraum.

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Im Clandestino, einer bekannten Sushi-Bar in Portonovo mit luftigem Blick auf die Adria, probiere ich zum ersten Mal diese kulinarische Neuerscheinung:Roher Lachs in Nudeln eingewickelt. Die Aromen überschlagen sich förmlich auf meiner Zunge, es schmeckt würzig, salzig, frisch. Dann folgt ein (leicht beunruhigendes) schleimiges Gefühl, als ich das Nudelnest in meinem Mund weiter ertaste. Es ist nicht unangenehm, aber überzeugen tut mich das trotzdem nicht.

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Aber es gibt noch mehr: Maki mit Quinoa, Thunfischsauce und Campari. Carbonara mit Kalbsbacken und katsuobushi, getrockneten und geräucherten Thunfischflocken. Und rote Riesengarnele in Orecchiette mit einer Sauce aus Caciocavallo, einem italienischem Schafskäse.

Einige der Gerichte auf der Karte sind mit Sicherheit schmackhaft. Die Grenzen zwischen der japanischen Vorstellung von Sushi und den traditionellen italienischen Aromen und Zutaten verschwimmen bei den Pasta-Sushi-Variationen jedoch vollkommen.

Der Geschäftsführer des Clandestino ist Moreno Cedroni, ein zweifacher Sternekoch und Autor von zwei Büchern über die italienische Variante des Sushi. Er wird in der italienischen Edelgastronomie als Erfinder des Pasta-Sushi gefeiert.

Foto mit freundlicher Genehmigung von Brambilla Serani.

„Ich habe schon vor vielen Jahren angefangen, mit rohem Fisch und kalter Pasta zu experimentieren", erklärt er. „Den Reis, den man normalerweise nehmen würde, kann man einfach durch Pasta ersetzen. Das ist kein Problem."

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Für Cedroni ist sein Pasta-Sushi-Experiment ein absolut logischer Schritt, schließlich werden traditionellere Gerichte immer auch weiterentwickelt. Und in der italienischen Küche sind Meeresfrüchte und Fisch unglaublich beliebt und weit verbreitet.

„Natürlich ist der Herstellungsprozess etwas anders, wenn man Pasta verwendet", meint er. „Ich koche die Pasta mit Essig, Salz und Zucker und füge dann noch Olivenöl hinzu oder eine Colatura di Alici aus Sardellen oder Fischsauce."

Ich bin mir sicher: Nur die wenigsten Touristen würden extra nach Italien, um japanisches Essen zu probieren. Essenshistorikerin Francine Segan aber hält die italienische Sushi-Variante nicht nur für absolut natürlich, sondern sogar für völlig logisch.

„Pasta-Sushi überrascht mich nicht, denn rohe Meeresfrüchte und Fisch haben auch in der italienischen Küche eine lange Tradition. Das geht bis zu den alten Römern zurück", erklärt sie. „Wenn man bedenkt, dass Italien schon immer Zugang zum Meer und seinen Produkten hatte und diese auch gerne roh verzehrt, warum sollte man dann nicht Pasta statt Reis als Basis für Sushi nehmen. Das ist überhaupt nicht abwegig."

„Pasta-Sushi überrascht mich nicht, denn rohe Meeresfrüchte und Fisch haben auch in der italienischen Küche eine lange Tradition. Das geht bis zu den alten Römern zurück."

Doch was hat Pasta-Sushi tatsächlich mit dem Exportschlager aus Japan zu tun? Darf man diese Kreationen wirklich „Sushi" nennen? Osamu Nishida, Ausbilder an der Tokyo Sushi Academy in Japan, sagt: Nein! Wenn man statt Reis Pasta verwendet, dann ist das eigentlich kein Sushi. Das Wort „Sushi" bezieht sich konkret auf den Reis mit Essig, weniger auf den rohen oder in anderer Art und Weise zubereiteten Fisch.

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„Reis ist das Wichtigste beim Sushi", erklärt Osamu Nishida. „Wenn kein Reis oder Essig drin sind, dann ist das für Japaner auch kein Sushi. Reis und Essig gehören in Japan zur Sushikultur."

Trotzdem findet Osamu Nishida es gut, dass man mit den Sushi-Zutaten experimentiert. Wenn es nach ihm ginge, sollten viel mehr Köche—gerade auch außerhalb Japans—neuartige Gerichte entwickeln und sich dabei von der japanischen Kochkultur inspirieren lassen.

„Ich wusste nicht, dass Pasta-Sushi in Italien so beliebt ist. Eine wirklich ungewöhnliche Art, Sushi zuzubereiten. Das gefällt mir!", meint er.

Auch Moreno Cedroni findet, dass Pasta-Sushi und die japanischen kulinarischen Traditionen eher getrennt voneinander betrachtet werden sollten.

„Pasta-Sushi ist italienisch, nicht japanisch!", sagt er. „Ich versuche, nur Zutaten aus dem Mittelmeerraum zu verwenden und mache daraus italienische Rezepte—nur nicht mit gekochtem, sondern mit rohem Fisch. Das unterscheidet sich gar nicht so sehr von anderen italienischen Gerichten."

Die Aromen überschlagen sich förmlich auf meiner Zunge, es schmeckt würzig, salzig, frisch. Dann folgt ein (leicht beunruhigendes) schleimiges Gefühl, als ich das Nudelnest in meinem Mund weiter ertaste.

Obwohl einige der exklusiveren Restaurants bereits Pasta-Sushi servieren, ist der Trend noch nicht wirklich in der normalen Bevölkerung angekommen. Viele Köche haben davon gehört, aber sobald ich das Thema in den bodenständigeren Fischrestaurants oder Sushi-Bars anspreche, reagieren die meisten ziemlich gelassen.

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„Ja klar, vielleicht würden wir das machen, wenn sich das auch mehr Gäste wünschen würden", erklärt mir Giacomo, ein Kellner aus Perugia, wo ich gerade in eher lockerer Atmosphäre mittagesse.

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Interessanterweise wird Pasta-Sushi aber vor allem am heimischen Herd immer beliebter, sowohl in Italien als auch in anderen Ländern. Diese Erfahrung hat auch Francine Segan gemacht, als sie ihr Buch Pasta Modern veröffentlicht hatte—mit einem laienfreundlichen Rezept für die ersten eigenen Versuche im Pasta-Sushi.

„Das ist glaube ich das beliebteste Rezept in meinem ganzen Buch. Ich bekomme so viele E-Mails und viel Feedback", erzählt sie mir. „Sushi-Reis zu Hause gut hinzubekommen ist schwer, genauso wie das Rollen. Pasta ist etwas Einfaches und irgendwie Gemütliches. Beim Pasta-Sushi kann man richtig kreativ werden. Gerade auch mit muschel- oder ohrenförmigen Nudeln ist das supereinfach."

Während man durch Pasta-Sushi allein wahrscheinlich keine Gourmettouristen nach Italien locken kann, ist das Konzept selbst doch ein interessantes Beispiel für italienisch-japanische Fusionküche. Und man kann damit man auf jeder Dinner-Party beeindrucken.