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Warum es ein Problem ist, dass das BKA in einer Grauzone Telegram-Accounts hackt

Deutschlands höchste Ermittlungsbehörde setzt ein Verfahren ein, um Telegram-Nachrichten von Terror-Verdächtigen abzufangen. Das verrät der Fall über das prekäre Verhältnis von technischem Fortschritt und deutschem Recht.

In München läuft gerade der Prozess gegen die „Oldschool Society"—eine Nazi-Clique, die vielleicht einmal als „dümmste Terrorgruppe" Deutschlands in die Geschichtsbücher eingehen wird. Die Gruppe unterhielt nicht nur eine offizielle Facebook-Seite, auf der sie rassistische Hetze postete, sondern soll auch Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte geplant und laut der Bundesanwaltschaft eine terroristische Vereinigung gebildet haben.

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Doch der Prozess verrät nicht nur etwas darüber, wie sich Rechte in Deutschland radikalisieren und wie normal potentiell tödliche Gewalttaten für manche von ihnen sind. Er fördert auch eine bisher unbekannte Ermittlungsmethode des Bundeskriminalamts zutage: Wie Motherboard exklusiv aufdecken konnte, setzt das BKA nämlich ein Verfahren ein, mit dem es Nachrichten der Chat-App Telegram von Verdächtigen abfangen kann.

Voraussetzung für die Abhörmaßnahme ist eine richterliche Erlaubnis für das Abhören einer Mobilnummer—doch sobald diese vorliegt, ist der Angriff für das BKA so einfach wie effizient. Obwohl Telegram mit dem Versprechen antritt, die Kommunikation der Nutzer besonders zu schützen und auch schon länger als der Konkurrent WhatsApp die besonders sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung anbietet, hat die App nämlich auch Schwachstellen: Mit einem simplen Kniff gelangen die Ermittler an alle unverschlüsselten Nachrichten. Sie haben Zugriff auf die aktuellen aber auch vergangenen und kommenden über Telegram versendeten Textnachrichten, Bilder und Videos.

Lest hier unsere gesamte Recherche: Wie das BKA Telegram-Accounts von Terror-Verdächtigen knackt

Eine Ausnahme stellen dabei Unterhaltungen dar, die mit der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung geschützt wurden. Doch auch dabei gab es bis zur aktuellen Version ein Problem: Solche „Geheimen Chats" mussten in der damiligen Telegram-Version erst von den Nutzern manuell eingeleitet werden; zuvor war nicht jede Telegram-Unterhaltung besonders geschützt.

Der Oldschool Society wurde noch eine andere Lücke zum Verhängnis. In Telegram, das auch als Lieblings-App von IS-Sympathisanten gilt, können Gruppenchats gar nicht Ende-zu-Ende-verschlüsselt werden—doch genau hier sollen sie sich offen über geplanten Straftaten unterhalten haben. Erst als die Ermittler so mitlesen konnten, wie konkret ihre Planungen bereits waren und das unmittelbar Brandanschläge geplant wurden, kam es schließlich zum Zugriff.

Alle Hintergründe zu unserer Recherche und was das BKA dazu sagt, könnt ihr im VICE-Podcast bei Deezer nachhören: