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Popkultur

Brauchen wir wirklich ein ‚Scarface‘-Reboot?

Die Macher von ‚Straight Outta Compton' sollen an einer Neuauflage des Gangster-Epos arbeiten. Warum das eine ziemlich beschissene Idee ist.
Foto: imago/Entertainment Pictures

Miami in den 80ern. Scheußliche Anzüge, Autositzbezüge in Animalprint und der (nicht mehr ganz so) junge Al Pacino in seiner Paraderolle als zugekokster Antiheld. Scarface mag aus cineastischer Sicht nicht der größte Wurf gewesen sein, allerdings gibt es eine Sache, die man Brian De Palmas Epos von 1983 um den Aufstieg und Fall eines Drogenbosses nicht absprechen kann: seinen Status als Kultfilm. Auch heute noch hängen sich wütende, rebellische Teenager auf Sinnsuche Tony Montana ins Kinderzimmer, kein ernstzunehmender Gangsterrapper verzichtet auf irgendeine Yayo-Metapher und wer noch nie beim Battlefield- oder Call of Duty-Spielen „Say hello to my little friend!" gebrüllt hat, hat nicht gelebt.

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Bereits 2011 gab es erste Berichte, nach denen Universal ein Reboot des Koks-Klassikers plane, allerdings war die Faktenlage damals noch ziemlich dünn. Klar war nur, dass unter anderem Martin Bregman an dem Projekt beteiligt sein sollte, der bereits für den Vorgänger als Produzent tätig war. Jetzt scheint sich das Vorhaben allerdings zu konkretisieren. Nach Informationen des Hollywood Reporter wurde mit Jonathan Herman der Drehbuchautor verpflichtet, der sich zuletzt für das N.W.A.-Biopic Straight Outta Compton verantwortlich zeigte. Außerdem soll die Scarface-Neuauflage, bei dem Pablo Larraín Regie führen wird, dieses Mal in Los Angeles spielen. Selber Titel, andere Story also.

Wie viel Kokain ist zu viel Kokain?

Bei all den Fragen, die diese Ankündigung aufwirft, ist wohl vor allem diese eine die wichtigste und dringendste: Warum?

Einerseits darf man sich nicht beschweren. Schließlich handelte es sich bei dem Film von 1983 selbst um ein Reboot. Der originale Scarface spielte nämlich im Chicago der 30er Jahre und hatte nicht viel mit schrillen Hemden, Inzestfantasien und Tigern als Haustieren zu tun. Andererseits: Die Wenigsten, die Pacino als Tony Montana abgefeiert haben, dürften das deutlich ältere Original gesehen haben. Schätzungsweise jeder, der in der heutigen Zeit den Namen Scarface hört, hat automatisch den überzeichnet psychotischen Koks-Superhelden im Kopf, dem die Waffe auch nach der fünfzehnten Schussverletzung noch nicht aus der Hand fällt. Tut man sich als Studio wirklich einen Gefallen damit, eine derart ikonische Figur wiederzubeleben (wobei der Begriff „Reinkarnation" an dieser Stelle wahrscheinlich passender wäre)?

Vielleicht verklagt Tony auch einfach alle.

Dass man unter demselben Titel komplett unterschiedliche Geschichten erzählen kann, beweist die Serie American Horror Story. Scarface hingegen ist nicht nur ein Filmtitel, er steht synonym für die Hauptfigur. Warum also eine auf den ersten Blick ziemlich generisch klingende „Immigrant in Los Angeles driftet in die Kriminalität ab und zeigt anhand seiner Erfahrungen die dunklen Seiten des verlogenen US-amerikanischen Traums auf"-Geschichte erzählen und dafür diesen ikonischen Namen recyclen? Egal wie gut dieser Film auch werden mag, manche Werke der Filmgeschichte sollte man einfach ruhen lassen. Einfach aus Respekt. Bisher ist schließlich auch noch niemand auf die Idee gekommen, Der Pate mit Channing Tatum als Michael Corleone neu aufzulegen.

Vielleicht sollten wir in Anbetracht der Alternativen froh sein, dass immerhin nicht versucht wird, die Geschichte von Tony Montana neu zu erzählen. Schließlich gibt es niemanden auf der ganzen Welt, der so schön fluchen kann wie Al Pacino.