Eine Waffel mit zwei Kugeln Eis liegt auf dem Boden
Foto: Indeed | Getty Images
Sommerjob

In einer Eisdiele zu arbeiten, ist der blanke Horror

Von Beziehungsdramen, Arschlochkunden und Punks, die dir vor den Laden kacken.
Bettina Makalintal
Brooklyn, US

Schreiende Kinder, Eiscremeflecken und vielleicht noch laktoseintolerante Kunden, die die Toilette verwüsten: Damit rechnest du vielleicht, wenn du einen Job als Eisverkäuferin annimmst. Aber einen Haufen menschlicher Kacke vom Boden aufsammeln zu müssen, weil du zwei Straßenpunks gesagt hast, dass sie nicht ständig den Eingang zum Laden blockieren sollen, gehört eher nicht dazu.

Eis zu verkaufen klingt nach einem tollen Job. Du machst Menschen glücklich, wirst nach Mindestlohn bezahlt, bekommst Trinkgeld und obendrein Eis umsonst. In Wahrheit ist die Arbeit aber weit weniger glamourös, als du denkst.

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Das gilt zwar für die meisten Jobs im Verkauf. Trotzdem war kein einziger davon so anstrengend wie der in der Eisdiele – auch nicht der an der Walmart-Kasse.


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Ich arbeitete in der beliebtesten Eisdiele von ganz Cambridge, Massachusetts. Ich bediente haufenweise Start-up-Prolls vom MIT und breitschultrige Ruderer, die zur großen Regatta in die Stadt gekommen waren. Bei gutem Wetter reichte die Schlange der Wartenden um den halben Block, bei schlechtem Wetter manchmal auch.

Bitte nicht falsch verstehen: Vieles an dem Job war gut. Die meisten Menschen waren nett, manche Stammkunden fast wie Freunde. Das Team war größtenteils toll und meine Chefs behandelten mich, als würde ich zur Familie gehören. Ich fühlte mich in der Eisdiele wie zu Hause. Die negativen Momente waren dafür aber umso schlimmer.

Vier Jahre lang waren meine Arbeitstage von endlosen Schlangen, tropfender Eiscreme und dem nächtlichem Wischen verklebter Böden bestimmt. An manchen Tagen schien gar nichts zu klappen. Die Klimaanlage fiel aus, wenn es draußen 35 Grad hatte oder gerade alle am Samstagabend nach dem Abendessen zu uns wollten. Kolleginnen kamen einfach nicht zur Arbeit, andere verschütteten Milchwasser im ganzen Laden. Auf dem Weg zur Tonne riss der Müllsack. Und die überforderte Fettabscheideranlage stank bestialisch, weil eben nicht einfach beliebig viel Eis durchpasst, bis das Ding verstopft. Alles halbwegs normal für einen Job in der Gastronomie.

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Die langen Schlangen führten nicht nur zu hohe Erwartungen bei den Kundinnen, sondern auch zu schlechter Laune. Noch öfter als die Technik versagte die Kundschaft. Menschlich. Ich erlebte Dramen und bekam Frust, manchmal auch Gemeinheiten ab. Wenn man einige Zeit mit Menschen gearbeitet hat, spürt man schnell, wer einen nicht mag: sie raunzen dich an, blicken dir nicht in die Augen, oder knallen dir das Geld auf die Theke. Mit der Zeit habe ich gelernt, unangenehme Momente einfach auszublenden. Erste Dates zum Beispiel erkennst du daran, dass keiner von beiden weiß, wer bezahlen soll. Auch immer schön sind Gruppendiskussionen darüber, wer jetzt mit der Rechnung dran ist.

Etwas harmloser, aber nicht weniger frustrierend waren Menschen, die wissen wollten, wie lang die Schlange wohl in einer halben Stunde sein würde. Um halb acht, an einem Freitagabend. Als wären wir eiskugelnrollende Hellseherinnen. Nachdem sich ein verärgerter Kunde eine gute halbe Stunde später über meine ungenaue Vorhersagen beschwert hatte, habe ich die Frage nicht mehr beantwortet. Eine andere Kundin wollte, dass wir die Chocolate Chips aus ihrem Eis pulen. Andere verlangten ihr Geld zurück, weil ihre Eistorte geschmolzen war. Sie hatten sie natürlich nicht ins Gefrierfach gestellt. Nach Ladenschluss hämmerten immer wieder Menschen wütend gegen die Scheibe und verlangten Eis.

Wenn die Leute morgens wegen eines Kaffees oder ein Croissants in den Laden kamen, gab es eigentlich nie Probleme. Eis war da einfach eine ganze andere Liga.

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Damit aber nicht genug: Betrunkene Männer stolperten spätabends in den Laden und brüllten rum; Gäste klauten Trinkgeld; eine Frau schrie mich an, dass ich für sie die abgelaufene Schlagsahne aus dem Müll holen solle. Es war Fastnachtsdienstag und sie wollte es sich vor der Fastenzeit noch einmal richtig geben, aber die Schlagsahne war aus. Ich hätte auch nie gedacht, verheulte Pärchen vor der Kasse stehen zu haben, die weder miteinander noch mit mir sprechen. Manche versuchten auch, mich in ihre Beziehungsprobleme reinzuziehen. Ein Mann verlangte mehrmals von mir, ich solle das Alter seiner Partnerin schätzen. Ich habe seine Bitte ignoriert.

Mit 32 Sorten im Laden und noch mehr im Sortiment passierte es immer wieder, dass eine bestimmte Sorte gerade ausverkauft war. Auch das führte zu einigen heftigen Ausrastern – meistens von Erwachsenen, die nicht darauf klarkamen, dass wir Espresso-Eis hatten, aber kein Kaffee-Eis. Meistens waren die Leute einfach nur angepisst, dass sie nicht genau das bekamen, was sie wollten. Manche waren traurig, weil sie die fehlende Sorte nicht für sich, sondern für eine Freundin im Krankenhaus kaufen wollten. Andere Leute verlangten eine bestimmte Sorte, weil sie diese an jemanden erinnern würde. Ich hoffe wirklich, dass sich diese Menschen das nicht alles bloß ausgedacht haben.

Wenn die Leute morgens wegen eines Kaffees oder ein Croissants in den Laden kamen, gab es eigentlich nie Probleme. Eis war da einfach eine ganze andere Liga. Eis ist etwas Besonderes. Essen müssen wir alle, aber Eis ist vor allem Zucker und Fett.

Es geht um Genuss, um Belohnung, manchmal um Trost. In stressigen Zeiten kann ein Eis dich beruhigen, schöne Zeiten kann es noch schöner machen. Und als Angestellte in einer Eisdiele bist du diejenige, die diese Gefühle ermöglicht. Wenn du diese Erwartungen aber nicht erfüllst, lernst du Menschen schnell von ihrer schlechten Seite kennen. Die schwüle Hitze im Sommer dürfte auch nicht geholfen haben.

Zwei Jahre nach meiner letzten Schicht mache ich immer noch einen Bogen um Eisdielen. Das lange Anstehen lohnt sich meiner Meinung nach sowieso nicht. Ich frage mich auch immer, wann die Leute hinter dem Tresen die Softeis-Maschine das letzte Mal gründlich sauber gemacht haben. Wenn ich dann doch mal reingehe, bin ich überfreundlich und lasse ein gutes Trinkgeld da. Wer auch immer hinter der Theke steht, hat es definitiv verdient.

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