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Wie das österreichische Asylwesen Frauen benachteiligt

Frauen auf der Flucht haben mit ganz speziellen Problemen zu kämpfen. Dennoch gehen die Behörden nur minimal darauf ein.
Symbolbild | Foto: Jazzmany / Shutterstock.com

Viel zu oft war in der Flüchtlingsdebatte schon die Rede von "den jungen Männern", die sich da mit ihren Smartphones und ohne Frauen oder Kinder auf den Weg in ein besseres Leben gemacht haben. Dabei sind aktuell mehr als die Hälfte aller weltweit Flüchtenden Frauen, die während der Flucht oftmals mit Gewalt, Ausbeutung und sexueller Belästigung zu kämpfen haben, wie Amnesty International berichtet. In Österreich machen Frauen etwa ein Drittel aller Antragsteller auf Asyl aus. Laut der Katholischen Frauenbewegung werden die Frauen, die einen Asylantrag stellen, in Österreich noch dazu stark benachteiligt.

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"Frauen sind in der Verfahrenspraxis häufig benachteiligt, weil es an Sensibilität für ihren jeweiligen kulturellen und sozialen Kontext mangelt. Es gebe zwar in Fällen, in denen Verdacht auf geschlechtsspezifische Verfolgung bestehe, die Möglichkeit, speziell geschulte Bedienstete beizuziehen, doch brauche es viel Sensibilität, um überhaupt einmal zu einschlägigen Aussagen vorzudringen. Teilweise fehle es bei Frauen in Asylverfahren auch an Bewusstsein für erfahrenes Unrecht, etwa, was Genitalverstümmelung oder Zwangsheirat, aber auch Gewalt generell betreffe", wird Veronika Pernsteiner, die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung, in einer Aussendung zitiert.

Laut der Genfer Konvention sind diejenigen Flüchtlinge anzuerkennen, die aufgrund von Ethnie, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung verfolgt werden. Frauen fallen hier unter den Sammelbegriff "Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe", was einen gewissen Interpretationsspielraum lässt.

Frauenspezifische Fluchtgründe sind in der Genfer Konvention nicht explizit angeführt. Seit die UNHCR 2002 jedoch "die Richtlinien zum internationalen Schutz – Geschlechtsspezifische Verfolgung" herausgegeben hat, wird die Konvention dementsprechend ausgelegt und schließt auch Fluchtgründe, die mit sozialer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, mit ein.

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Generell werden weibliche Flüchtlinge in Österreich aktuell in manchen Bereichen anders behandelt als männliche—zumindest im Idealfall. Die österreichische Rechtssprechung legt im Asylgesetz fest, dass Frauen, die aufgrund von geschlechtsspezifischer Verfolgung in Zusammenhang mit einem Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung geflohen sind, das Recht haben, von Personen des gleichen Geschlechts einvernommen zu werden. Diese müssen auch speziell geschult sein.

Empathie und Atmosphäre fehlen, um Frauen den nötigen Raum und die nötige Sicherheit zu geben, sich zu äußern.

Dieses Recht können Frauen geltend machen, indem sie bei der Erstbefragung ihren konkreten Fluchtgrund angeben. Das bestätigt auch Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck auf Nachfrage von VICE. Außerdem gebe es eine besondere Rücksichtnahme, was die Wohnsituation betrifft: "In Traiskirchen gibt es zum Beispiel einen eigenen Wohntrakt mit eigenem Sicherheitsdienst, wo keine Männer Zutritt haben." Wie sich Regelungen wie diese in der Praxis tatsächlich umsetzen lassen, bleibt offen. Denn die Hemmschwelle, sofort nach der Ankunft in Österreich mit der erstbesten Ansprechpersonen über derartig sensible Themen zu sprechen, ist für viele Frauen mit Sicherheit hoch.

Die Katholische Frauenbewegung ist jedenfalls aus genau diesen Gründen nicht der Meinung, dass es einer gesetzlichen Änderung bedarf. Der gesetzliche Rahmen sei nämlich spätestens seit Veröffentlichung der UNHCR-Richtlinien nicht mehr das Problem; anders sehe es da mit der gängigen Verfahrenspraxis aus, wie es auf Nachfrage von VICE heißt. "Frauen kommen nicht ausreichend zu Wort und Wissen", meint Elisabeth Ohnemus, die Sprecherin der Katholische Frauenbewegung. "Empathie und Atmosphäre fehlen, um Frauen den nötigen Raum und die nötige Sicherheit zu geben, sich zu äußern." Dazu brauche es eine "bessere, systematische Ausstattung mit einschlägig geschultem Personal". Eine weitere Gruppe, die sich mit diesem Thema beschäftigt, ist die Initiative für Frauen auf der Flucht. Sie fordert im Gegensatz zum katholischen Frauenbund eine "explizite, gesetzliche Nennung der frauenspezifischen Fluchtgründe", da diese die Chancen auf Anerkennung des Schutzstatus erhöhen, wie es auf der Facebook-Seite der Initiative heißt.

Wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. In den rechtlichen Grundlagen wird außer Acht gelassen, dass Frauen oft mit ganz speziellen Fluchtgründen zu kämpfen haben. Das explizite Nennen frauenspezifischer Fluchtgründe wäre zumindest ein wichtiges Zeichen. Und obwohl Grundböck hier anderer Meinung ist und laut ihm ausreichend auf die spezifischen Bedürfnisse geflüchteter Frauen eingegangen wird, scheint es, als würde den Behörden die notwendige Sensibilität für diese Themen fehlen. Aber nicht nur ihnen; allein durch die Tatsache, dass wir Flüchtlinge aufgrund der Medienberichterstattung oft als männlich wahrnehmen, laufen wir Gefahr, für die Probleme weiblicher Geflüchteter blind zu werden.

Verena auf Twitter: @verenabgnr