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Wir haben mit dem Mann gesprochen, der versucht hat, Thilo Sarrazin zu torten

Über die wichtigen Fragen: Was war es für eine Torte? Welche eignen sich besonders gut für einen politischen Wurf? Und warum hat er damals nicht getroffen?

Foto: privat

Als Thilo Sarrazin bei einer Lesung in Düsseldorf mit einer Torte beworfen wurde, war nicht klar, wer hinter der Aktion stand. Inzwischen bekannte sich die Interventionistische Linke Düsseldorf (see red!) zu der Tat. Johannes, der die Torte schmiss, erwischte allerdings eher den Securitymann als Sarrazin und wurde danach aus der Buchhandlung abgeführt. Gegen Johannes wird jetzt wegen tätlicher Beleidigung ermittelt. Wir haben mal bei ihm angerufen.

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Zu schön, um geworfen zu werden: Torten auf Munchies

VICE: Eine Frage hat uns in der Redaktion nicht losgelassen und bei der Polizei konnte es uns auch niemand sagen: Was für eine Torte habt ihr verwendet?
Johannes: Das war eine Schwarzwälder Kirschtorte. Wir haben uns gesagt: "Zu einem reaktionärem Gesicht gehört eine entsprechende Torte." Außerdem war sie recht klein, sodass wir sie einfacher zu der relativ kleinen Veranstaltung mitnehmen konnten.

Habt ihr selbst gebacken?
Nee, es war eine billige Tiefkühltorte vom Netto.

Hättest du trotzdem ein Rezept für eine ballistisch einwandfreie Wurftorte auf Lager?
Ich glaube, ich würde mir nicht extra die Mühe machen zu backen. Das wäre mir Sarrazins Gesicht nicht wert. Aber bei gekauften Torten würde ich auf jeden Fall empfehlen, sie vorher aufzutauen. Wir wollen ja auch niemanden verletzen.

Ihr habt euch also Sorgen um Thilo Sarrazins Gesicht gemacht?
Unser Ziel ist es nicht, Menschen zu verletzen—selbst nicht Thilo Sarrazin. Aber wir wollten zeigen, dass er hier in Düsseldorf nicht willkommen ist. Dass wir solche rassistischen Äußerungen hier nicht tolerieren werden und dass es darauf immer eine Reaktion geben wird. Sarrazin ist gewissermaßen der Vordenker dessen, was die AfD jetzt ist. Er ist zutiefst menschenfeindlich in dem, was er von sich gibt. Damit ist er der inhaltliche Brandstifter für die Leute, die später Flüchtlingsunterkünfte anzünden. Wir sind nach wie vor überzeugt, dass es die richtige Aktion war.

Nach dem Tortenwurf auf Sahra Wagenknecht waren Sarrazins Securitys wahrscheinlich in höchster Alarmbereitschaft. Wie habt ihr es geschafft, die Torte reinzuschmuggeln?
Das war ganz lustig, weil sie tatsächlich unsere Taschen kontrolliert haben. Die Torte in meinem Rucksack haben sie aber nicht bemerkt—oder nicht als Gefahr erkannt. Beim Wurf sind die Securitys dann aber aktiver gewesen: Sie gingen dazwischen.

Habt ihr deshalb verfehlt?
Genau. Bei von Storch und Wagenknecht wurde die Torte ins Gesicht gedrückt. Wir mussten sie schmeißen, weil ein Securitymann auf uns zugestürmt kam, sobald wir die Torte in der Hand hatten. Ein Wurf in so einer Hektik ist natürlich ein bisschen schwierig. Deshalb hat leider auch nicht die ganze Torte Sarrazin getroffen, sondern nur 30 Prozent davon. Oder sogar ein bisschen weniger, schließlich wurde nur sein Arm gestreift. Aber am Ende geht es ja auch nicht um einen Wettkampf, wer den besten Wurf macht, sondern um die politische Aktion. Und bei der waren wir deutlich, denke ich.

Werden Torten nicht langsam öde?
Ich finde, es wird gerade erst richtig schön. Auch wenn wir nicht die ersten mit dieser Methode waren: Ich fände es gut, wenn Torten zum neuen Klassiker des zivilen Ungehorsams werden würde. Wir haben bisher viele Sitzblockaden bei Demos und Naziaufmärschen gemacht: Ich finde, bei dieser Zuspitzung rechter Gewalt in unserer Gesellschaft können wir auch über andere Aktionsformen nachdenken. Tortenwürfe zur Markierung rassistischer Äußerungen—warum nicht?