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In einem Supermarkt wurden drei neue Pilzarten entdeckt

Mykologen in Großbritannien habe eine neue Art von Steinpilzen entdeckt—und zwar nicht in den abgelegenen Wäldern Italiens, sondern in einem Lebensmittelgeschäft außerhalb Londons. Also haben Menschen sie auch gegessen. Sorry, liebe Biodiversität.
Photo via Flickr user Tatiana Bulyonkova

OK, der Eisbär ist vielleicht gerade vom Aussterben bedroht, aber es werden auch ständig neue Arten von Lebensformen entdeckt. Metallfressende Pflanzen, fleischfressende Pflanzen. Es gibt ja sogar Haie, die gehen können. Viele dieser Arten wie der knochenfressende Schleimblumen-Wurm werden auf dem Meeresboden oder unter den Baumkronen brasilianischer Regenwälder entdeckt.

Andere könnten sich aber auch in deinem Risotto befinden. Genau jetzt.

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Ein Paradebeispiel: Vergangenen Oktober entdeckten Wissenschaftler in den Kew Royal Botanic Gardens in London zu ihrer großen Überraschung drei neue Pilzarten, die aus einem Lebensmittelgeschäft in der Nähe von London stammten. Unlängst haben sie ihre Ergebnisse veröffentlicht.

Die besagten Pilze gehören zur Art der porcini (Steinpilze), was „Schweinchen" auf Italienisch bedeutet und deshalb ein mykologischer Insider unter Köchen ist. Die Biologen Bryn Dentinger und Laura Duz führten eine genetische Analyse des Inhalts einer Packung Steinpilze durch und fanden darin 15 verschiedene Pilzarten. Drei davon wurden bisher weder beschrieben, noch wurde ihnen eine Bezeichnung zugeordnet.

Dass sich bisher unbekannte Pilzarten unbemerkt in unsere Lebensmittel schleichen konnten, ist wieder einmal ein Zeichen dafür, wie wenig sogar Lebensmittelproduzenten über Biodiversität wissen.

Neue Arten des Steinpilz sind keine besonders bahnbrechende Entdeckung. Wissenschaftler glauben, dass derzeit ungefähr 10 Millionen Pilzarten existieren und jährlich ungefähr 1200 neue hinzukommen. Allein seit 2000 wurden insgesamt 18 neue Steinpilzarten entdeckt. Dass sich bisher unbekannte Pilzarten aber unbemerkt in unsere Lebensmittel schleichen konnten, ist wieder einmal ein Zeichen dafür, wie wenig sogar die Lebensmittelproduzenten über Biodiversität wissen. Möglicherweise essen wir also ständig unbekannte Fungi.

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Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass es zumindest ein bisschen alarmierend ist, dass wir weder wissen, was wir essen, noch was wir exportieren. „Die Identifizierung dieser Arten wird uns ermöglichen, die Vorschriften zur Lebensmittelsicherheit zu verbessern und wir können dafür sorgen, dass sich Länder strenger an die internationalen Abkommen über die Naturausbeutung halten", schreiben sie.

Die Pilze waren ein Produkt der Firma Tropical Wholefruits, die in Gaia Wholefoods in Twickenham verkauft wurden. So wie auch die Hälfte aller Steinpilze in Italien, stammten diese aber aus China. Dort werden zur Zeit unglaubliche Mengen von Pilzen exportiert, die im Vergleich zu europäischen Lieferanten nur einen Bruchteil davon kosten. China ist weltweit der größte Pilzexporteur und -konsument. In der Yunnan Provinz, aus der die neu entdeckten Arten sowie zahlreiche andere Pilze stammen, wird mehr als die Hälfte des Exportwertes des gesamten Landes produziert.

Das plötzliche Auftreten neuer Arten hat wahrscheinlich weniger mit der mangelhaften Inspektion, als vielmehr damit zu tun, dass es den Produzenten an DNA-Sequenziergeräten fehlt, mit denen sie jeden einzelnen geernteten Pilz analysieren könnten.

Versuche, Pilze in industrieller Massenproduktion herzustellen, scheiterten in der Vergangenheit. Deshalb werden Steinpilze bis heute gesammelt und nicht gezüchtet. (Steinpilze sind Mykorrhizapilze und deshalb von einer Versorgerpflanze abhängig, um wachsen zu können; oftmals sind das Pinien- oder Tannenbäume). Trotz des niedrigeren Preises, haben chinesische Steinpilze wegen ihrer minderwertigen Qualität einen schlechteren Ruf unter Köchen, als die europäischen Pilze. Für Konsumenten, die den Unterschied nicht kennen oder denen er egal ist, macht ihr niedriger Preis sie dennoch attraktiv.

Aber wie kamen bislang unbekannte Pilze überhaupt nach Großbritannien? China hatte schon länger Probleme mit der Überwachung und Sicherheit der Lebensmittelexporte, zum Beispiel bei einer Staphylokokkeninfektion als Folge von Dosenpilzen. Im Falle dieser Pilze hat das plötzliche Auftreten neuer Arten jedoch wahrscheinlich weniger mit der mangelhaften Inspektion, als vielmehr damit zu tun, dass es den Produzenten an DNA-Sequenziergeräten fehlt, mit denen sie jeden einzelnen geernteten Pilz analysieren könnten.

Und für einen Nicht-Mykologen klingen die Beschreibungen der drei Arten auch beinahe identisch: "Essbarer, fleischiger Pilz mit hellbraunem bis braunem Schirm, keulenförmiger Stiel, bei Verfall grün-gelb und schlauchförmig". Konsumenten, die den Unterschied zwischen einem keulenförmigen und beispielsweise einem spindelförmigen Stiel nicht kennen, werden wahrscheinlich auch nicht in der Lage sein zu erkennen, dass die Art von Lebensform, die sie gerade verzehren, der Wissenschaft noch unbekannt ist.

Also bete einfach, dass du keine Art ausrottest, wenn du das nächste Mal Stroganoff kochst.