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DIY

Wie ich in Portugal einen Hahn getötet habe

Vor kurzem habe ich in Portugal gelernt, wie man einen süßen, knuddeligen Hahn für ein traditionelles Blutreis-Hähnchen-Gericht schlachtet und verarbeitet. Das Problem dabei war, dass niemand ein Wort Englisch sprach.

In den mit perfekt geschlachtetem und in Plastikfolie eingeschweisstem Fleisch vollgepackten Gängen der Supermärkte dieser Welt vergisst man oft, dass es mal eine Zeit gab, in der man gar kein Fleisch aß, wenn man es nicht selbst getötet hatte. Nun ist es meistens so, dass die Leute ihre Tiere gar nicht mehr töten und verarbeiten, außer sie sind Landwirte.

Als ich letztens in Portugal das Angebot bekam, ein lebendes Huhn zu schlachten, zu verarbeiten und aus dem ganzen Tier ein traditionelles Gericht zuzubereiten, nahm ich dieses Angebot mit einer Mischung aus Angst und Aufregung an.

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Ich habe über die Portugiesen gelernt, dass sie auch wirklich gar nichts verschwenden. Sie verwenden die minimalen Reste in einer fast leeren Weinflasche für die Herstellung von selbst gemachtem Weinessig oder nutzen das Kochwasser von gekochten Meeresfrüchten für ein Reisgericht am nächsten Tag. Kurz gesagt: Sie wissen einfach, wie man sich wirklich alles in der Küche zu nutzen macht. Das gilt besonders für Arroz de Cabidela, ein portugiesisches Reisgericht, bei dem fast das ganze Huhn—sogar das beim Schlachten gesammelte Blut—verwendet wird.

Ich habe immer Folgendes geglaubt: Wenn du schon Fleisch isst, dann solltest du auch wissen, wie sich das Töten anfühlt. Dieser Gedanke war auch einer meiner Beweggründe, warum ich bei dieser ganzen Hühnchentötung mitmachte. Aber als das Ereignis immer näher rückte, fiel ich auch immer mehr zurück in meinen glücklichen Zustand der mordlosen Ignoranz bezüglich dem Thema—vor allem, als ich das Hühnchen sah, das in Wirklichkeit ein Hahn war. Du weißt schon, Verständigungsschwierigkeiten und so.

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Sorry, Bro.

Er war auf diese schäbige, ‚Ich kratz' dir die Augen aus, wenn ich könnte'-Art irgendwie süß und ich hatte sofort den starken Drang, mich zu verdünnisieren, vor allem als mir klar wurde, das wir den armen Kerl nicht mit einem großen Fleischerbeil umbringen würden, so wie ich mir das vorgestellt hatte (ein tödlicher Schwung und die ganze Sache ist vorbei). Nein, da war nur ein gebräuchliches Küchenmesser und ein kleiner Holzstumpf. Mir fiel sofort die Szene aus Game Of Thrones ein, in der Ser Rodrik stümperhaft enthauptet wird. Ich bin dann das Arschloch, wegen dem der Hahn unehrenhaft stirbt, weil ich Schiss bekomme und mich nicht ordentlich ins Zeug lege. Scheiße.

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Zum Glück waren Betta und Christina dabei, meine zwei portugiesischen Expertinnen im Schlachten von Hähnen. Sie retteten den Tag. Hab ich schon erwähnt, dass keine der beiden Ladys auch nur ein Wort Englisch sprach? Der ganze Schlachtprozess war das intensivste Spiel Scharade, an dem ich je teilgenommen habe.

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Der Tatort.

Die Mordwaffe auf einer liebevoll bestickten Tischdecke.

Die beiden Frauen haben schon Hähne geschlachtet, da war ich noch gar nicht geboren. Also hatten sie auch ein paar Profitricks drauf, die sie sich durch jahrelange Übung angeeignet haben. Erster Schritt: Um den den Hahn ordentlich einzufangen, ohne dass er dich kratzt oder deinem Griff entkommt, musst du den kleinen Kerl so halten, dass sich die Flügel hinter seinem Rücken befinden. Zweiter Schritt: Um zu verhindern, dass das gleich vergossene Blut gerinnt, musst du eine kleine Schale mit Essig füllen, den Hals des Hahnes so drehen, dass die Venen gespannt sind und dann mit nach unten zeigender Messerklinge die Halsschlagader durchschneiden, damit das Blut nach unten in die Schüssel abläuft. Sonst wirst du anscheinend von oben bis unten eingesaut.

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Zu diesem Zeitpunkt war der Hahn tot und sein Körper nur noch ganz leicht am zucken. Ich befand mich in einem totalen Schockzustand, als er in die Schüssel ausblutete. Während all dies geschah, bellte uns eine Gruppe Hunde von der anderen Seite des Zaunes aus an, weil sie den Hahn ganz für sich alleine wollte. Gar nicht stressig. Aber zum durchdrehen war gar keine Zeit, denn diese ganze Hahnenschlachten-Geschichte geht eigentlich ziemlich schnell vorbei, insgesamt in ungefähr 15 Minuten.

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Dann ging es weiter zum Rupfen. Als Erstes legst du den Hahn in einen Eimer und kippst dann einen Topf gerade zum Kochen gebrachtes Wasser drüber. So lockern sich die Federn. Ziemlich komisch.

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Gleich nachdem der Hahn alle Federn gelassen und sich die Haut von seinen Füßen gelöst hatte, war es an der Zeit, die Organe zu entfernen. Vor diesem Teil hatte ich am zweitmeisten Schiss. Wir hoben das Herz und die meisten der Organe für den Reis auf und entsorgten den Darm. Danach zerteilten wir den Hahn in einzelne Teile. Das war das Einzige, das ich vorher schon mal gemacht hatte, und zu diesem Zeitpunkt war ich echt froh über eine mir bereits bekannte Aufgabe.

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Schnell vorgespult zum darauffolgenden Tag: Der Hahn war jetzt 24 Stunden lang gelegen und bereit für den Kochtopf. Blutreis ist eigentlich ein überraschend einfach zubereitetes Gericht. Als Erstes musst du eine große, gewürfelte Zwiebel in einem großen Topf anbraten, bis sie eine schöne, braune Farbe annimmt. Dann gibst du die ganzen Teile des Hahnes dazu, inklusive der Organe und der Füße.

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Danach übergießt du das Ganze mit Wein, denn Wein macht alles besser—sogar Hahnenherzen. Sobald alles zusammen kocht und der Hahn braun gebraten ist, nimmst du den Reis aus der Schüssel und gibst ihn in unser Gericht. Und sobald der Reis gar ist, kommt die sehr spezielle Zutat ins Spiel: Hahnenblut.

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Rühr das ganze Zeug nur noch um und lass es ein wenig köcheln. Voilà.

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Hahn auf Blutreis wird in kleinen, süßen Terrakotta-Hahnenschüsseln serviert—als ob ich so vergessen würde, was ich da gerade esse.