Ich habe mich einen Tag lang nur von Mikroalgen ernährt

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Dänemark

Ich habe mich einen Tag lang nur von Mikroalgen ernährt

„Mikroalgen sind zwar gesund, schmecken aber nach Aquarium, das wollen die Leute nicht essen.“ Doch die Dänen von Onemeal experimentieren fleißig an besseren Geschmacksrichtungen für den Snack der Zukunft.

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Es ist Nachmittag, der Magen knurrt, obwohl du vor ein paar Stunden das Pasta-Buffet in der Kantine geplündert hast und das Abendessen auch nicht mehr weit ist – wahrscheinlich wieder etwas zum Mitnehmen auf dem Weg nach Hause. Du musst dich um deinen Magen kümmern, aber ein kleiner Snack muss ja nicht immer aus Bananen und Snickers bestehen. Mir sind snacktechnisch die Augen geöffnet wurden, dank Mikroalgen aus der Tasse.

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Trinkbare Algen: Ist das nicht eher etwas für Fische oder Leute mit einem extremen Ernährungsplan? Na ja, Mikroalgen sind derzeit die neue Lieblingszutat der Gastronomen. Und die Zutat für ein neues dänisches Produkt: Onemeal.

Lange Rede, kurzer Sinn: Onemeal ist ein leckerer pulverförmiger Snack, der vor trendigen Schlagwörtern nur so strotzt: dunkles und helles Miso, Erbsenprotein, Spirulina und Chlorella. Erfunden wurde Onemeal von den Köchen Francis Cardenau, Mikkel Marbjerg und Nikolaj Kirk, die gemeinsam die freudige Botschaft verkünden wollen: Mikroalgen sind jetzt essbar.

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Francis und Christina Høgh Selmer Kirk, die Leiter von Onemeal, nehmen mich mit in ihre Küche, denn ich will erfahren, wie viel Alchemie nötig ist, um neue Geschmacksrichtungen zu kreieren. Die Köche haben jahrelang experimentiert, damit die Algen auch lecker werden. „Mikroalgen schmecken ekelhaft", meint Christina. „Fast wie Fischfutter. Man kann den Geschmack nur schwer überdecken, das war eine große Herausforderung für uns. Mikroalgen sind zwar gesund, schmecken aber nach Aquarium, das wollen die Leute nicht essen."

Onemeal alger. Foto: Kristian Nielsen

Foto von Kristian Nielsen

Gesundheit ist ihr geringstes Problem: Bei Superfoods wird es schwer, etwas zu finden, das noch mehr „super" schreit als ihre Kombination. Mikroalgen sind eine der besten natürlichen Proteinquellen – sie enthalten doppelt so wie Eiweiß wie Rindfleisch – und mit den anderen Zutaten wird daraus eine geballte Ladung an Omega-3-Fettsäuren, Eisen, Calcium und Vitaminen, um den hungrigen Magen all derjenigen zu stillen, die viel zu gestresst sind, um jeden Tag gesund und abwechslungsreich zu essen.

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Es geht darum, dem Körper etwas Gutes zu tun ohne dabei der Umwelt zu schaden. Deshalb sind alle Zutaten bio und die Macher versuchen, bei regionalen Produzenten einzukaufen. Es gibt ein paar Hersteller für Bio-Mikroalgen in Dänemark, doch keiner von ihnen produziert so viel, wie die Leute von Onemeal brauchen.

Um den Geschmack und die Eigenschaften von Onemeal zu testen, stelle ich mich einer Herausforderung. Vor meinem Treffen mit Francis werde ich mich einen Tag lang nur von dieser Suppe aus Algenpulver ernähren. Dafür wurde Onemeal natürlich nicht gemacht, aber ich will herausfinden, was Superfoods in der Dosis Gutes für meinen Körper tun können, den ich ziemlich vernachlässigt habe.

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Als ich ihm von meiner Idee erzähle,muss Torsten Rojas-Danielsen von Onemeal ein wenig schmunzeln. Gesundheitlich sollte das kein Problem sein, doch eine kleine Warnung hat er trotzdem: „Dein Magen könnte dadurch ein bisschen rebellieren." Doch Francis meint: „Das würde aber auch passieren, wenn du den ganzen Tag Foie Gras isst."

Während ich in Tagträumen schwelge, wie ich den ganzen Tag nichts außer fettiger Gänseleber esse, gieße ich mir zum Frühstück das Algenpulver in ein Glas. Meine Mikroalgenkur beginnt. „Was ist das?", fragt mich einer meiner Kollegen skeptisch. Die Mischung erinnert an dünnflüssigen dunkelgrünen Schlamm – der Geruch passt dazu. Es riecht irgendwie nach Fischfutter und irgendwie auch nicht. Ein leichtes Thymian- und Misoaroma schwingt mit. Schmeckt besser, als es riecht und erinnert mich an japanische Pulversuppen.

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Foto: Martin Kaufmann

Foto von Martin Kaufmann

Es ist zwei Uhr nachmittags, mittlerweile habe ich drei Portionen hinter mir. Experten würden mir raten, über den Tag verteilt 15 bis 20 Onemeals zu essen, um genug Kalorien zu mir zu nehmen, aber das scheint mir nicht realistisch. Eine Nebenwirkung (oder Bonus-Effekt, je nachdem, ob man meinen Gaumen oder mein Herz fragt) ist, dass ich viel weniger Kaffee trinke, weil ich immer mit einem Glas warmer Flüssigkeit bewaffnet bin. Meine Zunge fühlt sich an wie damals, als ich einmal Koka-Blätter gekaut habe, aber ohne das Taubheitsgefühl und den kleinen Rausch.

Bei der siebten Portion fange ich an zu freestylen. Ich brauche etwas zum Kauen, also gebe ich mal ein paar Hörnchennudeln dazu und eine Handvoll geriebenen Käse. Eine kleine Abwandlung, die ich dringend brauchte. Und so bekomme ich auch das letzte Onemeal des Tages ohne Probleme runter.

Am nächsten Tag ist Francis schon super gespannt auf das Ergebnis meiner Pasta-Experimente. Ich muss wegen meiner Mixturen kein schlechtes Gewissen haben. „Wir probieren immer neue Sachen aus, um den richtigen Geschmack und die perfekte Balance zu finden. Probieren wir es mal mit Maca", meint er und holt peruanische Kresse und gefriergetrocknete Heidelbeeren.

Und Onemeal ist auch nicht nur als Snack gedacht: „Manchmal benutze ich es als Gewürz", erzählt Christina. „Nur einen Löffel zu gebratenem Gemüse. Francis hat mal Tomatensuppe gemacht und wir haben noch einen Löffel Onemeal dazugeben – fantastisch."

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Onemeal alger. Foto: Kristian Nielsen

Foto von Kristian Nielsen

Francis verrührt die neue Mischung mit Heidelbeeren und Rosenwasser. Die lila Flüssigkeit schmeckt gut, hat aber die falsche Konsistenz. „Ich hätte natürlich warmes Wasser benutzen sollen!", meint Francis laut undschnappt sich eine neue Schüssel. Die alte Schale stellt er zu den anderen missglückten Versuchen, dazwischen stehen kleine Flaschen verschiedener Pflanzenessenzen und Aromen aller Art sowie Matcha und Wasabi. „Das Zeug darf man nicht verschwenden", meint er und gibt eine Prise Chlorophyll zur neuen Mixtur hinzu. „Das kostet 5.000 Kronen [umgerechnet circa 670 Euro] pro Kilo."

Die Süße der Heidelbeeren in Kombination mit Essig, Chilis und anderen Zutaten passt perfekt, es schmeckt total anders als das Original mit Erbsenprotein. Das ist der erste Schritt in Richtung einer Art Dessert-Version, ideal für diejenigen, die etwas Süßes brauchen, um ihren kleinen Hunger zu stillen.

Das Schwierigste daran, einen ganzen Tag lang Onemeal zu essen, ist die Tatsache, dass man nichts zum Kauen hat. Das Produkt wurde als Snack entwickelt, deshalb ist das den meisten Kunden nicht so wichtig, doch das Team weißvon diesem Problem: „Wir haben über gefriertrocknete Stücken Tofu oder Gemüse in der Rezeptur nachgedacht", meint Christina. „Dann hat man ein bisschen Textur."

Onemeal alger. Foto: Kristian Nielsen

Foto von Kristian Nielsen

Francis macht in der Küche mit seinen Experimenten weiter. Er ist gerade bei einer ziemlich abgefahrenen Kombination – er gibt immer mehr Wasabi hinzu, bis er Rotz und Wasser heult –, da kommt ihm plötzlich eine Idee und er fängt an, die Schränke zu durchwühlen. Er fischt Tahini und Sesamöl heraus und mischt beides sofort mit Miso, Spirulina, Ingwer, Erbsenprotein und Chlorophyll. Er sing den Cruella-de-Vil-Song (auf Französisch natürlich) und bei der letzten Zutat vollführt er einen kleinen Tanz. Scheint, als wäre ihm die Mischung gelungen.

„Das schmeckt echt großartig!", ruft Christina – und sie hat Recht. Die schwere Süße der Sesamsamen und die sanfte und doch scharfe Essignote sind ein guter Kontrast zu den Mikroalgen, was mir sehr gefällt. Fast besser als das Original. Francis sieht Potenzial in der Mischung, doch seinMichelin-erprobter Gaumen ist schon wieder einen Schritt weiter und er denkt über gerösteten Sesam nach.

Als ich gehe, arbeiten die beiden schon wieder am nächsten Rezept. Ich habe immer noch den Geschmack von Miso und Wasserlinsen auf der Zunge. Wenn man Francis und seinem Team bei Onemeal glauben darf, muss ich mich irgendwann daran gewöhnen. Mikroalgen gehören zur Ernährung der Zukunft, egal ob wir es wollen oder nicht.