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Dir wird dein Vietnamurlaub vergehen, nachdem du das hier gelesen hast

Wo du heute tropische Landschaften, tolle Strände und schicke Hotels findest, wurden im Vietnamkrieg Ohren abgeschnitten und als Kette aufgefädelt, weil es als Kriegstrophäe galt. Der Student Nick Turse hat sich mit ehemaligen Opfern unterhalten.

Wenn du dachtest, dass du alles, was es über den Vietnamkrieg zu wissen gibt, weißt, liegst du falsch. Hast du schonmal von der „Nur-Schlitzauge-Regel“ gehört? Ein Verhaltenskodex, den das US Militär einführte um es den Soldaten einfacher zu machen, Vietnamnesische Zivilisten umzubringen, und sie somit unmenschlicher darzustellen. („Es ist nur ein Schlitzauge, also drück ab“)

Wir wussten schon immer, dass der Vietnam Krieg ein unsägliches Verbrechen war. Aber jetzt hat der Student Nick Turse in US Militär Archiven geheimen, internen Militärermittlungen von US-verübten Gräueltaten entdeckt, die er als primäre Quellen für sein Buch Kill Anything That Moves: The Real American War in Vietnam verwendete. Ausführliche Berichterstattung in Vietnam und amerikanische Veteranen erinnern uns daran, dass die wichtigste Tatsache im Vietnamkrieg oftmals übersehen wird: das gigantische und verheerende Leiden der vietnamesischen Zivilbevölkerung. Nick ist dann auch nach Vietnam geflogen, um mit den Leuten zu sprechen, und beschreibt das Ausmaß der Quälerei, das von systematischen Töten, über Zerstückelungen der Leichen mit Trophäen wie einer Kette aus Ohren, Folter, Vergewaltigungen und sogar einem internen Quota, wer die meisten Menschen tötet, bis hin zur Vernachlässigungen jeglicher Aufklärung nach dem Krieg, ein unglaubliches Bild hervorruft, das man kaum beschreiben kann.

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Nicks Buch ließt sich zeitgerecht und doch auch außerordentlich schmerzhaft und ich habe mich vor kurzem mit ihm zusammengesetzt um über die fortwährende Relevanz von Vietnam, Massaker und das heimliche Fotokopieren von US-Regierungsarchiven, zu sprechen.

VICE: Dein Buch dokumentiert, dass der Amerikanische Krieg in Vietnam ein Kampf war, der systematischen gegen die Zivilbevölkerung geführt wurde. Wie unterscheidet sich dein dokumentierter Bericht davon, wie sich an den Vietnamkrieg heutzutage allgemein in den USA erinnert wird?
Nick Turse: Wir haben 30.000 gedruckte Bücher über den Vietnamkrieg und die meisten davon beschäftigen sich mit der amerikanischen Geschichte. Soldaten, Strategie, Taktik, Generäle oder die Diplomatie aus Washington und die Generäle dort. Aber ich hab keine gefunden, die wirklich versuchten die gesamte Story zu erzählen, von dem, was ich als den zentralen Aspekt des Konfliktes ansah, nämlich dem Leiden der vietnamesischen Zivilbevölkerung. Millionen von Vietnamesen wurden von wohl überlegten US-Feldzügen getötet, verwundet oder vertrieben, genauso wie beinahe uneingeschränkt weite Teile des Landes mit Bomben und Artillerie beschossen wurden. Dies sind beabsichtigte Aktionen, die von den höchsten Rängen des US-Militärs angeordnet wurden. Aber jegliche Diskussion über das Leiden der vietnamesischen Zivilbevölkerung wird auf ein paar Seiten oder Paragraphen über das Massaker von My Lai zusammengepresst.

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Das ist nicht das Buch, dass du ursprünglich vor hattest zu schreiben. Erzähl mir von der Vietnam War Crimes Working Group und den Dokumenten die du fandest. 
Ich arbeitete an einem Projekt über posttraumatischen Belastungsstörungen bei Vietnamveteranen. Dafür ging ich in die Nationalarchive hinunter und versuchte, harte Daten und Militärdokumente zu finden, um die Selbstberichte, die wir von den Veteranen über ihre Erfahrungen im Krieg bekommen hatten, abzugleichen. Aber ich kam nicht weit, und nach zwei Wochen hatte ich als Recherche nichts vorzuweisen. Ich ging zu dem Archivar, mit dem ich zusammenarbeitete. Ich sagte ihm, dass ich nicht mit leeren Händen zu meinem Chef zurückkommen könne. Er fragte mich, „glaubst du, dass man posttraumatische Belastungsstörungen davon bekommen könnte, Kriegsverbrechen nur mitanzusehen?“ Ich erklärte ihm, „Exzellente Hypothese“.

Er gab mir mehrere Berichte über Massaker, Morde, Vergewaltigungen, Folter, Körperverletzung, Verstümmelung und so weiter. Die Aufzeichnungen wurden von der Vietnam War Crimes Working Group zusammengestellt, die im Büro des Oberbefehlshaber des Heeres sassen. Ihr Ziel war es, nach dem My Lai Massakers, sämtliche Fälle oder Anschuldigungen von Kriegsvebrechen aufzuspüren. Wann immer es ging, versuchte die Armee die Anschuldigungen zu verharmlosen.

Also wurde die War Crimes Working Group nicht geschaffen, um Grausamkeiten und Kriegsverbrechen zu verhindern oder zu bestrafen?
Genau richtig. Sie haben nicht versucht, Übeltäter zu bestrafen. Sie haben nicht versucht, Kriegsverbrechen zu verhindern oder aufzuklären, sondern arbeiteten aus dem Büro des [Oberbefehlshabers] General [William] Westmoreland. Er war ein paar Jahre zuvor der oberste Befehlshaber in Vietnam und hatte deshalb ein eigennütziges Interesse am Krieg, und daran wie er kommuniziert wurde. Sie spürten nur Sachen auf, um Berichte an den Verteidigungsminister und das Weiße Haus zu liefern, damit die sich gegen mögliche Skandale wappnen konnten.

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Diese Gruppe also stellte diese riesige Ansammlung an Akten zusammen, die ich für meine Arbeit verwendet habe und danach bin ich nach Vietnam geflogen.

Du hast dann versucht, die Grausamkeiten, von denen du in diesen Dokumenten gelesen hattest, mit den Dörfern in denen sie angeblich begangen worden waren, abzugleichen. Was hast du vorgefunden?
Es war sehr viel einfacher, als ich erwartet hatte, die Zeugen und Überlebenden dieser bestimmten Vorfälle zu finden. Allgemein gesprochen, weil Vietnamesen so sehr an ihr Land gebunden sind. Sogar, wenn Leute aus dem Land in die Barackenstädte, Slums und Flüchtlingslager gebombt wurden, kehrten sie nach dem Krieg in ihre Heimatdörfer zurück.

Aber es veränderte mein Projekt komplett, denn ich ging dorthin, um mit Vietnamesen über diesen einen Ausbruch der Gewalt zu reden, den ich in den Aufzeichnungen gefunden hatte, aber worüber sie mit mir sprachen, waren zehn Jahre in denen sie unter Bomben-, Artillerie- und Kampfhubschrauberbeschuss lebten und was es bedeutete, jeglichen Aspekt ihres Lebens um den amerikanischen Krieg herum zu gestalten.

Was mir erzählt wurde, ging über meine Fassungsvermögen hinaus, etwas, das ich niemals aus den Aufzeichnungen entnommen hätte. Ich sprach mit Vietnamesen, die mir davon erzählten, wie ihre Häuser fünf, sechs, sieben Mal niedergebrannt wurden. Irgendwann lebten sie nur noch in Bombenschutzanlagen und dachten darüber nach, wie sie Wege nach draußen finden, um Wasser und Essen zu holen oder um sich zu erleichtern. Und wie sich ihr ganzes Leben darum drehte, herauszufinden wie man nicht getötet wird. Sie sprachen über Artilleriefeuer, das auf eines ihrer Dörfchen niederregnete. Um den Bunker zu verlassen, musstest du warten, bis das Artilleriebombardement vorbei war, aber du durftest nicht zu früh gehen, sonst könntest du von einem Kampfhubschrauber niedergeschossen werden. Du musstest sicher sein, dass du nicht in ein Feuergefecht zwischen sich zurückziehenden Guerillas und anstürmenden Amerikanern gerietest. Aber du konntest nicht zu lange dort unten bleiben, denn die Amerikaner rollten Granaten in die Schutzanlagen, denn sie sahen darin mögliche Bunker der Feinde und Kampfpositionen. Da hast du alle diese Entscheidungen, die getroffen werden müssen, an denen nicht nur dein Leben hängt, sondern vielleicht auch das deiner ganzen Familie. Die ganze Familie konnte sterben, wenn du eine Sekunde zu früh oder zu spät gingst.

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Dein akademischer Betreuer riet dir, diese Archive schnell zu kopieren, bevor sie verschwinden würden?
Ja, genau. Innerhalb von 24 Stunden war ich in den Archiven. Ich ging sofort in der Früh hinunter und kopierte, bis sie mich am Abend hinauswarfen. Ich steckte jeden Cent, den er mir gegeben hatte, in die Kopiermaschine. Ich schlief in meinem Auto auf dem Parkplatz des Archivs und kopierte die gesamte Sammlung.

Ich dachte mir immer, dass er ein wenig paranoid sei. Ich dachte nicht, dass es wirklich nötig sei, all diese Dokumente zu holen. Es stellte sich heraus, dass es ein schlauer Zug war, denn kurz, nachdem ich das erste Mal etwas aus den Akten veröffentlicht hatte, wurden sie aus den Regalen des Archivs gezogen und sind seitdem nicht mehr auf die gleiche Art öffentlich zugänglich. Jetzt musst du einen Antrag auf freie Informationsbeschaffung stellen.

Dein Buch beschreibt „Leiden in fast unvorstellbarem Ausmaß.“ Artilleriebeschuss, Bomben, die Zerstörung von Dörfern durch die Infanterie, Rachemission, Massaker, unglaublich sadistische Vergewaltigungen, das Niederschießen von vietnamesischen Farmern und Fischern durch Kampfhubschrauber, Freifeuer Zonen. Du führst geschätzte 3,8 Millionen Kriegstote an, die Mehrzahl vietnamesische Zivilisten. Was macht junge, amerikanische Männer zu solchen Monster?
Das ist eine schwierige Frage. Ich hab für dieses Buch mehr als 100 Amerikaner interviewt und habe noch mehr eidesstattliche Erklärungen gelesen. Ich sprach mit einem Veteranen für mehrere Stunden über den Krieg. Er war sehr fröhlich und hatte einen wirklich ansteckenden Lacher.

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Aber er wurde irgendwann immer ruhiger und sagte, er wolle mir die Geschichte eines Mitglieds seiner Einheit erzählen. Dann erzählte er mir davon, wie sie durch ein Dorf gingen und es niederbrannten, was ihre Standardvorgehensweise war. Und mittendrin kommt diese Frau angerannt und greift den Soldaten am Ärmel und zerrt an ihm und schreit ihn an—natürlich weil ihr Haus gerade niederbrennt und ihr gesamter Besitz in Flammen aufgeht. Und sie ist wütend, ängstlich, aufgeregt. Und er erzählte, dass dieser Soldat sie einfach wegschubste und dann sein Gewehr nahm und ihr mit dem stumpfen Ende auf die Nase schlug. Und er sagt, dass ihr Gesicht förmlich explodierte. Sie schrie. Und der Soldat drehte sich nur um lief lachend davon. Und dann hielt er eine Sekunde inne und sagte, „Weißt du, dass dieser Soldat ich war?“ Er hatte solche Probleme damit, herauszufinden, was er hätte anders machen können. All diese Jahre später. Zu diesem Zeitpunkt dachte er sich gar nichts dabei und seitdem konnte er an nichts anderes denken. Und es verfolgte ihn geradezu.

Er erzählte mir davon, wie das Training, dass er durchlaufen hatte, die Vietnamesen entmenschlichte, bis zu dem Punkt, an dem sie nicht mehr als Menschen angesehen wurden. Für sie waren sie nur noch Schlitzaugen. Und er erzählte, dass er „nicht wirklich ein Roboter wurde, aber so ungefähr.“  Du bist ausgebildet, um zu töten und du rufst „Töten, töten, töten.“ Das macht dich psychologisch bereit dafür.

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Es gab sogar ein „Nur-Schlitzauge-Mantra?“
Es gab eine Abkürzung in Vietnam: die NSR oder Nur-ein-Schlitzauge-Regel. Die Idee war, dass Vietnamesen keine richtigen Leute sind. Sie waren Untermenschen. Nur Schlitzaugen, die bei Bedarf misshandelt oder sogar getötet werden konnten. Und dies war etwas, dass den Truppen vom ersten Tag an eingeimpft wurde. Ich habe mit einer Menge Veteranen gesprochen, die mir erzählten, dass ihnen, sobald sie im Camp eintrafen, erklärt wurde, dass man sie niemals Vietnamesen nennen solle. Du nennst sie Schlitzaugen oder ähnliches, Hauptsache ihre Menschlichkeit wird weggenommen. Hauptsache, es wird einfacher, sie zu töten.

Ihnen wurden von ihren Vorgesetzten erzählt, dass alle Vietnamesen wahrscheinlich der Feind sind. Dass Kinder Granaten tragen könnten, Frauen wahrscheinlich die Ehefrauen oder Freundinnen von Guerillas seien und gerade Sprengsätze bastelten.

Und auch wenn es Einsatzregeln auf dem Papier gab oder kleine Karten verteilt wurden, die erklärten, dass man die Vietnamesen anständig behandeln solle, war die Nachricht, die ihnen tatsächlich übermittelt wurde, dass es sehr viel sicherer sei, erst zu schießen, weil niemand hinterher Fragen stellen würde.

Wie hingen hochrangige Polit-Entscheidungen mit den Gräueltaten auf Dorfebene zusammen?
Der Vietnamkrieg wurde mit einer Zermürbungsstrategie ausgefochten. Dies war kein Krieg wie der Erste Weltkrieg, in dem sich zwei Armeen auf Seiten eines wohl definierten Schlachtfeldes gegenüberstehen. Es war ein Guerillakampf.

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Die Maßeinheit war die Zahl der Toten. Du würdest dir deinen Weg zum Sieg ebnen, in dem du vietnamesische Leichen aufhäufst. Denn sie sahen den Krieg als einen rationalen Aufwand an. Es war ein Kontoauszug. Und sobald die Schulden höher waren, als der Kredit, würde der Krieg enden. Die Vietnamesen hingegen sahen den Krieg als eine Weiterführung ihres anti-kolonialistischen Kampfes gegen die Franzosen.

Ihre Hauptmänner setzten die Amerikaner extrem unter Druck. Dir wurde gesagt, dass du vietnamesische Leichen produzieren musst und wenn du das nicht tatest, musstest du länger an der Front bleiben. Sie lernten ziemlich schnell, dass es in dem Befehl nicht darum ging, welche Leichen abgegeben wurden, sondern, dass so ziemlich jeder vietnamesische Körper reichte. Dies veranlasste amerikanische Truppen dazu, alle Vietnamesen, die als Feinde eingeschätzt wurden, zumindest herbeibringen zu lassen. Auch Eingesperrte, Gefangene und Zivilisten wurden getötet, um sie als feindliche Tote zu deklarieren.

Dazu kam sehr viel höheres, strategisches Denken, wie die Benutzung von „Freifeuer Zonen“, die eigentlich nur eine Erfindung der USA waren, um weite Streifen der ländlichen Gebiete für uneingeschränkte Bombardements und Artilleriebeschuss zu öffnen. Dies verursachte ein unglaubliche Anzahl an Toten und Zerstörung der Landschaft. Es war unausweichlich, dass eine große Anzahl an Zivilisten getötet oder verwundet werden würde.

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Du schreibst über bestimmte Hauptmänner, wie Oberleutnant Julian Ewell, der diese Gräueltaten beaufsichtigte.
Ewell war einer der berüchtigtsten Hauptmänner, der in Vietnam diente. Er war besessen von Opferzahlen. Im Militär war er bekannt als Schlachter des Delta.

Was Ewell tat, war schwere Feuerkraft über das ganze Mekon Delta loszulassen, das die Reissschale Vietnams und gleichzeitig das am dichtesten besiedeltste Gebiet war. Er gab die ländlichen Gebiete zum uneingeschränkten Artilleriebeschuss und Bombardement frei und  trieb seine Truppen hart voran. Unter seinem Kommando wurdest du ständig gehetzt, mehr Opferzahlen zu bringen. Und wenn du keine Todeszahlen hervorbrachtest, wurdest du gefeuert und jemand anderes wurde herangeschafft, bis er sie bekam.

Wurde Ewells schließlich bestraft, nachdem das Militär herausgefunden hatte, dass diese Gräueltaten tatsächlich stattgefunden hatten? 
Nein, weit davon entfernt. Ewell wurde als Held bejubelt. Es wurde als ein riesiger Erfolg angesehen. Er wurde zu etwas befördert, dass sich II Field Force Vietnam nannte und zu diesem Zeitpunkt das größte Kriegskommando der Welt war. Und danach wurde er zum militärischen Gesandten der Pariser Friedensgespräche ernannt. Er war wahrscheinlich der unfriedlichste Mensch im gesamten Militär. Derjenige, der am wenigsten geeignet war, wurde hingeschickt, weil das, was er in Vietnam getan hatte, als solch ein Erfolg angesehen wurde.

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Es gab eine Kampagne, die die Verbindungen der Vietnamesen zu ihrem Land zu brechen sollte, um sie in die Städte zu treiben. Du zitierst einen außenpolitischen Artikel von 1968 von Samuel Huntington , der behauptet diese „erzwungene Urbanisierung und Modernisierung“ sei eine gute Sache gewesen. 
Es wurde als die einzige Maßnahme angesehen, die vietnamesische Unterstützung für die Guerillas zu unterbrechen, indem man die Bevölkerung physikalisch bewegte. Aber die Vietnamesen waren an ihr Land und ihre Reisfelder gebunden. Dort sind ihre Vorfahren begraben. Und es ist sehr wichtig für die Vietnamesen, ihre Vorfahren zu ehren. Deshalb widerstrebte es den Leuten umzuziehen.

Du schreibst über die weit verbreitete Zerstückelung der vietnamesischen Leichen durch US Truppen. Wieso wurde dies zu so einer geläufigen Praxis?
Totenzahlen waren wichtig, und man bewies sie, indem man ein Ohr mitbrachte. Dies war eine Praxis in manchen Einheiten. An die Totenzahlen waren Belohnungen geknüpft, wie zum Beispiel Diensturlaub in Strandresorts im Land, extra Bier, Medaillen oder Abzeichen.

In anderen Fällen hatten die Truppen den Glauben, dass die vietnamesische Spiritualität besagte, dass wenn die Leiche nicht unversehrt sei, sie nicht ins Jenseits gelangen könne. Eine Menge Amerikaner nannten es „Buddha Himmel.“ Also dachten sie, dass das Zerstückeln der Vietnamesen eine Art psychologische Kriegsführung sei. Sie hinterließen eine „Todeskarte,“ entweder eine Pik-Ass oder eine speziell dafür angefertigte Karte, wie eine Business Karte, mit dem Namen der Einheit und irgendeinem bösen Spruch darauf.

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Es gab auch einen regen Handel mit Körperteilen in Vietnam. Ohren wurden als Ketten getragen, ein Ohr oder auch mehrere Ohren an einer Kette. Manche der Typen trugen sie als Zeichen ihrer Kampffähigkeiten. Andere sammelten die Ohren und verkauften sie an Leute, die dieses Bild ausstrahlen wollten. In einer Einheit trennten sie den Feinden die Köpfe ab und jeder, der einen dem Hauptmann präsentierte, bekam eine extra Ration Bier. In einem Fall hatte ein Feldwebel einen Kopf abgeschnitten, kochte das Fleisch ab und tauschte ihn dann gegen ein Radio.

Vergewaltigung war ebenfalls eine Waffe des Krieges und eine riesige Anzahl an vietnamesischen Frauen und Kinder waren genötigt, sich zu prostituieren.
Sie wurden gezwungen, die Amerikaner zu bedienen. Eine der Hauptarten dieses Bedienens war Prostitution. Die Dörfer vieler Mädchen waren zerstört worden und sie waren gezwungen, in die Städte zu ziehen. Auf diese Art konnten sie für ihre Familien sorgen. Die Amerikaner hatten eine Menge Geld, dass sie ausgeben konnten und das waren junge Typen, 18,19,20 Jahre alt.

Es gab also einen blühenden Sexhandel. Draußen auf dem Land, gab es auch ungeheure Menge an Vergewaltigungen und Sexualverbrechen.

Oft hatte ich das Gefühl, dass ich mit Sprache nicht genau beschreiben konnte, was ich gefunden hatte, denn Vergewaltigung oder auch Gruppenvergewaltigungen schienen den Grad des sexuellen Sadismus nicht richtig zu übermitteln. Es sind extrem gewalttätige Gruppenvergewaltigungen oder Vergewaltigungen mit Objekten, wie Flaschen oder auch Gewehren.

Du schreibst über ein Archipel an amerikanischen und südvietnamesischen Gefängnissen, die nicht nur Folter ausübten, sondern Gefangene auch in „Tigerkäfige“ steckten. Kleine, unterirdische, fensterlose Steinzellen, in denen sie an den Boden gefesselt wurden.
Die Schlimmsten dieser Käfige waren auf der Gefängnisinsel Con Son (Heute perverserweise beliebte Urlaubsziele). Es gab Männer und Frauen, die dort manchmal über Jahre hinweg gefangen gehalten wurden, ohne jemals angeklagt, geschweige denn ein vor Gericht gebracht worden zu sein. Und das waren Leute, die sich gegen die Regierung geäußert hatten oder sich für den Frieden aussprachen. Sie wurden als politische Gefangene nach Con Son geschickt und in diesen klitzkleinen Zellen angekettet, die die Franzosen im 19. Jahrhundert gebaut hatten. Es gab seit Jahren Gerüchte darüber, was in Con Son vor sich ging und erst 1970 schaffte es ein US-Entwicklungshelfer, ein paar amerikanische Abgeordnete hineinzuschleusen, damit sie einen Blick auf die erbärmlichen Umstände werfen konnten.

Nachdem ein paar Gefangene aus den Tigerkäfigen entlassen wurden, stand im Time Magazine: „Du kannst sie eigentlich nicht mehr Menschen nennen. Sie sind eher Umrisse.“ Sie sprachen davon, dass sie wie Krebse auf dem Boden herumkrochen. Wenn du dir das Video davon anschaust, siehst du, dass das die Wahrheit ist. Es passierte auch mit Frauen. Lähmungen, die davon kamen, dass sie so lange in verschiedenen Positionen angekettet waren. Sie konnten nicht länger stehen und mussten auf ein sehr unnatürliche Art kriechen.

Und die USA wussten davon?
Im gesamten Gefängnissystem gab es US-Berater. Con Son war das verrufenste, aber es gab ungefähr 500 südvietnamesische Gefangenenlager im Land, die meisten davon wurden von den Amerikanern ins Leben gerufen und von den Amerikanern bezahlt. Die USA hatte auch ihre eigenen Gefangenenlager in Stützpunkten, in den es militärische Spionageeinheiten gab. Dort wurden die Gefangenen unterschiedlich lange behalten, bevor sie sie zu den gemeinsamen amerikanischen und südvietnamesischen Einrichtungen weitergeschickt wurden. Die meisten von ihnen endeten hier.

Und Folter und Massenexekutionen waren auch in US-geführten Einrichtungen üblich?
Die anekdotischen Berichte und die wenigen verständlichen Untersuchungen zeigen, dass Folter weit verbreitet war. Sachen wie elektrische Folter oder Wasserfolter, die wir heute Waterboarding nennen. Und routinemäßiges Zusammenschlagen.

Waterboarding stand natürlich im Mittelpunkt der Diskussion über die heutige Behandlung von Gefangenen des Kriegs gegen den Terror. Gibt es weitere Parallelen in deinem Buch? Führen die USA den Krieg heute anders als damals in Vietnam?
Ich habe die heutigen Kriege relativ aufmerksam verfolgt und ich muss sagen, dass ich nicht glaube, dass das Ausmaß der Tötungen von Zivilisten durch die US-Streitkräfte, auch nur irgendwo in der Nähe des riesigen Gemetzels von Vietnam ist. Ich denke, dass vor Allem Maßnahmen wie Artilleriefeuer und die Luftmacht grundlegend anders sind. Es sterben natürlich immer noch regelmäßig Zivilisten in unseren Kriegsgebieten, sei es Iraq oder Afghanistan. Viele davon wurden durch die Gewalt, die von Amerikas Besetzungen und den daraus resultierenden inneren Unruhen ausging, getötet. Andere wurden direkt von US-Bomben getötet, von Kampfhubschraubern oder Bodentruppen. Und noch mehr wurden verwundet und noch mehr vertrieben.

Ich denke, dass es trotz der Bemühungen der vereinten Nationen und anderer NGOs, noch immer keine guten Zahlen der zivilen Verluste gibt. Und ich fürchte, dass wenn wir etwas von der Geschichte etwas lernen können, dann, dass vielleicht Jahrzehnte vergehen könnten, bevor es jemand wirklich schafft, die wahren Geschichten dieser Kriege zusammenzubringen. Ganz zu schweigen von halb-versteckten Kampagnen an Orten wie Pakistan oder dem Yemen. Auch, wenn ich nicht denke, dass es so schlimm ist wie in Vietnam, so glaube ich auch, dass wir abwarten müssen, um zu sehen, was der Tribut dieser Kriege wirklich war.