Politik

Alles, was an der WM-Eröffnungszeremonie kaputt war

Vom galaktischen Imperium, hämischen Geistern und einem durchgeknallten Funktionär.
Das Maskottchen der Fußball-WM 2022 in Katar. Alles was kaputt ist an der Eröffnungsfeier der WM
Der Ghost from Katar's Past Foto: IMAGO / Sven Simon

Eins vorweg: Das Wetter war es nicht. Deswegen gehört hier auch ein Disclaimer hin: Ich wäre gerade gern in Katar, dem Ort, an dem Gas und Honig fließen und kalte Winter in schlecht isolierten Berliner Altbauwohnungen weit, weit weg wirken. Um 20 Uhr Ortszeit ist es in Katar zwar schon dunkel, aber immer noch etwa 20 Grad warm. Allein deswegen lohnte es sich, die Eröffnungsfeier der Fußball-WM zu schauen. Und weil sie so absurd durchgeknallt und kaputt war. Die Highlights:

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1. Die Pressekonferenz, oder: "Heute fühle ich mich schwul"

Da war zum Beispiel die Vorberichterstattung, namentlich: Eine Pressekonferenz. Es sprach Gianni Infantino. Der sieht ein bisschen aus wie eine Variante von Jeff Bezos, die keine Milliarden von Dollar hat. Arm wird er trotzdem nicht sein, denn er ist Präsident der FIFA und damit so etwas wie der Galaktische Imperator in der Fußballwelt – eine Star Wars-Referenz, auf die wir gleich zurückkommen wollen.


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Was Infantino auf der Konferenz sagte, war so wild und dumm, dass er sofort und unverzüglich zum Meme, wichtiger aber, zum Gespött der Welt wurde. Da war etwa sein Vorwurf an den Westen. Infantino sagte, dessen Vergangenheit und Gegenwart disqualifiziere ihn für 3.000 Jahre für Kritik an Katar. Also dem Staat, in dem Homosexualität verboten ist und Sklavenarbeiter bis zum Tod ackern mussten, um die Stadien für die WM zu bauen.

Das war schon seltsam, aber Infantinos Einstieg war noch viel seltsamer. Da behauptete er, als Sohn von italienischen Arbeitsmigranten in der Schweiz verstehen zu können, wie es sich anfühlen müsse, als Minderheit in Katar diskriminiert zu werden. "Heute fühle ich mich katarisch", sagte er. "Heute fühle ich mich arabisch. Heute fühle ich mich schwul. Heute fühle ich mich behindert. Heute fühle ich mich wie ein Arbeitsmigrant." Später fügte er an, dass er sich auch wie eine Frau fühle. 

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Wer nicht mitbekommen hat, dass die WM in Katar von sich aus schon eine dumme Idee war, muss wohl in einer Wüste leben, die nicht in Katar liegt, denn da sieht man das anders – zumindest wenn man nicht gerade beim Bau von Stadien gestorben ist. 

Und so muss man auch nicht besonders edgy sein, um die Entscheidung der FIFA falsch bis böse zu finden, einen Haufen homophober Männer in die pralle arabische Sonne zu fliegen, damit sie da Fußball spielen können. Nun hat der katarische WM-Botschafter Homosexualität kürzlich als "Schaden im Hirn" bezeichnet, um damit die staatliche Diskriminierung zu rechtfertigen. Infantino weiß, wie sich das anfühlt.

2. Morgan Freeman

Morgan Freeman bei der WM in Katar

Dieser gierige Mann hat einmal einen Killer gejagt, der die sieben Todsünden inszenierte | Foto: IMAGO / NurPhoto

Das Fußball-Event selbst begann so, wie Fußball-Events beginnen müssen. Irgendein französischer Fußballspieler, der im Namen seines Landes einmal Weltmeister wurde, brachte den Pokal ins Stadion, hübsch verpackt in eine Louis-Vuitton-Tasche. Die hatte der Luxus-Hersteller hierfür extra designt – als ob es hier gar nicht nur um Sport ginge, sondern auch darum, richtig viel Cash anzuhäufen. 

Und damit sind wir auch schon bei Morgan Freeman. Wenn Tom Hanks der Familienvater der USA ist, dann ist Morgan Freeman ihr Opi. Diese Stimme, dieses Gesicht, diese Ruhe, die Vorwürfe der sexualisierten Übergriffe gegenüber Frauen, über die niemand mehr zu sprechen scheint. 

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Am Sonntag faselte er auf der Bühne von Einigkeit in der Diversität und dass man voneinander lernen müsse und dass es nie nur eine Wahrheit gebe und zerlegte damit weiter das Bild, das wir von ihm hatten. Zugunsten von, mutmaßlich, sehr viel Geld. Lieblingszitat: "Wir können voneinander lernen und die Schönheit in unseren Unterschieden finden. Mit Toleranz und Respekt können wir gemeinsam in einem einzigen großen Zelt leben. Einem Beduinen-Zelt."

Insgesamt 200 Milliarden Dollar soll das gasreiche Regime in Katar für die WM ausgegeben haben. Ob die – mutmaßlichen – Bestechungsgelder für FIFA-Funktionäre da einkalkuliert sind, ist unbekannt.

3. Die Gästeliste

Bei der eigentlichen Eröffnungsfeier blieb Infantino dann reichlich stumm, wie er da zwischen dem katarischen Emir saß und Mohammed Bin Salman, dem Kronprinz von Saudi-Arabien und mutmaßlichen Auftraggeber des Mords an dem Journalisten Jamal Kashoggi – zumindest bis Infantino kurz vor Schluss die Spiele mit dem gängigen Sport-Gewäsch eröffnete. "Fußball eint die Welt. Und jetzt lasst uns die Teams begrüßen und die Show beginnen. Alles Gute für alle!" Ein bisschen cringe also, aber eben nichts gegen Morgan Freemans Auftritt vorher.

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4. Die Lichtschwerter

Fußball-WM-Eröffnungsfeier

Klonkrieger | Foto: IMAGO / Kyodo News

Ein weiteres Highlight der Show war die Lichtschwert-Show der dunklen Sturmtruppler, womit die versprochene Star Wars-Referenz ihren Bogen findet wie Anakin Skywalker, der am Anfang lieb war, dann zum bösen Darth Vader verkam, und schließlich, in den Armen seines Sohnes sterbend, wieder lieb wurde, um hier die Handlung der ersten sechs Star Wars-Filme zu spoilern. 

Die Lichtshow jedenfalls bestand aus einigen militärisch anmutenden Performerinnen, die leuchtende Stäbe in die Luft reckten, als wären sie Jedi Ritter. Oder eher Sith Lords, denn alles, was sich dem katarischen Regime und/oder der FIFA andient, kann sich nicht gleichzeitig der hellen Seite der Macht verpflichtet fühlen, sorry.

5. Die autoritären Maskottchen

Irgendwie zynisch ist auch das Maskottchen der WM, eine fliegende Ghutra, eine traditionelle katarische Kopfbedeckung. Die flog durchs Stadion mit ihrem runden weißen Gesicht und dem langen weißen Schweif und wirkte damit wie eine Mischung aus Caspar, dem freundliche Geist, dem Marshmallow-Mann aus Ghostbusters und einem hämischen Verweis auf die abertausenden Arbeiterinnen und Arbeiter, die in Katar ums Leben gekommen sind, damit sich die fossile Monarchie heute als weltoffen präsentieren kann. 

Auch das Maskottchen der letzten WM hatte einen Auftritt. Das muss man vielleicht nicht an sich verurteilen, zumal es ja auch schön zu sehen ist, dass die FIFA Tradition achtet und Konsistenz beweist. Schließlich fand ja schon die letzte Weltmeisterschaft in einer menschenverachtenden Diktatur statt, die heute in ihrem Nachbarland eine militärische Ohrfeige nach der anderen kassiert, es sich dabei aber dennoch nicht nehmen lässt, Zivilisten zu ermorden, zu foltern und zu vergewaltigen. 

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Dabei war Russland doch eigentlich von der WM ausgeladen worden, um den Befindlichkeiten des westlichen Publikums entgegenzukommen. Also zumindest bis vor die katarische Haustür. Ab da lässt das katarische Regime nämlich nicht mehr mit sich über Menschenrechte diskutieren. Muss es aber auch nicht, denn dank Russland kann es sein Gas jetzt noch einfacher an den Westen verkaufen. Auch wenn der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck dabei echt "Bauchschmerzen" hat.

6. Die K-Popper

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K-Pop (Symbolbild) | Foto: IMAGO / Kyodo News

Traumhaft zuletzt natürlich auch das weitere Staraufgebot der Show, als Jungkook von BTS, dieser K-Pop-Formation, für die unsere Eltern leider kein Verständnis mehr aufbringen könnten, selbst wenn sie wollten, seinen Song "Dreamers" sang. 

"Look who we are, we are the dreamers / We make it happen, 'cause we believe it"

Befreiend also, dass auch eine Botschaft, die irgendwo zwischen John Lennons "Imagine" und Martin Luther Kings "I have a dream"-Rede angesiedelt ist, ihren Platz bekommt. Denn, das muss dem internationalen Publikum klar geworden sein: Fußball vereint die Welt und da, wo Männer um die Weltmeisterschaft konkurrieren, da ist kein Platz für negative Gedanken. Da ist alles in Ordnung und vor allem: Das Wetter ist wirklich gut.

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