Auf einem Laptop ist eine Groucho Marx-Maske abgebildet, darüber sind Überwachungskameras
Laptop: Pixabay | CC0 | Sara_Torda || Kameras: Pixabay | CC0 | PhotoMIX-Company

 || Groucho Marx-Maske: Pixabay | CC0 | Clker-Free-Vector-Images || Montage: VICE

Tech

Nutze nie den Inkognito-Modus, wenn du anonym bleiben willst

Die Browser-Funktion ist eine Lachnummer. Ein paar Tricks reichen aus, um dich besser zu schützen.

Der Inkognito-Modus im Browser ist eine weitgehend sinnlose Erfindung. Zwei Klicks genügen, um deinen Browser in den vermeintlich sicheren Modus zu versetzen. Dunklere Farbtöne, ein Agentenhut und Brille vermitteln das Gefühl, dass du jetzt in geheimer Mission unterwegs bist. Klar, heißt ja auch inkognito – unerkannt. Aber im Inkognito-Modus bist du immer noch für Website-Betreiber, Internet-Provider und andere Datensammler erkennbar. Beim Schutz deiner Anonymität hilft der Modus demnach so sehr wie ein aufgeklebter Schnurrbart: Nicht.

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Man kann den Browser-Herstellern nicht vorwerfen, dass sie uns nicht gewarnt hätten. Chrome, Safari und Firefox erklären direkt im neuen Tab, wenn auch in kleiner Schriftgröße, was der Inkognito-Modus kann und was nicht. Firefox verlinkt zudem ein Listicle, Chrome eine Infoseite. Safari und Firefox nennen ihn immerhin "privat" statt "inkognito", das klingt schon etwas weniger nach Agentenfilm. Treffend ist es trotzdem nicht. Und wer bitte liest schon den Kleinkram in einem neu geöffneten Browsertab, wenn man ganz dringend etwas Geheimes im Internet tun möchte?

Eigentlich ist alles wohl ein großes Missverständnis, wie eine 2018 veröffentlichte Umfrage der Leibniz Universität Hannover und der Universität Chicago zeigt. Die Forschenden haben 460 Menschen über ihre Erwartungen an den Inkognito-Modus befragt. Die Probandinnen und Probanden sollten beispielsweise beantworten, ob sie glauben, der Inkognito-Modus helfe gegen Standorterfassung (tut er nicht), personalisierte Werbung (nö) und Tracking durch Websites und Internetprovider (nope).

Der Clou: Vor der Befragung sollten die Probandinnen die Erklärungen verschiedener Anbieter durchlesen. Das ernüchternde Fazit: Viele haben trotzdem nicht kapiert, was der Inkognito-Modus bringt.

Screenshot des Inkognito-Modus beim Chrome-Browser: "Sie befinden sich jetzt im Inkognitomodus"

Inkognito-Modus beim Chrome-Browser: Fehlt nur noch die Titelmusik von 'Mission Impossible' | Hintergrund und Laptop: Pixabay | CC0 | The DigitalArtist | Sara_Torda | Screenshot: Chrome | Montage: VICE

Rund 40 Prozent der Befragten dachten, Websites könnten ihren Standort nicht erfassen. Rund ein Fünftel glaubte, der Internetanbieter könne ihr Surfverhalten im privaten Modus nicht tracken. Schön wär's. Die Forschenden ziehen das Fazit, dass der Begriff 'privater Modus' falsche Erwartungen weckt.

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Das kann der Inkognito-Modus wirklich

Der treffendste Name wäre wohl "Cookies und Chronik löschen"-Modus. Denn viel mehr liefert der Inkognito-Modus in der Regel nicht. Wirklich gut ist der Modus vor allem darin, lokale Daten auf dem von dir benutzten Gerät zu minimieren. Dazu gehören neben dem Verlauf besuchter Websites auch Textschnipsel, die dein Browser lokal ablegen kann, wenn du etwa bei einem Login deine Mailadresse eintippst, sowie Cookies, also kleine Textdateien, die Websites auf deinem Gerät ablegen. Mithilfe solcher Cookies können Anbieter deine Online-Aktivitäten ausschnüffeln.

Einen nützlichen Schutz bietet der "Cookies und Chronik löschen"-Modus also vor Menschen, die dein Gerät später in die Hände kriegen und darin herumsuchen. Auch nicht übel, aber da geht noch mehr.

Websites, Tracking-Anbieter und Geheimdienste mit Werkzeugen für Massenüberwachung können dich im Inkognito-Modus weiterhin erfassen, orten und möglicherweise eindeutig identifizieren, etwa über deine IP-Adresse und die spezifischen Einstellungen deines Browsers, das heißt Browser Fingerprinting.

Auch dein Internetprovider kann sogenannte Verkehrsdaten wie deine IP-Adresse erfassen und bei einer berechtigten Anfrage an die Polizei herausgeben. Obwohl die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland aktuell auf Eis liegt, können die Daten je nach Provider für begrenzte Zeit gespeichert werden. Man kann sich das Surfen mit nicht verschleierter IP-Adresse so vorstellen, als wärst du die ganze Zeit mit einem Nummernschild im Internet unterwegs.

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So surfst du wirklich anonym

Zum Glück gibt es Alternativen, die einem echten Inkognito-Modus möglichst nahe kommen. Der kostenlose Tor-Browser leitet deine Anfragen über mindestens drei zufällig ausgewählte Server weiter. Dadurch erfährt eine angesteuerte Website nicht, wer da eigentlich gerade anklopft, und dein Internetprovider erfährt nicht, welche Website du eigentlich sehen möchtest.

Außerdem nutzt Tor das Add-on NoScript, das aufgerufene Websites daran hindert, automatische Aktionen auszuführen. Dadurch lassen sich unter anderem Tracking-Funktionen von Websites unterbinden und verseuchte Websites können möglicherweise ihren Schadcode nicht ausführen.

Der Tor-Browser lässt sich auch mit einem kostenpflichtigen, sicheren VPN-Anbieter kombinieren. Das bringt aber Vor- und Nachteile mit sich und ist wohl eher etwas für Bastler.

Hundertprozentige Sicherheit gibt es bei Technik nie, auch nicht mit dem Tor-Browser. Wer ein paar Safer-Use-Regeln beachtet, kann die Wahrscheinlichkeit von Online-Verfolgung mit dem Tor-Browser zumindest auf ein Minimum senken.

Für den Alltag lohnt es sich übrigens, zusätzlich den eigenen Standard-Browser auf mehr Privatsphäre zu trimmen. Mit ein paar Handgriffen im Menü lassen sich einige privatsphärefeindliche Einstellungen händisch verbessern. Entsprechende Tutorials für Chrome und Firefox haben wir hier veröffentlicht.

Ein Maximum an möglicher Sicherheit bietet das tragbare Betriebssystem Tails: Es bootet euer Gerät über einen USB-Stick und verzichtet vollständig auf die Nutzung der Festplatte. Jegliche Verbindung zum Netz wird über das Tor-Netzwerk getunnelt. Das Betriebssystem greift allein auf den Arbeitsspeicher zu, der nach dem Runterfahren komplett geleert wird. Weniger Spuren kann man auf einem Rechner kaum hinterlassen.

Tails ist einen Blick wert, wenn man sich zum Beispiel vor politischer Verfolgung schützen muss. Wer einfach nur ohne Tracking sexy Fotos betrachten oder ASMR-Videos schauen möchte, kann schlicht Tor benutzen. Und wer seinen Kolleginnen und Kollegen im nächsten Videocall eine Freude bereiten möchte, sollte erwägen, sich einen Schnurrbart aufzukleben.

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