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Warum ist es ok, mit Hitler-Gemälden Geld zu verdienen?

Die Bilder, die Hitler in seiner Zeit als brotloser Künstler geschaffen hat, sind beeindruckend langweilig. Trotzdem finden sich immer wieder Käufer dafür—und Auktionshäuser, die dabei verdienen.

Ein echter Hitler. Foto: ​​Mullock's Auctioneers/PA Wire | ​Flickr | ​CC BY 2.0

Bevor Hitler die Vergasung von 6 Millionen Menschen organisierte und zu dem Ungeheuer wurde, für das ihn die Welt kennt, war er ein Niemand. Der Sohn eines Zollbeamten träumte davon, Kunstmaler zu werden. Talent hatte er zwar durchaus etwas, aber lange nicht genug für die Aufnahme an der Wiener Kunstakademie. Gleich mehrere Male scheiterten Hitlers Bewerbungsversuche. 1907 überstand er die erste Sichtungsrunde, nur um beim zweiten Prüfungsabschnitt mit der Begründung abgelehnt zu werden, dass seine Zeichnungen „zu wenig Köpfe" enthielten.

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Dennoch malte der damals Verarmte noch jahrelang weiter. Mit Stadtansichten und Postkartenmotiven versuchte sich Hitler finanziell über Wasser zu halten. Es heißt, in den Jahren zwischen 1905 und 1920 seien von ihm an die 2000 Bilder, Zeichnungen und Aquarelle entstanden. Und obwohl das meiste davon verloren ging und ein anderer Teil dem Österreicher kaum zuzuordnen ist (selbst Hitler verlor irgendwann den Überblick), bleiben heute immer noch genug Exponate,  ​die als se​ine Werke auf dem Kunstmarkt gehandelt werden.

So etwa in Nürnberg vor einigen Tagen: Da versteigerte das Auktionshaus Weidler ein Aquarell mit dem Titel „ ​Standesamt ​München" für 130.000 Euro. Im offiziellen​Auktionskatalog wird das Exponat mit der Kategorie-Nr. 6649 ganz unspektakulär zwischen zwei Goldmünzsammlungen geführt. Anmerkung vom Auktionshaus: „Aquarell sign. A. HITLER (wohl Adolf H. 1889-1945) mit Originalrechnung". Vielen Dank. Jetzt sind wir im Bilde.

Die Weidlers scheinen richtige Vollprofis im Verhökern von Hitlern zu sein: Dieses Bild war nämlich nicht ihr erstes. Allein 2009 verkauften sie zwei—wenn auch nur für 42.000 Euro. Diesmal lief es besser, und alle sind glücklich: die Verkäuferinnen bekamen einen sechsstelligen Betrag, das Auktionshaus verdient sich an der Provision glücklich und der anonyme Käufer aus dem Nahen Osten hat neben einem Van Gogh oder Renoir nun endlich einen echten Hitler an der Wand.

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Für Gesichter hatte er nicht so die Geduld, der  Hitler. Fotos: ​Amanda Slater | ​Flicker | ​CC BY-SA 2.0

Nur: Wie kann jemand es moralisch vertreten, mit den Werken des vermutlich größten Unmenschen aller Zeiten  Profit zu machen?

Bei einigen Personen bedarf es nicht viel, um ihr Gewissen zu befrieden. Für sie stellt sich nur eine einzige Frage: Ist es legal? Das ist die hinreichende Bedingung für moralische Integrität. Und in Deutschland lautet die Antwort: Ja! Selbst der Handel mit Nazi-Militaria ist erlaubt (außer scharfe Waffen), solange sie nicht laut § 86 Stgb zu ​Propagandazweck​en gebraucht oder ​öffentli​ch eingesetzt werden. Ob SS-Uniform, Blut & Ehre-Dolch oder waschechter SA-Mantel: Sowohl der ​Verka​uf als auch Erwerb und Besitz sind für den privaten Bereich legitim.

Und weil Hitlers Kunstwerke ohnehin keine konkrete Nazisymbolik wie etwa Hakenkreuze enthalten, sondern Landschaften, Häuser und evtl. Menschen mit zu wenig Köpfen, stellt der Handel rein rechtlich gesehen gar keine Probleme dar. So viel zur juristischen Legitimierung. Gäbe es noch eine andere?

Ja. Man könnte sich hinter der Behauptung verstecken, dass Hitlers Bilder tatsächlich künstlerisch gehaltvoll sind. Der Preis von 130.000 Euro wäre somit nicht dadurch gerechtfertigt, weil ein gewisser ,A. Hitler' das Bild malte, sonder weil die Summe den künstlerischen Gehalt des Bildes widerspiegelt. Die Schlüsselfrage lautet also:  Sind Hitlers Werke Kunst? Und selbst wenn, sind sie 130.000 Euro wert?

Schwer zu beantworten. Fragt man dreißig Kunsttheoretiker, was Kunst ist und was sie leisten soll, kriegt man dreißig verschiedene Antworten. Doch trotz aller Unterschiede scheinen viele von ihnen auf einen Sache besonders Wert zu legen: die Originalität. Aber genau die besaß Hitler eben nicht. Stattdessen kopierte er Gemälde bekannter Maler, zeichnete Postkartenmotive nach oder reproduzierte leblose Landschaften noch lebloser auf die Leinwand.

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Die Kunsthistorikerin Birgit Schwarz bringt es im  ​Hamburg​er Abendblatt auf den Punkt: „Da Hitler als Maler keinen eigenen Stil hatte, sondern nur abgemalt hat, ist es sehr schwer festzustellen, was von Hitler ist. Künstlerischen Wert hätten die Bilder natürlich nicht. Solche Sachen können sie hier in Wien in jedem Antiquitätengeschäft finden."

Die Summe von 130.000 Euro für ein ödes Aquarell mit den Maßen einer aufgeblasenen Briefmarke (28 x 22 cm) ist also in keiner Weise durch sein Talent gerechtfertigt. Sechsstellige Summen werden nicht erzielt, weil die Komposition der Bilder so wunderschön ist—sondern weil sie Übernazi Adolf Hitler malte.

Dass sich Hitlers Bilder für den Verkauf nur schwer als ,Kunstwerke' rechtfertigen lassen, hat auch Kathrin Weidler, die Juniorchefin des Auktionshauses in Nürnberg, begriffen, weshalb sie als Ausrede eine andere Taktik fährt. In einem  ​Spiegel-Artikel möchte sie die Bilder einfach nur als ,historische Dokumente' betrachtet wissen. Aber was soll das überhaupt heißen? „Historisches Dokument" wovon? Etwa vom Münchener Standesamt? Da gibt es bestimmt auch Fotos, die mit Sicherheit weniger verschwommen sind als Hitlers Kritzeleien. Und gerade dann stellt sich doch die Frage, wie ein bloßes Dokument 130.000 Euro wert sein kann—das kann es nämlich nur, indem es ein historisches Zeugnis einer fast schon zum Mythos gewordenen Figur ist.

Der Logik von Frau Weiler nach wäre nahezu alles ein historisches Dokument —auch der Schriftzug „Arbeit macht frei". Und wem würde nicht befremdlich werden, wenn er erführe, dass die Stadt Auschwitz plant, den Schriftzug in einer Auktion an einen Höchstbietenden zu verscherbeln? Einen Markt und Käufer wird es immer geben. Es ist gar nicht mal so lange her, da wurde eben besagter Schriftzug ​im Auftrag eines Schweden gek​laut, weil jemand offensichtlich den etwas anderen Willkommensgruß für sein Zuhause haben wollte.

Foto: ​Javier Kohen | ​Flickr | ​CC BY-SA 2.0

An die Moral der Käuferschicht braucht man also ohnehin nicht appellieren. Wie sieht es aber mit der Seite der Verkäufer aus? Natürlich fällt es leicht, hier vom Schreibtisch aus mit dem Finger auf die Leute zu zeigen und große Töne zu spucken. Zugegeben, auch ich müsste fünf Mal überlegen, was wohl zu machen wäre, wenn ich auf dem Dachboden einen alten Hitler fände und die Aussicht auf 130.000 Euro locken würde. Deshalb ist der Hut umso mehr vor denjenigen zu ziehen, die diese historischen Dokumente an Archive abgeben, wo sie weggeschlossen bleiben—den Erlös aus Auktionen spenden ist eine weitere Option.

Was aber den Handel als solchen anbetrifft: Solange Käufer und Verkäufer anonym bleiben, wird auch ihr Treiben weitergehen . Denn die einzigen, die Gefahr laufen, bei dem Ganzen öffentlich ihr Gesicht zu verlieren, sind die Auktionshäuser. Diese sind natürlich nicht blöd und haben das Risiko, den ein potenzieller Imageverlust für ihr Geschäft bedeuten würde, gegen den Gewinn aus Nazibildern aufgerechnet. Wie es scheint, ist das Risiko nicht besonders hoch.

Anscheinend hat kaum jemand ein Problem damit, dass deutsche Auktionhäuser mit etwas Geld verdienen, dass man eigentlich nur als perversen Devotionalienhandel für Nazi-Fetischisten bezeichnen kann.