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In China soll es nur noch 45 wild lebende Tiger geben

Tigerwein, der mit den Knochen wild lebender Tiger hergestellt wird, wird eine große Heilwirkung nachgesagt. Doch die hat ihren Preis.
Photo via Flickr user tambako

In vielen Teilen der Welt gibt es eine lange Tradition, Wein und Spirituosen mit tierischen Bestandteilen anzureichern, denen ein gesundheitlicher Nutzen nachgesagt wird. Sei es der Wurm am Flaschenboden eines mexikanischen Tequilas, ganze Schlangen in Reisweinflaschen oder—die wohl exklusivste Variante—Knochen von wild lebenden Tigern in Reiswein, die man bis zu acht Jahre lang reifen lässt.

Trotz weltweiter Bemühungen, gegen die illegale Jagd auf Tiger zur Herstellung von sogenanntem Tigerwein vorzugehen, bleibt der Durst vieler Chinesen auf das Gesöff ungebrochen. Doch damit nicht genug: Durch die steigende Anzahl von Tigerzuchtfarmen im Reich der Mitte wird der Handel mit dem Fell und den Knochen von Tigern weitaus weniger stigmatisiert als noch früher.

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Wild lebende Tiger, die im Ausland geschossen werden, sind deutlich günstiger als Tiger, die aus chinesischer Zucht stammen.

Die Verwendung von Tigerkörperteilen in der chinesischen Küche ist ein fester kultureller Bestandteil und blickt auf eine mehr als tausendjährige Geschichte zurück. Dem Genuss eines Tieres von solcher Stärke (und auch Seltenheit) wird eine große Heilwirkung nachgesagt. Augen, Schnurrhaar und Zähne des Tigers finden in medizinischen Präparaten Verwendung und sollen sowohl bei harmlosen Wehwehchen—wie Schlafstörungen und Akne—als auch bei schweren Krankheitsbildern—wie Malaria und Meningitis—helfen. Die eiweiß- und kalziumhaltigen Knochen sollen entzündungshemmend wirken. Die Hersteller von Tigerwein rühmen außerdem seine schmerzstillenden Eigenschaften.

Noch 1950 erklärte Mao Zedong, dass wild lebende Tiger eine große Gefahr für die Entwicklung Chinas darstellen. Also begann das große Abschlachten und innerhalb von wenigen Jahren gingen die Tigerbestände auf gerade einmal 1.000 Tiere zurück. Die, die noch am Leben waren, wurden für medizinische Zwecke—oder ihr schönes Fell—weitergejagt. Erst 1993 verhängte China ein Verbot für den Handel mit Tierteilen, doch auch danach stellte Wilderei eine große Gefahr für den chinesischen Tiger dar.

Im Jahr 2005 kam die chinesische Regierung auf die Idee, erste Lizenzen für die Zucht von Tigern zu vergeben, um deren Knochen für medizinische Zwecke nutzen zu können. Seitdem sind Tigerzuchtfarmen im ganzen Land aus dem Boden geschossen. Rund 200 solcher Farmen sollen es mittlerweile sein, in denen insgesamt zwischen 5000 und 6000 Tiere leben. Die lokale Tigerzüchterlobby behauptet indes, die zahlreichen „Zuchttiger" würden den Druck auf die Bestände wild lebender Exemplare verringern. Doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Schuld daran seien Wilderer in angrenzenden Ländern wie Indien, die die dort lebenden Tiger ins Visier nehmen, um sie anschließend gewinnbringend in China zu verkaufen. Aber auch chinesische Firmen trifft wohl eine Mitschuld. Denn zur Herstellung ihrer Wundermittelchen greifen sie nur allzu gerne auf die Schmuggelware zurück—ist doch wild lebender Tiger, der im Ausland geschossen wurde, weitaus günstiger als solche Exemplare, die in China gezüchtet werden.

Die bloße Tatsache, dass es nur noch so wenig wild lebende Tiere gibt, macht sie für wohlhabende Chinesen erst so richtig interessant. Darum sind sie auch bereit, astronomisch hohe Summen dafür zu zahlen. Denn Knochen von wild lebenden Tigern gelten als „reiner" und—ein wohl nicht zu unterschätzender Aspekt—sind deutlich prestigeträchtiger.

Wie viele chinesische Unternehmen genau Tigerwein produzieren, ist nicht bekannt—schließlich handelt es sich um ein Schwarzmarktprodukt. Auch über die Zahl seiner Konsumenten gibt es keine Informationen. Nur so viel ist bekannt: 1986 berichtete die chinesische Volkszeitung (Renmin Ribao) von 116 Fabriken, die den Wein herstellen würden. Man kann aber davon ausgehen, dass die Zahl mittlerweile deutlich höher sein dürfte. Und noch was scheint sicher. Unabhängig davon, ob die Knochen wirklich heilende und gesundheitsfördernde Eigenschaften haben, geht es am Ende mehr darum, mit einem Luxusprodukt und Statussymbol aufwarten zu können—und das auf Kosten der Tiere.

Und wer glaubt, es kann kaum schlimmer kommen, irrt sich gewaltig. Denn da es in ganz Asien kaum noch (wild lebende) Tiger gibt, geraten zunehmend auch afrikanische Löwen ins Visier der Wilderer.

Oberes Foto: Tambako The Jaguar | Flickr | CC BY 2.0