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Munchies

Beziehungsstatus: in einer offenen Beziehung mit meinem Kompost

„Einmal habe ich ihn zwei Wochen lang nicht umgegraben, weil ich sauer auf ihn war. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie mich das stresst, wenn ich ihn nicht umgrabe. Ich denke jeden Tag an ihn."—Matt Orlando, Besitzer des Amass in Kopenhagen, erzählt...

Meine Beziehung mit meinem Kompost begann, als wir das Amass eröffneten. Es war an dem Abend, als wir das erste Mal Küchenabfälle produzierten. Von da an warf ich all den Müll in die Kiste und ließ einfach los.

Ich hatte mich davor nicht informiert. Der Kompost stank nach einer Zeit so übel, dass ich mir dachte, Was zur Hölle ist denn hier los? Ich hatte so eine naive Vorstellung vom Kompostierprozess—weil ich ein Idiot war und mich nicht schlau gemacht hatte—und irgendwann wurde mir klar, dass das Problem anaerobe Vergärung hieß: es kam kein Sauerstoff ran, deshalb wurden all die guten Bakterien abgetötet. Alles verrottete. Kompost sollte jedoch verwesen. Und da begann mein Hass zu Kompost, der aber die beste und bereicherndste Form angenommen hat, die man sich vorstellen kann.

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VIDEO: Matt Orlando kocht für Action Bronson in Fuck, That's Delicious

Mittlerweile habe ich herausgefunden, dass man Kompost regelmäßig umgraben muss, so ein bis zwei Mal pro Woche. Das hatte ich bisher nicht gemacht. Ich kam nicht mal auf die Idee. Und wenn man ihn umgräbt, muss man ihn mit Kohlenstoff anreichern. Man möchte eine Balance von 50 Prozent Kohlenstoff und 50 Prozent Stickstoff halten. Manchmal will er aber nicht 50 Prozent. Er ist eine launische Zicke—ich mein's ernst. Einmal habe ich ihn zwei Wochen lang nicht umgegraben, weil ich sauer auf ihn war. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie mich das stresst, wenn ich ihn nicht umgrabe. Ich denke jeden Tag an ihn.

Fuck, ich muss ihn umgraben.

Iiiih, er verrottet. Manchmal grabe ich ihn um und er heizt einfach nicht so auf, wie er eigentlich sollte, wenn alles gut läuft. Dann platzt es manchmal aus mir raus: „Ich will dich nicht schon wieder umgraben. Ich habe dich gerade erst umgegraben. Warum tust du nicht das, was ich will?"

Das läuft jetzt schon eine ganze Weile so.

Die letzten zwei Wochen habe ich ihn nicht umgegraben. Im Hinterkopf hatte ich aber ständig dieses unterbewusste Schuldgefühl. Als ich es schließlich tat, war das eine riesige Erleichterung. Mir fiel richtig ein Stein vom Herzen. Es ist wirklich verrückt. Ich hätte mir nie vorstellen können, jemals so eine intime Beziehung mit acht Kisten Kompost zu führen. Meine Frau weiß nichts davon, ich glaube sie würde mich dafür ein bisschen verachten.

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mattintroducingHER

Matt Orlando and "her," his beloved compost.

Eine Zeit lang haben wir Mais reingeschmissen und ich glaube, die Schalen vertrockneten und wurden zu Kohlenstoff. Durch zu viel Kohlenstoff wird er inaktiv. Wenn man dann mehr frischen Kompost dazugibt, muss man immer auch an den Kohlenstoff denken, Holzchips oder Gras gehen immer.

VIDEO: Chef's Night Out mit Matt Orlando

Am Samstag Abend nach der besuche ich ihn immer. Da kann ich so richtig runterkommen. Es ist so schön dort draußen, besonders im Sommer. Nach einem anstrengenden Abend ist es ein tolles Gefühl, von draußen ins Restaurant zu schauen und all die Gäste zu beobachten, wie sie sich amüsieren. Wenn die Jungs anfangen, die Küche zu putzen, geh ich zu ihm raus.

Manchmal will er aber nicht 50 Prozent. Er ist eine launische Zicke—ich mein's ernst. Einmal habe ich ihn zwei Wochen lang nicht umgegraben, weil ich sauer auf ihn war. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie mich das stresst, wenn ich ihn nicht umgrabe. Ich denke jeden Tag an ihn.

Für das Amass ist Kompost so wichtig. Seit unserer Eröffnung haben wir noch nie Biomüll in den Restmüll geschmissen. Nur Knochen, Zwiebel und Zitronen, weil sie zu säurehaltig sind und man sie nicht verwenden kann. All unsere grünen Abfälle geben wir Christina, die die Hühner züchtet, von denen wir unsere Eier bekommen. So haben die Hühner auch im Winter gutes Futter, wenn es draußen kein Gras mehr gibt.

Auch zu Regenwürmern habe ich eine Beziehung aufgebaut. Wir haben 500 aus Deutschland gekauft, die in ein bisschen Dreck geliefert wurden. Meinen Regenwürmern stehe ich ziemlich nahe, sie sind ein bisschen wie meine Babys. Einmal stimmte der Kohlenstoffgehalt im Kompost nicht und jedes Mal, wenn ich den Haufen umgrub, fand ich schrumplige Würmer. Sie starben einfach immer. Das stresste mich so. Ich rief meinen Kumpel Mikkel an, der sich mit solchen Dingen auskennt, und er sagte: „OK, ich komm' gleich vorbei." Er brachte einen Spray mit, der den Pilz abtötet. Damit sprühten wir den Kompost ein. Zwei Wochen später steckte ich meine Hand hinein und er explodierte fast vor Regenwürmern.

All diese Aktivitäten—kompostieren, Kompost umgraben, Regenwürmer züchten—sollen entspannend sein. Aber ehrlich gesagt, stresst mich das immer ein bisschen. Ich bin aber nicht der Einzige: In Dänemark sind viele Leute verrückt nach ihren Regenwürmern. Letztes Jahr hatten wir einen Gast, er war etwa 50, der ein richtiger Regenwurmexperte war. Er wollte über nichts anderes reden. Auf eigenartige Art und Weise habe ich mich danach besser gefühlt.

Ich habe echt nicht so viele Freunde, mit denen ich über solche Dinge sprechen kann, versteht ihr das?

Aufgezeichnet von Ian Moore